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Bild: Kerstin Peters / bonnFM

bonnFM reist: Dieser Weg wird kein leichter sein – Danke Xavier

Lesezeit: 4 Minuten

Eine Woche ist vergangen, seitdem Orkan Xavier besonders über weite Teile von Norddeutschland fegte. Ich habe mich inzwischen wieder erholt, meinen Schlafrhythmus so gut es geht wiederhergestellt und bin nun bereit, noch einmal alles Revue passieren zu lassen. Eine Nacht in Minden, Hotelzug 2.0, 24 Stunden wach oder einfach: bonnFM reist.

Als ich am Morgen des 5. Oktober 2017 aufwachte, meinen Koffer zu Ende packte, mich anzog –  ich wählte eine bequeme Leggings – und meinen Rucksack mit ausreichend Proviant ausstattete, hatte ich wohl irgendwie schon im Gefühl, dass ich diese Reise so schnell nicht vergessen würde.
Mein Ziel: Salzgitter-Bad in Niedersachsen – irgendwo zwischen Braunschweig und Goslar im Harz. Da, wo im Juli das schlimme Hochwasser war.

Um 11:01 Uhr stieg ich in Bonn in den Zug, um von Köln den ICE Richtung Berlin zu nehmen. Mein nächster Halt sollte aber schon Hannover sein – hah, schon! Dank Sparpreis und Bahncard 25 bekam ich für 9,90 Euro ein Upgrade in die 1. Klasse und konnte es mir daher auf zwei Sitzen ordentlich gemütlich machen und mich ausbreiten. Bedenkt man den weiteren Verlauf der Reise, sollten diese 10 Euro wohl mit die beste Investition seit Langem gewesen sein.

Die Vorahnung

Spätestens an dieser Stelle kann man sich schon denken, worauf das Ganze hinauslaufen würde. Um kurz vor 12 setzte sich der ICE in Bewegung, ich packte meinen Laptop aus, checkte dank free WIFI im ICE ein paar E-Mails und genoss meine Beinfreiheit. Der Info-Bildschirm kündigte bereits an, dass es ab Bielefeld aufgrund des Unwetters zu Verspätungen kommen kann. Naja gut, erstmal abwarten. Noch war es draußen relativ windstill – komisch.

Aber dann: Erster außerplanmäßiger Halt in Porta Westfalica. Knapp eine Viertelstunde später rollten wir wieder, um dann in Minden wieder zum Halten zu kommen. Hier stand bereits ein anderer ICE am Nebengleis. Der Zug, der in Köln eine Stunde früher Richtung Berlin gestartet war. Das war ca. um 14:30 Uhr, meine eigentliche Ankunftszeit in Hannover. Bereits jetzt wurde das sogenannte Fahrgastrechte-Formular ausgeteilt und dann kam daraufhin die Durchsage, dass der Bahnbetrieb in Hannover eingestellt wurde. – Achtung Spoiler – Ich sah mich schon die Nacht im Zug verbringen. Kleine Entschädigung für die Reisenden: Freigetränke (antialkoholisch).

Und zur Besänftigung erstmal ein „Mars“

Weil Schokolade ja bekanntlich glücklich macht und die Nerven beruhigen soll, ging der Zugbegleiter nun mit einer Kiste „Mars“ durch die Reihen. Why not? Nehme ich. Inzwischen war es 16:30 Uhr – zwei Stunden sind nach unserem außerplanmäßigen Halt in Minden vergangen. Wetter-Update: Die Sonne scheint. Aber das veranlasste uns leider nicht dazu, weiter zu fahren. Inzwischen verrieten mir auch diverse Online-Nachrichtendienste, dass der Orkan Xavier über Norddeutschland, besonders aber in Hamburg und Berlin, ordentlich wütete und auch schon ein Todesopfer gefordert hat.

Von diesen enormen Ausmaßen war in Minden, wie gesagt, nichts zu spüren. Dass nun allerdings das komplette Bordbistro freigegeben wurde, ließ den Ernst der Lage vermuten. Essen und Getränke umsonst und zur freien Verfügung. Das hieß für mich erstmal warme Maultaschen und eine Cola. An dieser Stelle möchte ich auch mal ein Lob an die Deutsche Bahn aussprechen, die zwar mit Informationen zum weiteren Verlauf der Reise nicht so glänzen konnte, dafür aber umso mehr um das leibliche Wohl ihrer Passagiere bemüht war. Spätestens zu dem Zeitpunkt hatte ich mich darauf eingestellt, dass ich aus Minden so schnell nicht mehr wegkommen würde. Um 18:30 Uhr entschied ich mich dann für einen Film auf meinem Laptop.

