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Bild: bonnFM / Leonie Rümenapp

west off 2018: Dramaturgin Svenja Pauka über ihre Arbeit beim Theaternetzwerk

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Vom 24. Oktober bis zum 24. November 2018 präsentiert das Theaternetzwerk west off in drei Städten entlang des Rheins, unter ihnen auch Bonn, vier Stücke von jungen Theaterensembles. bonnFM hat vorab mit Svenja Pauka gesprochen, Dramaturgin bei west off und Geschäftsführerin des Bonner theaterimballsaal.

bonnFM: Svenja, was bedeutet es konkret, als Dramaturgin bei west off beschäftigt zu sein?

Svenja Pauka: Das fängt schon ganz früh an. Man muss eine Auswahl treffen, das läuft bei uns über ein Bewerbungsverfahren, und dann werden die Gruppen ausgewählt, die bei west off mitmachen. Das sind in diesem Jahr vier. Die produzieren für west off extra ein neues Stück. Als Dramaturgin begleite ich auch ein bisschen die Proben. Mal mehr, mal weniger, das kommt drauf an, wie die Gruppen das gerne haben. Dann muss man das ganze Festival auch noch durchplanen, bzw. ich mache das nur für Bonn, für das theaterimballsaal. Das Gleiche findet auch in Köln und in Düsseldorf statt. Ich hoffe, dass die vier Tage gut über die Runden gehen.

bonnFM: Wie würdest Du denn Ahnungslosen, die von west off noch nichts gehört haben, das ganze Konzept erklären?

Svenja Pauka: Das ist inzwischen die neunte Ausgabe von west off. Das Theaternetzwerk ist mal entstanden, weil sich die drei Kulturämter der Städte Düsseldorf, Köln und Bonn, gemeinsam mit den drei Theatern Forum Freies Theater Düsseldorf, studiobühneköln und uns, dem theaterimballsaal, gesagt haben: „Wir müssen mal etwas entlang der Rheinschiene machen.“ Am Anfang war das eigentlich ein Austausch von bereits bestehenden Produktionen. Irgendwann haben wir uns gedacht: „Ne, das reicht uns nicht, wir wollen irgendwie mehr machen, wir wollen was für den Nachwuchs tun“ und haben eine Ausschreibung gemacht, auf die man sich bewerben kann. Jetzt ist es eigentlich nur noch ein Nachwuchs-Festival mit jungen Ensembles, jungen Leuten, manchmal sind es auch nur einzelne Leute, die ein Stück produzieren und in den drei Städten hintereinander zeigen. Wir, das theaterimballsaal, machen die Eröffnung, dann kommt Köln dran und dann noch Düsseldorf. Somit haben die jungen Ensembles gleich die Chance, ihr Stück drei Mal aufzuführen. Das ist natürlich in der heutigen Zeit von Theaterfinanzierung – man muss Förderungen ranholen, Aufführungsorte zu finden ist schwierig – eine tolle Chance, das Stück gleich drei Mal hintereinander zu zeigen.

„Wir haben nicht nur Leute, die Theater studiert haben.“

bonnFM: Das kling nach ganz vielen Inszenierungen, vielen Darstellern, viel Generellem, das es gilt zu organisieren. Worin liegen die besonderen Herausforderungen, solch ein Projekt zu gestalten und zu organisieren?

Svenja Pauka: Na ja, erstmal ist natürlich das Timing ganz schön schwierig. Wir fangen im Dezember/Januar schon wieder an mit der neuen Auswahl für nächstes Jahr. Man bewirbt sich mit etwas Geschriebenem. Im Anschluss gibt es so eine Art Pitching. Die Studenten hier aus Bonn können sich auch gerne bewerben. Wir haben nicht nur Leute, die Theater studiert haben, sondern auch Leute, die Germanistik, Anglistik oder Medienwissenschaften oder ähnliches studiert haben. Und dann laden wir sie zu diesem Pitching ein. Das ist ein Tag im März oder April, an dem jede Gruppe 15 Minuten Zeit hat, sich zu präsentieren. Wir wählen von den 20 Bewerbern, die wir einladen, drei oder vier Gruppen aus.

bonnFM: Nach welchen Kriterien werden denn die Stücke ausgewählt?

