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Bild: Kristian Wiegand

Interview mit dem deutschen ESA-Astronauten Matthias Maurer

Lesezeit: 4 Minuten

Heute startet die Weltraummission „Horizons“. Das Team der Europäischen Weltraumorganisation ESA, unter ihnen der deutsche Astronaut Alexander Gerst, ist zur Internationalen Raumstation ISS aufgebrochen. bonnFM hatte die Möglichkeit, mit Matthias Maurer, einem Astronauten des ESA-Astronautenkorps, ein Interview zu führen. Dieser gab uns einige Einblicke in den Beruf des Astronauten.

bonnFM: Ist es ein Traumjob, Astronaut zu sein? Wie ist der Bewerbungsprozess bei der ESA bei Ihnen persönlich abgelaufen?

Matthias Maurer: Also, ob das mein Kindheitstraum war, kann ich sagen: Nein. Als Kind habe ich mitverfolgt, wie der Ulf Merbold (1983 der zweite Deutsche im Weltall. Anm.d.Red.) in den Weltraum geflogen ist und für mich war das damals aber unvorstellbar, viel zu weit weg, um einmal selbst Astronaut zu werden. Von daher ist das für mich erst ein Erwachsenentraum, Astronaut zu werden.
Als die Auswahl 2008/2009 war, standen am Ende zehn Bewerber fest, die alle, alle Tests erfolgreich bestanden haben; da war ich auch dabei. Allerdings gab’s damals nur sechs Plätze, um in den Weltraum zu fliegen. Und ich bin dann erstmal auf die Warteliste gerutscht. Und 2014 kam dann der Chef der ESA auf mich zu und hat mich gefragt: “Hast du noch Interesse, willst du noch Astronaut werden?” Das war natürlich eine riesen Überraschung, aber für mich war’s klar: Astronaut zu werden, ist mein Traumberuf. Ganz, ganz sicher. Das möchte ich auch nicht mehr ändern. Und ich kann es auch nur jedem empfehlen, der diesen Traum hat: Versucht’s mal!

bonnFM: Was für Qualitäten muss man mitbringen, um Astronaut zu werden?

Matthias Maurer: Gut, die Voraussetzung ist, dass man eine gute Ausbildung hat. Also, entweder man ist Testpilot, bei der Bundeswehr zum Beispiel, oder man ist Ingenieur, Naturwissenschaftler oder Mediziner. Das ist die Voraussetzung. Dann muss man natürlich ein bisschen Glück haben, dass die ESA (European Space Agency) gerade Astronauten sucht. Das ist im Schnitt alle fünfzehn Jahre der Fall. Aber die nächste Auswahl kommt irgendwann um das Jahr 2020.

bonnFM: Was sind die Kehrseiten des Astronautentums?

Matthias Maurer: Gut, die Kehrseite des Astronautentums ist, dass es nur sehr wenige Flüge gibt in den Weltraum. Das heißt wir üben und trainieren Jahre lang, bereiten uns auf den Flug vor; und das Warten ist eigentlich so das Lästige.

bonnFM: Wie funktioniert die Kommunikation zu den Kollegen und der Familie auf der Erde?

Matthias Maurer: Ganz einfach, wir haben Verbindung über Telekommunikationssatelliten und ich kann von oben auf jedes Handy der Welt anrufen, ohne Probleme. Also ich kann jeden anrufen, den ich anrufen möchte, und andersherum von der Erde aus – kann man mich nicht anrufen. Das wird von der NASA dann gefiltert.

bonnFM: Wie verbringen die Astronauten die letzten Tage vor dem Start?