Eine Nacht in Minden

Gegen 21:00 Uhr kam dann die Nachricht, dass sich der Zug, zumindest vor Mitternacht, nicht mehr weiter Richtung Norden bewegen würde. Zwischenzeitlich war die Rede davon, dass sich sowohl die Feuerwehr als auch das THW (Technische Hilfswerk) um die Unterbringung in Turnhallen kümmern würden – bitte nicht! Ich hatte mich an mein Zugabteil und meine Mitreisenden, die allesamt übrigens sehr angenehme Zeitgenossen waren, gewöhnt und mich damit abgefunden, in diesem Zug die Nacht zu verbringen. Es war immerhin und erstaunlicherweise einigermaßen warm. Wem trotzdem noch kalt war, der konnte auf Decken, die verteilt wurden, zurückgreifen. Allerdings erst deutlich nach 24 Uhr. Das Deutsche Rote Kreuz drehte seine Runden durchs Abteil und gewährleistete dadurch auch die medizinische Versorgung. Zudem wurde in der Bahnhofshalle eine Art Versorgungsstätte aufgebaut. Also… es gab Würstchen, labbriges weißes Toast und Kaffee oder Tee. Immerhin!

Gegen 5:00 Uhr morgens dann die langersehnte Nachricht: Der Zug fährt wieder. Zumindest bis Hannover. Gut für mich, aber nur ein kleiner Trost für die vielen Reisenden mit dem Ziel Berlin. Unter denen, ein chinesisches junges Paar auf Europareise, das am nächsten Tag um 14 Uhr in Berlin wieder seinen Rückflug in die Heimat antreten wollte. Happy End? Tendenz negativ.

Hannover Hbf +930 Minuten Verspätung

Um kurz vor 6:00 Uhr endlich angekommen in Hannover, versuche ich mich nun zum Ende der Reise kurzzufassen. Vorweggenommen, knappe fünf Stunden hatte ich noch vor mir. Fast so viel wie zu Beginn meiner Reise in Bonn. Mein erster Stopp in Hannover war ein Bäcker: Schokobrötchen und Cappuccino. Schnell wurde mir klar: Der Weg über Braunschweig, so wie er eigentlich geplant war, fällt flach. Umgefallene Bäume und Äste auf den Gleisen, Oberleitungen defekt – da geht so schnell nichts. Die Schlangen an der DB-Information waren unmenschlich lang. Also versuchte ich es auf eigene Faust. Die ersten 1,5 Stunden recht erfolglos, dann auf der großen Anzeigetafel meine Rettung:

„Ersatz durch Busse zwischen Groß Düngen und Salzgitter-Ringelheim“. Wo auch immer Groß Düngen war, es war mir egal, ich wollte dahin. Denn wer sich an den Anfang zurück erinnert, nach Salzgitter wollte ich (eigentlich will man dort nicht hin, aber was tut man nicht alles der Liebe wegen)! Außerdem erschien mir der Bus an diesem Morgen als das zuverlässigere Verkehrsmittel. Ich machte mich also auf zum Gleis, wartete auf meine Bahn nach Groß Düngen und – sie kam. Dass ich im besagtem Groß Düngen dann noch eine geschlagene Stunde auf den Bus nach Salzgitter-Ringelheim warten musste, ja, mein Gott, das machte den Kohl dann auch nicht mehr fett.

Als ich dann gegen 10 Uhr dank meines Schienenersatzverkehrs in Salzgitter-Ringelheim angekommen war, bei Nieselregen und ca. 8 Grad, und feststellen musste, dass selbst die vierminütige Zugverbindung in den anderen Stadtteil nicht möglich war und der nächste Bus in einer Stunde kam, war auch ich nach fast 24 Stunden unterwegs und vielleicht so gerade einer Stunde „Schlaf“ nervlich am Ende.

Lange Rede, kurzer Sinn: Ein Taxi brachte mich ans Ziel. 19 Stunden später als geplant.

Reisen mit Bahn und Xavier: mein Fazit

Glück im Unglück. Es hätte mich wesentlich schlimmer treffen können. Zusammen ist man weniger allein. Die Mitarbeiter der Deutschen Bahn sind auch nur Menschen. Gegen höhere Gewalt ist man machtlos. Der Riesling im Bordbistro schmeckt besser als gedacht. Immer die Ruhe bewahren. Ich werde weiterhin Zug fahren und meine Bahncard 25 behalten. Dabei sein ist alles. Die Nacht vom 5. auf den 6. Oktober 2017 werde ich definitiv nicht vergessen.