Svenja Pauka: Ehrlich? Meistens wirklich nach einem persönlichen Empfinden, persönlichem Gefallen. Wir sind zu dritt bei dem Pitch und, wenn alle durch sind, sprechen wir miteinander darüber, was wir denken, was uns gefallen hat und wo wir Potenzial sehen. Welche Gruppe ist nichts für eine einmalige Produktion und verschwindet nach der Aufführung nicht in einer Versenkung, sondern was hat wirklich Potenzial, auch danach noch weiterzumachen? Der Großteil derjenigen Leute, die sich bewirbt, ist natürlich schon theatral unterwegs. Es gibt ja verschiedene Studiengänge in NRW, z. B. Szenische Forschung in Bochum oder an der Hochschule für zeitgenössischen Tanz in Köln, der Alanus Hochschule, oder der Folkwang-Universität Essen, wo Regie oder Schauspiel studiert werden kann. Deswegen kommen im Allgemeinen Leute, die schon Lust haben, weiterzumachen, das als starting point sehen oder vielleicht schon vorher eine Sache gemacht haben und jetzt nochmal einen Kick brauchen, um weitermachen zu können. Ganz viel ist natürlich auch ein bisschen von unserem Geschmack beeinflusst, muss ich ehrlich zugeben. Wir versuchen immer, eine gewisse Bandbreite zu haben. Es gibt verschiedene Strömungen in der neuen Theaterszene, die jetzt gerade so up to date sind, und das versuchen wir natürlich auch zu berücksichtigen.

west off im theaterimballsaal: Vier Stücke an vier Tagen

bonnFM: Dann sprechen wir die vier Stücke, die nächste Woche hier laufen, mal grob durch, angefangen bei dem, was nächste Woche Mittwoche (24.10.) läuft: „Moments of Being“.

Svenja Pauka: Darüber freue ich mich natürlich ganz besonders, weil das unser Stück ist, was wir als theaterimballsaal betreut haben. Das Ensemble probt jetzt schon seit Anfang September bei uns. Silvana Mammone hat sich beschäftigt mit Virginia Woolf und mit dem Thema Realität. Was ist Realität? Ich finde heutzutage, in Zeiten von Fake News, Trump und so etwas, ist das ein ganz interessantes Thema. Es wird nicht die klassische Zuschauersituation geben, bei der man auf der Tribüne sitzt und das Stück anschaut, sondern es wird interaktiv, man darf das Stück begehen, wirklich durch den Raum gehen und an einzelnen Stationen Halt machen. Das wird glaube ich sehr spannend.

bonnFM: Das klingt sehr interessant! Am Donnerstag (25.10.) ist dann das Stück „Mansplaining“ dran. Worum gehts da?

Svenja Pauka: „Mansplaining“ ist von Marcel Nascimento, der Szenische Forschung in Bochum studiert. Das ist ein relativ neuer Studiengang, der sich damit befasst, wie im Theater Performance Kunst gemacht werden kann, das heißt ohne Schauspieler wirklich aktuelle Themen ins Theater bringen. Marcel hat sich für das Thema Männer entschieden. Wann ist der Mann ein Mann? – frei nach Herbert Grönemeyer. Was macht den Mann aus? Er macht eine Lecture Performance. Das ist eine Mischung aus Vortrag an der Uni und auch theatralen Aspekten – wird auch spannend, glaube ich.

bonnFM: Worum geht es bei „Milk an Ashes“? Das läuft nächste Woche Freitag (26.10.).

