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Bild: Nick Jaussi

„2099“ – Nur Theater oder Realität?

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Wie wäre es, wenn wir mit unserem Wissen in das Jahr 1915 zurückreisen könnten, um die Menschen vor den bevorstehenden Katastrophen zu warnen? Vier Philosophen aus dem Jahr 2099 realisieren dieses Gedankenexperiment: als Zeitreisende erscheinen sie im Jahr 2015 auf der Bühne des Schauspielhauses Dortmund und konfrontieren das Publikum mit einer unbequemen Wahrheit.

Aufklären, warnen, wachrütteln!

Die Philosophen appellieren an unsere menschlichen Werte. Trotz des Schwurs „Nie wieder Auschwitz“, gibt es auf der Welt noch immer furchtbare Verbrechen an der Menschheit, Völkermorde, Hungersnöte und Krieg. Auch die Zukunft wird diese Tradition fortsetzen, warnen sie: wir müssen aufhören die Augen vor der Wahrheit zu verschließen, denn „das Undenkbare ist das Naheliegende“. Stattdessen sollen wir anfangen, zu den aktuellen Geschehnissen Stellung zu beziehen, denn nur so können wir uns aus unserer lähmenden Passivität befreien. Als Publikum wird man gleich doppelt herausgefordert: einerseits ist man lediglich Zuschauer dieses Theaterstücks und als solcher „passiv“ am Geschehen beteiligt, andererseits sieht man sich explizit mit seinem eigenen Gewissen konfrontiert und tritt mit diesem in einen aktiven Dialog.

„Wo habt ihr sie versteckt, die Taten, auf die ihr stolz sein könnt?“

Wir müssen uns die Frage stellen, was unsere Generation ausmacht und was man rückblickend über uns sagen wird. Wenn uns die Antworten nicht gefallen, dann müssen wir anfangen, etwas zu ändern – so lautet die Aufforderung.

Bild: Nick Jaussi
Bild: Nick Jaussi

Die vier Zeitreisenden hinterfragen gnadenlos den Stolz auf unsere technischen Errungenschaften im Kontrast zu unserem ausbleibenden menschlichen Fortschritt, beleuchten kritisch das kapitalistische Wirtschaftssystem und unsere Rolle als willige Konsumenten und lösen damit allgemeine Scham und Betroffenheit unter den Zuschauern aus. Anstatt unser ganzes „Bling Bling“ für irgendwelche Dinge auszugeben, wie sie beispielsweise im Magazin „Landlust“ angepriesen werden, könnten wir uns in die Geschichte als die Generation einschreiben, die mit ihrem Wohlstand die Menschheit gerettet hat. Wir müssen es nur endlich in Angriff nehmen.

„Politisch waren sie Kinder der Stille.“

Es geht nicht darum, das Publikum allein anzuklagen, denn die Philosophen beziehen sich selbst mit ein. Der moralische Zeigefinger ist auf Jeden gerichtet. Er erhebt sich drohend über der gesamten Menschheit und fordert zu Mut und einer Haltung auf, solange es noch nicht zu spät ist. Als Zuschauer wird man mit der Diskrepanz zwischen den aufrüttelnden Medienberichten und dem eigenen Ohnmachtsgefühl angesichts des Grauens konfrontiert: „Ihr seht so viel, ihr tut so wenig“.

„Aleppo ist euer Nachbardorf!“

Kritisch wird unsere eingeschränkte Wahrnehmung des Weltgeschehens hinterfragt, die uns teilweise blind oder gefühlstaub werden lässt gegenüber den Geschehnisse jenseits von Europa. Zu viele Menschen sterben „durch eure Friedensliebe und eure Toleranz gegenüber Diktatoren“, lautet die Anklage der Philosophen. Sie fordern dazu auf, eine „Liga der Demokratien gegen die Diktaturen“ zu schließen und ermahnen uns dazu nicht unsere Menschlichkeit verlieren: die Humanität muss jeden Tag aufs Neue verteidigt werden, da sie als einzige Rettung verheißen kann.

Das Theaterstück „2099“ ist in einer Kooperation des Theaters Dortmund mit dem Zentrum für Politische Schönheit entstanden. Das 2008 entstandene Zentrum für Politische Schönheit setzt sich aus einer Gruppe von Menschenrechtlern und Künstlern zusammen, die mit öffentlichkeitswirksamer Aktionskunst „aggressiven Humanismus“ betreiben. Sie selbst sehen sich als „eine Sturmtruppe zur Errichtung moralischer Schönheit, politischer Poesie und menschlicher Großgesinntheit – zum Schutz der Menschheit“ an.
Mehr Informationen zum Zentrum für Politische Schönheit bekommt ihr hier.

Die nächsten Termine im Schauspielhaus Dortmund:
Fr, den 08.01.2016
Mi, den 13.01.2016

Tickets und weitere Infos findet ihr hier.