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Warum Marie Kondo nicht will, dass du all deine Sachen wegschmeißt

Lesezeit: 3 Minuten

Die bonnFM Kolumne

Aufräumen ist lästig – es soll am besten möglichst schnell vorbei sein. Ob Marie Kondo dabei unser aller Erlösung ist? 

Die kleine Japanerin ist mit ihrer KonMarie-Methode weltberühmt geworden. Ihre Bücher „The Life Changing Magic of Tidying Up“ und „Spark Joy”, die in Deutschland als die „Magic Cleaning“-Reihe herausgegeben wurden, sind weltweite Bestseller. Teilweise stehen sie seit Jahren auf den obersten Verkaufsplätzen aller Selbsthilfelisten der einschlägigen Onlineshops und das wird bei der am 19. Februar bei uns veröffentlichten Manga-Version auch nicht anders sein. Die größte Ehre unserer neumodischen Gesellschaft ist ihr offiziell aber erst letztes Jahr mit einer eigenen Netflix-Dokureihe zuteil geworden. Aber genug mit den tollen Zahlen.

Was ist die KonMarie-Methode?

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Die KonMarie-Methode wurde von ihr selbst entwickelt. Beim Aufräumen geht man einzelne Kategorien der Reihe nach durch:

1. Kleidung
2. Bücher (und DVDs)
3. Unterlagen
4. Komono (Kleinkram, aber z.B. auch Küchenutensilien, Putzmittel oder alles, was im Keller rumsteht)
5. Erinnerungen (Fotos, Tagebücher oder Kindheitserinnerungen)

Dabei schmeißt man jeden Gegenstand einer Kategorie auf einen großen Haufen und nimmt sie einzeln in die Hand. Hat man ein gutes Gefühl („Does it spark joy?“) behält man den Gegenstand, wenn nicht, schmeißt man ihn weg oder spendet ihn. Man fängt mit den emotional unbelasteteren Dingen (Kleidung, Bücher) an und arbeitet sich langsam zu allem vor, bei dem die Entscheidung schwerer fällt. Man versucht nach und nach seinen Joy-Radar zu verbessern, denn den Lieblingspulli oder das Lieblingsbuch kennen die meisten. Wie man alles in möglichst kleine Rechtecke falten kann erklärt sie in ihren Büchern aber auch.

Es geht also nicht darum, all seine Sachen einfach wegzuschmeißen, sondern sich selbst bewusst zu machen, was man im Leben wirklich benötigt.

Warum brauch ich jetzt Hilfe beim Aufräumen?

Als ich vor fünf Jahren das erste Mal von Marie Kondo gehört habe, war ich genervt. Aufräumen kann doch nicht so schwer sein? Und man muss es jetzt auch nicht unbedingt noch komplizierter gestalten, als es sowieso schon ist? Nachdem ich mich (eher unfreiwillig) ein bisschen mit dem Ganzen beschäftigt habe, bin aber auch ich zu einem (kleinen) KonMarie-Fanboy konvertiert.

Wenn ich meinen Lieblingspulli anziehe fühl ich mich wesentlich besser, als wenn ich in meiner ranzigsten Jogginghose die Haustür für den Postboten öffne. Von dem positiven Gefühl hab ich gerne mehr in meinem Leben und genau dabei hat mir Marie Kondo geholfen. Gerade am Anfang ist es schon einiges an Arbeit und Zeit, die man investieren muss. Was ich dabei gelernt habe, benutze ich auch sonst im Leben, indem ich mich einfach ständig frage: Macht mich das jetzt wirklich glücklich?

Also sollen jetzt alle anfangen ihre Haufen zu machen?

Bild: Gloria Chang

Marie Kondo ist zwar schon länger beliebt, seit dem Start ihrer Netflix-Serie vor ein paar Monaten sehe ich aber  jeden Tag irgendjemanden etwas zu #mariekondo posten. In den meisten Fällen wirkt das aber auf mich nur wie die übliche Selbstinszenierung. Eine Präsentation dessen, wie toll sie ihr Leben im Griff haben. Es ist ein Problem so alt wie die Menschheit (naja gut – eher so alt wie Instagram): Mein Leben muss perfekt wirken. Ganz schnell ging es auch bei mir nicht mehr darum, was mich wirklich glücklich macht, sondern darum, dass jeder von mir denken sollte, dass ich perfekt organisiert sei.

Wir alle lieben es der Welt zu zeigen, wie meisterhaft wir unser Leben mikro-managen. Die 15-minütige Busfahrt zu Uni soll ich am besten Nutzen, um Chinesisch zu lernen und wenn möglich soll ich bloß nicht „nur“ putzen, sondern gleichzeitig noch einen Podcast über die Anwendungsbereiche der mathematischen Theorie des Möbiusbandes hören. Keine Sekunde soll ungenutzt verstreichen und diese ungesunde Denkweise stoppt auch nicht vor meinem Kleiderschrank. Wunderbar sortierte Sockenschubladen zu haben klingt zwar theoretisch toll, langfristig immer alles in kleine, handliche Rechtecken zu falten, ist mir im Alltag dann doch zu stressig.

KonMarieception

Die KonMarie-Methode selbst kann man aber genauso mit der KonMarie-Methode analysieren, indem man sich genau überlegt, welcher Teil des Ganzen konkret auf das eigene Leben anwendbar ist. Vielleicht muss ich nicht immer alles akurat falten, aber kurz Nachzudenken, wenn ich mir das fünfzigste T-Shirt bei Primark kaufen will, kann auch ich. Ist nicht das auch eine moderne Denkweise? Sich nur das Beste rauszupicken, was man konkret für sich nutzen kann?

Niemand, vorallem nicht die kleine Marie Kondo, will dich zwingen nach ihren Vorgaben zu leben. Ein bisschen bewusster mit der Umwelt und dem eigenen Besitz umzugehen hat nicht nur mir geholfen. Vielleicht kann man ja die zusätzliche Zeit in den Semesterferien (auch gerne die Pausen zwischen dem Schreiben der Hausarbeiten) nutzen, ein bisschen mehr Joy in sein Leben zu bringen. Aufräumen ist schließlich auch eine wunderbare Art zu prokrastinieren!