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RADIOlogie: Wein

Lesezeit: 5 Minuten

Seine Herstellung unterliegt strengen Auflagen und ist manchmal sogar zertifiziert vegan. Je teurer wir glauben, dass er ist, desto besser schmeckt er uns. Das hat eine Bonner Forschungsgruppe herausgefunden und wir haben ihn euch in der Bibliothek probieren lassen: Wein.

In jeder Ausgabe der Radiologie, der Wissenschaftssendung bei bonnFM, durchleuchten wir ein spannendes Thema. Hier haben wir für euch die Inhalte, Quellen und Statistiken zu unseren Beiträgen aufbereitet. Ihr könnt die Sendung hier nachhören.

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Reinheitsgebot

Schon 1970 wurde in der gesamten EU festgelegt was Wein zu sein hat: “(…) Ein Erzeugnis, das ausschließlich durch vollständige oder teilweise alkoholische Gärung der frischen und auch eingemaischten Weintrauben oder des Traubenmostes gewonnen wird.” Das Wort ausschließlich macht aus dieser Definition also quasi ein Reinheitsgebot. Allem voran sorgen zwei grundlegende europäische Verordnungen seit 1999 dafür, dass auch die Weinerzeugung genau definierten Regeln unterliegt. Dort steht ausdrücklich nur, was beim Herstelllungsprozess erlaubt ist. Und was nicht aufgezählt ist, ist somit automatisch verboten.

Weinherstellung

Wir wissen alle, dass bei der Weinherstellung die Trauben gepflückt und gepresst werden. Diese Flüssigkeit wird eingelagert und zu Wein verarbeitet. Dieser Prozess ist so komplex, dass in den letzten Jahrhunderten unzählige Weinsorten entstanden sind. Äußerlich leicht zu unterscheiden sind Rotweine, Weissweine und Rosés. Das Geheimnis der verschiedenen Farben liegt in den Schalen der Trauben. Bei der Herstellung von Rotwein bleiben sie lange in der Flüssigkeit liegen, für Rosé nur eine Nacht und Weisswein wird ganz ohne Schalen nur aus dem Saft der Trauben gewonnen.

Neben der Herstellungstechnik ist auch wichtig, wo die Trauben gewachsen sind. Manche Weine dürfen nur in bestimmten Regionen hergestellt werden – so muss etwa jede Flasche Champagner aus der Region Champagne stammen. Heutzutage wird jedoch viel „durcheinander“ gepflanzt, weil der Wein mancher Traubenarten besonders viel gekauft wird oder die Pflanzen außergewöhnlich robust sind.

Genau so wichtig wie der Boden ist das Wetter, wenn die Früchte wachsen und heranreifen. „Ein guter Jahrgang“ Wein entsteht meist dann, wenn die Witterungsbedingungen besonders gut waren. Heutzutage kann man jedoch auch Weine schlechterer Jahrgänge etwas auf die Sprünge helfen und ihr Aroma nachträglich verändern. Während sich die Weine von einem Jahr zum nächsten stark unterscheiden können, lassen sich gewisse Trends nicht leugnen. Wegen des Klimawandels und der steigenden Temperaturen werden Weine immer süßer und ihr Alkoholgehalt erhöht sich nachweisbar deutlich.

Veganer Wein

Ein Lebensmittel ist vegan, wenn keine seiner Zutaten ein Erzeugnis tierischer Produkte ist und auch die Produktion ohne Hilfsmittel tierischer Herkunft abgelaufen ist. Während der Wein in der Flasche meist rein pflanzlich ist, kommen bei der Herstellung traditionell tierische Produkte zum Einsatz. Um den Wein von Trübstoffen zu klären, in der Fachsprache „Schönung“ genannt und unerwünschte Geschmacksstoffe zu entfernen, werden ihm häufig Gelatine, Hühnereiweiß, oder Milchproteine beigesetzt. Diese binden die unerwünschten Partikel, sinken zu Boden des Fasses und die Flüssigkeit kann leichter gefiltert werden. Eine vegane Alternative sind pflanzliche Geliermittel.

