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Bild: Gage Skidmore /flickr

Ist Better Call Saul better?

Lesezeit: 4 Minuten

Das Netflix-Original Better Call Saul ist das Spin Off und Prequel der ikonischen Serie Breaking Bad. Dort beobachten wir die Figuren, die sich als Fan-Favorites herausgestellt haben, in einer Zeit, bevor Walter White ihr Leben ruinierte. Und doch konnten sich nur wenige Serienjunkies dazu durchringen, alle Staffeln anzugucken. Woran liegt das? Eine Kritik. 

Die Serie ist bei Kritikern beliebt – die Story ist spannend, Szenenbild und Kameraführung sind genauso innovativ und visuell ansprechend, wie man sie von ihrem Vorgänger kennt. Better Call Saul ist sozusagen das Methadon zu der Droge Breaking Bad, von der wir seit 2013 auf Entzug sind.

Ein großer Kritikpunkt vieler Fans ist jedoch, dass die Serie zu langweilig sei. Nicht genug Blut, nicht genug Drogen, stattdessen zu viele Unterlassungsklagen, denn die Serie ist in ihrem Herzen ein Anwaltsdrama. Wenn man über die erste Staffel spricht, ist diese Kritik nachzuvollziehen. In der Tat sieht man dort viele neue Gesichter, die in ihrer juristischen Blase leben und somit auch viel Fachchinesisch von sich geben. Erst ab der zweiten Staffel sehen wir Charaktere wie Gus Fring, jedermanns Lieblingsadaption von Two-Face, wieder. Wer aber lange genug am Ball bleibt und sich auch auf die durchaus interessante Story einlässt, der wird nicht enttäuscht.

Alte Bekannte

Saul Goodman, der mit bürgerlichem Namen James McGill heißt, war schon in seiner Jugend als „Slippin Jimmie“ bekannt, der das Gesetz zu seinem Vorteil genutzt hat, um Schmerzensgeld zu kassieren. Auch in seiner späteren Anwaltskarriere weicht er vor miesen Tricks nicht zurück, um seine Ziele zu erreichen. Und genau diese Komponente lockert auch die juristische Welt etwas auf. Als Zuschauer fiebert man mit und hofft, dass Jimmies meist nicht ganz legale Pläne aufgehen.

Was daran besonders fasziniert ist, dass man als Zuschauer nicht eingeweiht wird. Wenn wir Jimmie auf einer Busfahrt ohne bekanntes Ziel beobachten, wie er tausende von Briefen schreibt und auch die anderen Gäste dafür bezahlt, mit verschiedenen Stiften und Handschriften mitzuwirken, steigt wohl niemand hinter seinen Plan. Erst, wenn das Anwaltsbüro mit Fanbriefen überschwemmt wird, die seinen Angeklagten als lokalen Heiligen darstellen, wird uns bewusst, was Jimmie da wieder ausgeheckt hat. Und es ist einfach wahnsinnig befriedigend zu sehen, wie harte Arbeit und Grips sich auszahlen.

Mike Ehrmantrout, der gefährlichste Opa New Mexicos, ist auch wieder mit dabei und sorgt für die richtige Prise Krimi. In Better Call Saul erfahren wir mehr von seiner Vorgeschichte und erleben ihn auch privat. Die Serie leistet gute Arbeit zu erklären, wie er zu Gus Frings oberstem Sicherheitschef wurde.

Auch Hector Salamanca treffen wir wieder, jedoch außerhalb seines Rollstuhls und mit einem größeren Vokabular. Als rücksichtsloser Drogenboss, im vollen Besitzt seiner Fähigkeiten, ist er nämlich viel eindrucksvoller als mit seiner Klingel. Seine Wutausbrüche und Unberechenbarkeit erinnern an Tuco und erklären auch, wieso er später paralysiert ist: Er hat sich eindeutig die falschen Feinde gemacht. Ihm unterstellt ist nämlich Gustavo Fring, dessen Imperium noch in den blutigen Kinderschuhen steckt. Wir erleben mit, wie sein unterirdisches Methlabor gebaut wird und wie er sich mit eiskaltem Kalkül gegen die Salamacas durchsetzt.

Frischer Wind

Ihm zu Seite steht dabei Hectors Handlanger Nacho. Von allen neuen Charakteren ist er, meiner Meinung nach, die größte Bereicherung. Er ist sowohl ein Gangster, dem man nicht in die Quere kommen sollte, als auch ein gutmütiger Menschenfreund. Bei seiner Aufgabe, seinen hart arbeitenden Vater aus dem Drogengeschäft herauszuhalten, gewinnt er massenweise Sympathiepunkte. Nicht selten bangen wir nach alter Breaking Bad-Manier um sein Wohlergehen, in der stets lebensgefährlichen Welt der Drogenkartelle.