Svenja Pauka: „Milk and Ashes“ nimmt eine ganz neue Strömung auf. Seit drei oder vier Jahren bekommen wir relativ viele Bewerbungen von jungen Leuten, die sich mit Neuem Zirkus beschäftigen. Cirque du Solei oder Cirque Éloize kennt man in diesem Bereich. Das sind Zirkusformen, die ein bisschen anders sind, sie versuchen in ihren Darbietungen eine Geschichte zu erzählen. Das haben sich junge Leute herausgenommen und versuchen das theatral umzusetzen, meist in Kombination mit Tanz oder physical theatre. Die beiden Performer Annalaura Beckmann und Jonas Schiffauer in „Milk and Ashes“ sprechen über Liebe.

bonnFM: Das beschäftigt schließlich Jeden auf die eine oder andere Art. Das letzte Stück ist „don’t come on!“ –Worum geht’s da?

Svenja Pauka: Ich glaube, da wird der Punk abgehen – im wahrsten Sinne des Wortes, weil Katharina Roll aus Düsseldorf, die das auch zur Premiere bringt am Samstag, ein großer Punk-Fan ist. Sie ist Tänzerin und versucht an diesem Abend, Punk und zeitgenössischen Tanz zusammenzubringen. Man denkt, das kann nicht gehen, aber ich bin mir sicher, das wird ganz großartig.

„Man braucht schon, um in der freien Kulturszene durchzuhalten, ganz schön viel Energie, Power, muss einfach hartnäckig bleiben.“

bonnFM: Die vier verschiedenen Stücke sind von Mittwoch bis Samstag (24. – 27.10) in Bonn, die Woche darauf in Köln und die Woche darauf in Düsseldorf. Was passiert mit diesen Stücken, wenn sie überall super ankommen, alle sind begeistert, aber west off ist vorbei: Wie geht’s dann mit diesen Stücken weiter?

Svenja Pauka: Die Hoffnung ist natürlich, dass die einzelnen Gruppen so erfolgreich sind, sodass Theater sagen „Ah, das spielen wir auch bei uns.“ Das wäre das Ideal und ist so auch schon passiert. Ein Stück von uns, das letztes Jahr für west off produziert wurde, läuft demnächst in Leipzig. Irgendwie geht’s dann hoffentlich weiter, manchmal ist es aber auch so, dass eine Gruppe dann nicht sich weiter motivieren kann und wieder in einer Versenkung verschwindet. Das ist eher selten und auch sehr schade, aber damit ist zu rechnen.

bonnFM: Eine Art kleines Talent Scouting also?

Svenja Pauka: Das würde ich nicht so sagen, weil die natürlich alles Talent haben. Sonst hätten wir sie nicht ausgewählt. Man braucht schon, um in der freien Kulturszene durchzuhalten, ganz schön viel Energie, Power, muss einfach hartnäckig bleiben. Wenn das nicht gegeben ist, dann kommt man auch nicht weiter. Das ist das Problem.

bonnFM: Warum sollten denn eigentlich ausgerechnet wir Studierende zu den Stücken kommen?

Svenja Pauka: Die Stücke liegen am Puls der Zeit. Das ist genau das, was momentan in den freien Theatern in Deutschland gezeigt wird, ebenso in den großen. Das spiegelt genau das wieder. Wenn man mal einen anderen Eindruck als das klassische Theater haben will, dann ist es genau das Richtige. Außerdem sind diejenigen, die das produzieren, alle genauso jung wie auch Studierenden und haben vielleicht vom Thema her genau das, was Studenten interessiert.

bonnFM: Vielen Dank Svenja Pauka für das Interview. Wir wünschen viel Erfolg bei den Aufführungen nächste Woche in Bonn.

Die vier Stücke im theaterimballsaal auf einen Blick:
Mittwoch, 24. Oktober, 20 Uhr, kaleidoskop: „ Moments of Being“
Donnerstag, 25. Oktober, 20 Uhr, Marcel Nascimento: „Mansplaining“
Freitag, 26. Oktober, 20 Uhr, Hippana Theatre: „Milk and Ashes“
Samstag, 27. Oktober, 20 Uhr, Katharina Roll: „don’t come on!“