Schon vorher muss jedoch auf eine vegane Produktion geachtet werden, denn bei der Ernte mit Maschinen können Kleintiere zu Schaden kommen. Das ist jedoch kein spezifisches Problem des Weins sondern gilt prinzipiell für die maschinelle Ernte von Obst oder Gemüse. Auch ganz zum Schluss der Produktion des Weins gilt es eine Hürde zu überspringen: Der Kleber der Etiketten enthält oft tierische Erzeugnisse wie Knochenmehl oder Kasein, ein Milchprotein.

Dass als vegan deklarierter Wein häufig teurer ist, kann verschiedene Ursachen haben. Einerseits werden viele vegane Weine auch in Bioqualität produziert, andererseits kostet die für das „vegan“-Siegel nötige Zertifizierung eines Weinguts viel Geld. Deshalb gibt es auch häufig vegane Weine, die nicht als solche gekennzeichnet sind. Gewissheit schafft eine Produktanfrage.

Musik und Wein

Wenn es um Geschmacksempfindungen geht, spielt die Psychologie bekanntlich eine große Rolle. Eine Forschungsgruppe der Universität Cambridge hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Wechselwirkungen von Geschmack und anderen Sinnen zu untersuchen. Ein Ergebnis einer Studie ist, dass Wein bis zu 15% besser schmeckt, wenn man beim Trinken die passende Musik hört. Untersucht wurden Geschmacksrichtungen wie süß und sauer und ihr Zusammenspiel mit Eigenschaften der Musik wie Tonhöhe oder Tempo.

Zu süßen Weinen passt Musik mit einem langsamen, gleichbleibenden Rhythmus und hohen Klängen. Säuerliche Weine schmecken besonders gut, wenn besonders rythmische und schnelle hohe Noten erklingen und kurze, abgehackte Töne von Blechblasinstrumenten lassen salzige Weine besser schmecken. Auch andere Eindrücke vom Wein können stärker wahrgenommen werden mit der passenden Musik im Hintergrund. Besonders kraftvolle Musik lässt Geschmack und Mundgefühl intensiver weden, sanfte Musik schwächt diese Eindrücke ab. Ein Experiment mit sehr eindeutigen Ergebnissen hat gezeigt, dass rote und weiße Weine dem Publikum einer Aufführung von Carl Orff’s Carmina Burana 60% stärker und schwerer geschmeckt haben, als ohne.

Diese Forschungsergebnisse sollen dazu genutzt werden, den Geschmack von Lebensmitteln zu verbessern, ohne das Produkt an sich zu verändern. Unter anderem werden Ergebnisse der Untersuchungen von Seh- und Tastsinn dazu verwendet, das Produkt durch Aussehen und Haptik der Verpackungen zu optimieren.

Geschmack von Leder oder Holz

Weinflaschen erreichen bei Auktionen immer wieder Rekordpreise. Manche werden so teuer gehandelt, dass sie mit Gold aufgewogen werden könnten. Aber teuer heisst nicht immer besser, meint Thierry Fournier, Inhaber der Bonner Weinhandlung Pastis. Eine untere Grenze gäbe es wohl doch, weil für einen Verkaufspreis unter 6€ kein guter Wein produziert werden kann, wenn die Kosten für Flasche und Verkauf darin enthalten sein müssen.

Um den Geschmack von Wein zu beschreiben, hat sich eine eigene Fachsprache entwickelt. Viele Weine haben fruchtige und florale Aromen, kräftigere Wein können nach Leder oder Holz schmecken. Letzteres hat vielleicht weniger mit den Trauben zu tun, als dem Barrique, dem Holzfass, in dem der Wein reift. Schmecken, auf welchem Boden der Wein gewachsen ist, können nur wenige Menschen auf der Welt. Einfacher ist es jedoch, die Traubenart zu erschmecken.

