Der bonnFM-Festivalsommer: Klein, aber Oho!

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Mit seinen knapp 3000 Besuchern zählt das Orange Blossom Festival im beschaulichen Beverungen eindeutig zur Sparte der kleinen Festivals. Am Pfingstwochenende hat es bereits zum 19. Mal im Garten des veranstaltenden Labels Glitterhouse Records stattgefunden. Drei Tage lang wird hier jedes Jahr auf anderthalb Bühnen ein Line-Up der besonderen Art präsentiert.

Das Besondere der kleinen Festivals

Kleine Festivals sind etwas ganz Besonderes. Es gibt sie zum Glück zahlreich in Deutschland. Das Haldern Pop Festival am Niederrhein und das Appletree Garden in Diepholz sind zwei bekannte Adressen für wunderschöne kleinen Festivals in Deutschland. Nicht ohne Grund werden sie von Festivalgängern gerade wegen ihrer Größe geschätzt. Für den Blick auf die Bühne kann man das Fernglas zu Hause lassen, der Gang aufs Dixi dauert keine halbe Stunde und nachts ist tatsächlich an Schlaf zu denken, in einem Zelt, was innerhalb weniger Minuten erreichbar ist. Alles womit Rock am Ring, Hurricane und co so ihre Problemchen und Unbequemlichkeiten haben, da können die Kleinen so richtig Punkten. Das Ganze ist aber natürlich auch eine Frage der Geschmackssache. Die einen mögen’s dauerlaut, wollen durchgehend Party, zu den großen Headlinern pogen und das Festival in einer großen Masse an Menschen genießen. Andere hingegen wollen zwischen Party und Pogen auch den ganz unbekannten, kleinen Bands lauschen, dabei die gemütliche Festivalatmosphäre genießen, sich auf den sauberen Boden niederlassen und nach dem zweiten Festivaltag das Gefühl haben, nur noch in bekannte Gesichter zu blicken.

Familiäre Atmosphäre beim Orange Blossom Special

Beim Orange Blossom Special hat man genau das, was an den kleinen Festivals so geschätzt wird. Mit viel Liebe und Mühe wird hier vom gesamten Team wochenlang vorbereitet und organisiert, sodass am Ende alles stimmt. In der Chillout-Area kann man entspannen, auf den vielen Sitzmöglichkeiten gemütlich Essen, auswählen kann man zwischen Pizza und Pommes aber auch Spätzle, Schupfnudeln und Maiskolben. Zum Schwelgen in Erinnerungen kann man die selbst gestalteten Fotowände der vergangenen Jahre bewundern und für die mitgekommenen Kinder gibt es sogar eine eigene Spielecke. Genächtigt wird auf den Weserwiesen, direkt am Weserradweg. Für Groß und Klein ist hier gesorgt und das zeichnet sich auch in dem mehrere Generationen übergreifenden Publikum wieder. Das Team bestehend aus den Mitarbeiten des Glitterhouse Records Label, deren Praktikanten und Ex-Praktikanten und zahlreichen jungen Helfern aus dem Dorf arbeitet auch während des Festivals vom frühen Morgen an bis in die Nacht hinein, um den Besuchern ein gelungenes Festival zu ermöglichen. Von der Kasse über den Merch-Verkauf bis hin zu Müll aufsammeln und Toilettenpapier auffüllen wird hier alles selbst gemacht.

Musik auf 1 ½ Bühnen

Die meisten Konzerte finden auf der Hauptbühne statt, keines davon ist kürzer als 60 Minuten angesetzt – eine Seltenheit auf Festivals. Indie, Blues, Rock, Folk – für jeden Geschmack ist etwas dabei und bei fast allen Bands kommen irgendwie alle auf einen Nenner. Gerade Bands wie The Dead South oder The Wood Brothers waren wohl den wenigstens vorher bekannt, haben aber ein jubelndes, tanzendes Publikum auf ihre Seite geholt und vollends begeistert. Jede Band wird persönlich vom Festivalorganisator Rembert Stiewe anmoderiert. In einigen wenigen Umbaupausen wird eine kleine Bühne im hinteren Teil des Gartens eröffnet, um die Zeit zu überbrücken. Hier werden den Bands zwei Slots zur Verfügung gestellt, damit auch sie auf ihre volle Stunde Spielzeit kommen. Leider übertönt in den letzten fünf Minuten der Soundcheck der großen Bühne den letzten Song der kleinen Bühne, zumindest sobald man mehr als 5 Meter von den Boxen entfernt steht. Das ist aber wohl auch das einzige Manko, was man der Organisation des Festivals abziehen kann. Am Ende des Tages wird dann nochmal mit einer kleinen Rede des Festivalorganisators Rembert der Abend besiegelt. Dabei wird jeweils ein Drittel eines Witzes erzählt, dessen Pointe das Festival beendet.

Ein besonderes Line-Up

Besonderes Highlight war in diesem Jahr wohl der Surprise Act. Bis zum Sonntag um 11.30 Uhr wurde dieser streng geheim gehalten, nur eine Hand voll Personen wusste, dass Gisbert zu Knyphausen mit seiner Kid Kopphausen Band die Frühaufsteher des Festivals überraschen würde. Das Aufstehen hatte sich aber gelohnt, das Publikum war sichtlich begeistert, als der Surprise Act endlich bekannt gegeben wurde und auf die Bühne kam. Überrascht haben wohl auch Baby In Vain. Die drei jungen Däninnen forderten das Publikum mit ihren harten Grunge-/Blues-/ Noise-Rock-Songs. Von Schongang keine Rede. Genauso wenig bei Leoniden. Die deutschen Jungs reißen im wahrsten Sinne des Wortes fast die Bühne ab. Der Gitarrist schmettert immer wieder das Mikrofon auf den Boden – welches nach dem ersten Song ohnehin schon nicht mehr funktioniert. Wie irre rast er und der Sänger über die eigentlich eher kleine Bühne. Instrumente, Monitore, Mikrofone, Bierflaschen und sogar die eigene Haut – alles egal, alles darf kaputt gehen und die Hälfte davon tut es auch. Auch diese Band kommt an, ist aber dem ein oder anderen dann doch schon eine Spur zu viel des Guten. Nach 40 Minuten ist schon Schluss – die Jungs können wohl nicht mehr. Den krönenden Abschluss des Festivals bilden The Slow Show am Sonntagabend. Die britische Indie-Band beseelt mit der tiefen Stimme des Sängers, den Trompeten-, Streicher- und Chorklängen und den melodiös-melancholischen Songarrangements das Publikum. Ein würdiger Abschluss des Orange Blossom Special. Ohne Abschied geht hier aber niemand nach Hause. Festivalchef Rembert steigt ein letztes Mal auf die Bühne. Gelächter über das Ende des Witzes. Dann wird sich gebürtig voneinander verabschiedet. Bis zum nächsten Jahr, beim 20. Orange Blossom Special Festival.