Matthias Maurer: Die Astronauten sind vor dem Start ca. zwei bis drei Wochen in Quarantäne. Das dient dazu, dass man sicher ist vor Krankheiten. Wir möchten natürlich nicht mit irgendwelchen Krankheiten in den Weltraum starten und dort eine kranke Crew an Bord haben. Das ist besonders wichtig bei den Astronauten, die kleine Kinder haben.
Die Astronauten sind in diesen zwei bis drei Wochen zusammen, hier in unserem Fall in Baikonur, und haben dann täglich Gesundheitschecks und machen Sportübungen, um fit zu bleiben. Sie schauen sich auch die Prozeduren an, wie der Start durchgeführt wird. Und es gibt Öffentlichkeitstermine hinter einer Glasscheibe. Man verabschiedet sich von der Familie, man verabschiedet sich von seinem Personal, also in unserem Fall von dem ESA-Unterstützungspersonal, und dann, ja dann geht es los. Dann fliegt man in den Weltraum.

bonnFM: Müssen Astronauten kurz vor dem Start Dinge wie Ernährung, Schlaf, Sport etc. besonders beachten, um ihren Körper auf den Weltraum vorzubereiten?

Matthias Maurer: In Russland ist es so, dass man vor dem Start gewisse Übungen macht, um sich an die Schwerelosigkeit zu gewöhnen. Eine dieser Trainingsaufgaben oder –übungen, die man macht, ist auf einem Drehstuhl zu sitzen und dann zehn Minuten lang auf diesem Drehstuhl zu drehen, und dabei den Kopf hin und her zu bewegen. Das verursacht normalerweise Übelkeit. Aber man kann sich durch dieses Training an die Schwerelosigkeit gewöhnen und passt sich dann im Weltraum viel, viel schneller an die neuen Bedingungen an. Ein zweiter Punkt, den man noch macht, ist, man schläft in einem Bett, unter das man Backsteine legt, sodass man den Kopf in eine tiefere Position legt als die Füße. Dadurch fließt dann mehr Flüssigkeit in den Kopf. Das ist schon so eine Art Vorinformation für den Körper, um sich auf diesen Fluidshift, der im Weltraum durch die Schwerelosigkeit entsteht, vorzubereiten.

bonnFM: Wie verbringt man seine Freizeit auf der ISS (International Space Station)? Oder hat man überhaupt Freizeit als Astronaut?

Matthias Maurer: Als Astronaut der ISS hat man einen Acht- bis Zehnstundentag. Dort werden dann Experimente durchgeführt, die Station wird gewartet und repariert. Danach hat man Freizeit und später auch acht Stunden Schlaf. In der Freizeit allerdings muss man auch sehr viele Zusatzaufgaben erledigen, wie zum Beispiel soziale Medien bedienen; Videos machen; Fotos machen, die wieder zur Erde geschickt werden; kleine Videoclips vorbereiten; Grußbotschaften, die dann auch von Politikern angefordert werden oder für Konferenzen. Die Freizeit ist dadurch sehr, sehr kurz, aber man hat natürlich Freizeit. Und die genießen die Astronauten am liebsten in der „Cupola“. Das ist unser Bereich, unser Fenster zur Erde. Dort sind die Astronauten, schauen runter und beobachten die Erde. Und das ist der Lieblingsort.

bonnFM: Es ist ja bald auch Fußball-WM, kriegt man da dann überhaupt was von mit, wenn man auf der ISS ist?

Matthias Maurer: Astronauten sind natürlich über die Telekommunikationssatelliten angebunden an alles, was auf der Erde abgeht. Bei der Fußball-WM wird es so sein, dass gewisse Spiele live übertragen werden auf der ISS und dann wird Alex (Alexander Gerst) auch für die deutsche Nationalmannschaft mitfiebern.

bonnFM: Spielt internationale Politik im All eine Rolle oder ist das ein Tabuthema?

Matthias Maurer: Eigentlich konzentrieren wir uns auf unsere Arbeit, das heißt auf die Forschung und Wissenschaft, die wir im Weltraum betreiben. Und wir versuchen die politischen Streitthemen etwas auszuklammern. Natürlich sind wir auch miteinander befreundet und mit den Freunden kann man auch über ernste Themen sprechen. Das Thema Politik wird dann auch angesprochen, aber nicht mit jedem und nicht zu jeder Tageszeit.