Prinzipiell gilt aber, dass man nur Weine und ihre Aromen erkennen kann, die man schon einmal getrunken hat. Dafür muss man viele Weine probieren, am besten mit einem Winzer, dem man viele Fragen stellen kann. Ohne Winzer kann man die eigenen Geschmacksnerven auch mit speziellen Fläschchen oder Dosen, die isolierte Aromen enthalten, trainieren. Ein guter Anfang ist es, in der Gruppe Weine zu probieren und darüber zu diskutieren, warum man den einen Wein besonders mag und den anderen nicht.

Marketing-Placebo-Effekt

Am Center for Economics and Neuroscience vereinen sich Psychologie, experimentelle Wirtschaftsforschung und Neurowissenschaften um aus allen drei Blickwinkeln die Entscheidungen der Konsumenten zu betrachten. Ob der Preis eines Weines einen Einfluss auf die Geschmackswahrnehmung hat, war eine Studie, die wir uns näher angeschaut haben. Professor Bernd Weber ist geschäftsführender Direktor des CEN und Mitherausgeber der Studie und Konsumentenentscheidungen sind für ihn ein besonders spannendes Thema.

Dass die Käufer glauben, der preislich höhere Wein schmecke besser, das ist kein Geheimniss mehr, aber was genau geschieht im Gehirn beim anschließenden Genuss? In Professor Webers Experiment lagen die Probanden im Kernspintomograph und bekamen über ein speziell gebautes Pumpensystem jeweils einen Milliliter Wein zugeführt. Bei jeder Probe wurde ein Preis von sechs, 12 oder 18 Euro angezeigt und die Aktivität im Gehirn untersucht. Das Ergebnis: Das Ventrale Stratium, ein Berreich im Frontalhirn, der Teil des Motivations und Belohnungssystems ist, zeigte eine besonders hohe Aktivität beim vermeintlich teuren Wein. Somit erzählt uns das Gehirn tatsächlich, der Wein wäre besser und es ist nicht nur pure Einbildung.

Marketing-Placebo-Effekt wird dieses Phänomen genannt und spielt nicht nur beim Preis sondern auch bei Verpackungsdesign oder dem Namen der Marke eine Rolle. Ein besseres Verstehen dieser Vorgänge kann zum einen Herstellern helfen, ihre Produkte für Kunden attraktiver zu gestalten und zum anderen können Konsumentengruppen, die besonders stark auf den Marketing-Placebo-Effekt reagieren, wie beispielsweise Kinder, besser geschützt werden.

Experiment: Weinprobe in der Bibliothek

Im Gegenversuch zum Experiment von Professor Weber haben wir eine Weinprobe in der Bibliothek veranstaltet. Drei verschiedene Merlots wurden mal probiert und geschmacklich bewertet. Dass es sich um Weine verschiedener Preisklassen handelte, haben wir nicht verraten. Anders als in der großen Studie der Neuroscience, schmeckte der teurere Wein nicht besser, sondern der mittelpreisige hat das Rennen gemacht. Auf Platz zwei lag der teuerste und Schlusslicht wurde der günstigste. Wer die drei Weine probiert hat, sollte sie nach dem persönlichen Geschmack sortieren: Welcher am besten geschmeckt hat, welcher etwas weniger gut war und welcher der drei am schlechtesten. Diese Einstufungen haben wir in Bewertungen mit 2 bzw. 1 bzw. 0 Punkten übersetzt und konnten den mittelpreisigen Wein zum Sieger küren.

Die von den verschiedenen Weinen erreichten Punktzahlen küren einen eindeutigen Gewinner

In den Datensätzen befinden sich zwei Bewertungen, die den ersten Platz doppelt vergeben haben, weshalb die Gesamtpunktzahl statt bei 300 bei 302 liegt.