Der Blick weg von den Drogenkriegen, hinein in die Gerichtssäle bringt uns zu Kim Wexler und Chuck McGill. Letzterer ist Jimmies Bruder, der unter einer besonderen Krankheit leidet. Er scheint allergisch gegen Elektrizität zu sein und verbringt sein Leben am Rande der Gesellschaft. Die Beziehung der beiden Brüder ist kompliziert und immer wieder geraten sie aneinander. Da Chuck der besserer Anwalt ist, muss Jimmie auf clevere Tricks zurückgreifen, was ihn immer tiefer in den Sumpf der Kriminalität bringt. Die Aufgabe, ihn dort herauszuziehen hat Kim, mit der er eine Liebesbeziehung führt. Kimberley, Zweitname Burnout, ist eine hart arbeitende Anwältin, die sich aber eingestehen muss, dass Jimmies Maschen ihr den Adrenalinkick geben, den sie in ihrem Alltag braucht. Oft scheint sie die Einzige zu sein, die ein halbwegs normales Leben führt, was ihre Figur allerdings auch besonders macht.

Das Auge sieht mit

Selbst als jemand, der nicht Medienwissenschaft studiert, merkt man, dass diese Show etwas Besonderes ist. Mithilfe von kreativen Kameraeinstellungen und unkonventionellem Editing schafft Regisseur Vince Gilligan hier eine ganz neue Atmosphäre. Mal ist die Kamera im Tankdeckel, mal sehen wir die Figuren von weit weg durch ein Fenster. Jede Szene ist ästhetisch. Man hat nicht das Gefühl, dass hier nur gefilmt wird, um die Schauspieler aufzuzeichnen. Wenn etwas gezeigt wird, dann bedeutet es etwas. Manche mögen sich noch an die Schulzeit erinnern, wenn die Freude über den hereinrollenden Fernseher von der Aufgabe getrübt wurde, die Kameraeinstellungen zu bestimmen. Ein „establishing shot“ soll die Szenerie zeigen, ein „wide shot“ lässt die Figuren kleiner wirken. Doch in Better Call Saul sind diese filmischen Tricks nicht nach dem Schulbuch angewandt, sondern erfüllen oft einen anderen Zweck.

Auch die sogenannte „Montage“, also ein kurzer Zusammenschnitt von Szenen, der meist ohne viel Dialog eine große Zeitspanne zeigt, ist hier oft vertreten. Der Charakter Mike, ist als wortkarger Ex-Cop für diese Art von Storytelling prädestiniert. Seine Aktionen werden selten durch Dialog offenbart, sondern dadurch, was er tut. Der Zuschauer wird nicht an die Hand genommen wie ein Kind, dem man alles erklären muss. Better Call Saul hat Anspruch an seine Zuschauer, was man leider nicht von den meisten filmischen Werken heutzutage behaupten kann.

Langsam? Aber sicher!

Better Call Saul ist anders. Es erfordert viel Mut, eine langsame Serie ohne viel Dialog zu machen, die zugegebenermaßen manchmal echt kompliziert wird. Die 4. Staffel ist vor kurzem herausgekommen und noch ist nicht viel passiert. Wann kommen Walter und Jesse mit ins spiel? Wann fängt Jimmie an Saul zu sein und schreckliche Krawatten zu tragen? All diese Fragen stehen noch im Raum, aber es ist egal. Die Serie funktioniert auch ohne ihren großen Bruder als Gesamtwerk und ist eben nicht „nur“ ein Spin Off. Darum ist es auch so schade, dass sich dieser Mut zur Andersartigkeit offenbar nicht auszahlt. Jedes Jahr spielen verschiedenste Blockbuster Millionen ein, die mit großem Budget aber simpelstem Anspruch produziert werden. Dass momentan auch qualitativ gute Serien großen Erfolg genießen, ist ein Weg in die richtige Richtung. Game of Thrones oder Breaking Bad sind jedem bekannt, der Serien liebt und meist hat man sie wegen einer Empfehlung geschaut. Weil sich die Qualität durchgesetzt hat. Leider stoßen die Empfehlungen für Better Call Saul auf taube Ohren. Sind die Serien beliebt wegen ihrer Qualität, oder doch nur wegen des Hypes?

Von Hype kann man nämlich bei diesem Prequel wirklich nicht sprechen. Es ist aber nichtsdestotrotz eine Serie, die viele Zuschauer positiv überraschen wird und den Breaking Bad Fans mit Sicherheit gefällt.