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Bild: Annika Ley

UN-FLÜCHTIG # 1

Lesezeit: 2 Minuten

Am Samstagabend, den 13. Februar, fand im Bonner Theater im Ballsaal eine Begegnung der besonderen Art statt: Anstelle einer Theateraufführung durfte das Publikum die Einzelschicksale von vier syrischen Flüchtlingen kennenlernen, ihre persönlichen Geschichten über die Flucht nach Deutschland erfahren und einen Eindruck von ihren aktuellen Lebensumständen in Bonn bekommen.

Realität statt Bühnenillusion

Die Idee für ein Projekt des Fringe Ensembles mit Flüchtlingen ist im Herbst vergangenen Jahres entstanden und wird von dem Katholischen Bildungswerk Bonn unterstützt. In zahlreichen Facetten wird dem Publikum ein Einblick in den intensiven Austausch zwischen der Schauspielerin Bettina Marugg und der Studentin Sonnhild Schietzel mit den syrischen Flüchtlingen Bashar, Abdullah, Moaz und Nermeen geboten: Die beidseitige Beschäftigung mit kulturellen und religiösen Differenzen, das Meistern von Sprachbarrieren, die Besinnung auf gemeinsame Werte sowie das Zusammenwachsen durch diverse Ausflüge und kulinarische Projekte.
Marugg’s vorgetragenes Protokoll von diesen eindrucksvollen Begegnungen bildet hierbei den roten Faden und gibt den fragmentarischen Erzählsituationen, den Raucherpausen auf der Bühne und den Leinwandprojektionen gleichsam einen Rahmen.

„Warum tragen die christlichen Mädchen hier keine Kopftücher, wenn doch Maria immer mit einem Kopftuch dargestellt wird?“

Dass auf beiden Seiten ein Redebedarf besteht, wird besonders deutlich, als Marugg, Schietzel und die jungen Syrer anfangen, sich abwechselnd Fragen zu stellen, die von der Rolle der Frau, der Bedeutung des Schleiers, den Glaubensritualen, bis hin zu der Bedeutung der Heiligen Schrift reichen. So sieht man sich als Zuschauer an dieser Stelle nicht nur mit der eigenen Unwissenheit über den Islam, sondern auch mit Wissenslücken über die eigene Religion und Kultur konfrontiert.

Flucht, Dankbarkeit, Hoffnung

Bild: Claudia Grönemeyer
Bild: Claudia Grönemeyer

Nicht nur die Menschen auf der Bühne, sondern auch Fotos an den Wänden des Theatersaals erzählen eine Geschichte, indem sie Bashar’s Flucht nach Deutschland dokumentieren und einen guten Einblick in seine Lebenswirklichkeit geben: Die verschiedenen Reisestationen, die zahlreichen Dokumente für die deutschen Behörden, Vokabelzettel, aber auch Fotos von Unternehmungen mit neuen Freunden, Ausflügen und Selfies – ein (fast) ganz normales Leben eines jungen Mannes, wenn man den Grund für seinen Aufenthalt in Deutschland für einen Augenblick außer Acht lässt.
Bashar und Abdullah erzählen von ihrer Flucht aus Syrien und ihrer Reise nach Europa, die beide nur mit viel Glück überlebt haben. Moaz beschreibt seinen Alltag in Bonn und das Lernen der deutschen Sprache, während Nermeen davon berichtet, wie das Leben der Syrer seit Beginn des Krieges stets vom Tod begleitet wird. Sie alle beklagen den großen Verlust ihrer Heimat, betonen den Willen hier ein neues Leben aufzubauen und bedanken sich für die Hilfe, die ihnen von vielen Deutschen zuteil wird.

Fortsetzung folgt

Das Projekt „UN-FLÜCHTIG # 1“ zeigt, wie wichtig es ist, in einen lebendigen Dialog mit anderen Kulturkreisen zu treten, das Eigene zu hinterfragen und offen für Neues zu sein, um die Grundlage für ein glückliches Zusammenleben zu erschaffen. Der Dialog des Fringe Ensemble mit syrischen Flüchtlingen soll in zwei weiteren Projekten im Frühjahr und Sommer fortgesetzt werden.
Mehr Informationen über das Fringe Ensemble bekommt ihr hier.