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Bild: José Cruz / Agência Brasil (Wikimedia Commons)

Der tiefe Fall des Michel Temer

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Die Unruhen in der brasilianischen Hauptstadt Brasilia eskalieren zunehmends, weil der amtierende Präsident sich trotz erheblicher Korruptionsvorwürfe weigert, zurückzutreten. Der Wahlgerichtshof sollte nun über die Annullierung seiner Präsidentschaft entscheiden.

Die Hauptstadt Brasiliens wird derzeit von schweren Massenprotesten erschüttert, die solche Ausmaße annahmen, dass Demonstranten am 24. Mai ein Feuer im Agrarministerium zündeten und mehrere andere Ministerien verwüsteten. Bis auf vereinzelte Gegendemonstrationen richten sich die Proteste in Brasilia gegen die Politik des amtierenden Präsidenten Michel Temer. Die Unzufriedenheit der Bevölkerung hat eine lange Vorgeschichte, die sich seit mehr als zwei Jahrzehnten durch das politische Geschehen Brasiliens zieht: die Korruption.

Als die 2011 gewählte Präsidentin Dilma Roussef der linksorientierten Partido des Trabalhadores in ihrer zweiten Amtszeit Vorwürfen in der Führung der Staatsfinanzen ausgesetzt war, verbündete sich ihr Koalitionspartner und Vizepräsident Michel Temer mit der Opposition und raffte die entscheidende Mehrheit zusammen, um eine Amtsenthebung zu bewirken. Am 31. August wurde er offiziell zum Präsidenten Brasiliens ernannt. Er versprach, der korrumpierenden Epoche in Brasiliens Regierungsgeschichte ein Ende zu setzen und verurteilte seine Vorgänger für ihre Verfehlungen.

Die Hintergründe der aktuellen Ermittlungen

Doch am 19. Mai geriet Michel Temer, im Rahmen der Korruptionsermittlungen des Bundesrichters Sergio Moros, ebenfalls ins Visier der Ermittler und die Proteste in Brasilien gewannen an Brisanz. Die Aufzeichnungen eines Telefonats Temers mit dem leitenden Angestellten Baptista des Fleischfabrikanten JBS, in dem er Schweigegeldzahlungen an den inhaftierten Ex-Parlamentspräsidenten zustimmt, entstammen seiner Zeit als amtierender Präsident. JBS ist der weltgrößte Fleischlieferant und Tochterfirma des Konzerns J&F. Um einer Verurteilung zu entgehen, hat J&F einer Rekordsumme von 2,9 Milliarden Euro Schadensersatzzahlungen zugestimmt und sich bereit erklärt, bei der Aufklärungsarbeit mitzuwirken. Im Umfang der Ermittlungen wurde ebenfalls das Gespräch Temers und Baptistas mitgeschnitten. Zudem gibt es Indizien, dass Temer in seiner Zeit als Vizepräsident Bestechungsgelder angenommen haben soll.

Der brasilianische Wahlgerichtshof und seine Verwicklungen in die Unruhen

Ein Ende der Unruhen ist nicht in Sicht, denn am 29. Mai ernannte Michel Temer überraschend einen Richter des Wahlgerichtshofes zum Justizminister und setzte seinen Justizminister als Transparenzminister ein. Der Wahlgerichtshof ist die Instanz, die seit dem 6. Juni über die Annullierung der Wahl von 2015 entscheiden soll. Da Temer bei dieser Wahl zum Vizepräsidenten gewählt wurde, würde auch seine Präsidentschaft keine Rechtmäßigkeit mehr besitzen. Die Demonstranten werfen ihm Manipulation des eigenen Prozesses vor, indem er sich bessere Beziehungen zu der judikativen Institution verschaffe, die über seinen Prozess entscheidet. Eben diese Institution entschied nun am 10.06. für den Präsidenten und gegen eine Annulierung der Wahl von 2014.

Michel Temer darf also weiterhin im Amt bleiben, obwohl es schwerwiegende Beweise gibt, die der Wahlgerichtshof kurzerhand für ungültig erklärte. Allerdings ist sein Amt trotzdem noch in Gefahr, da es gleich mehrere Staatsanwaltschaften gibt, die gegen ihn wegen Korruptionsverdacht und Behinderung der Justiz ermitteln.