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Bild: Thomas Frerix/bonnFM

„Wir wollen nicht zu Stereotypen verkommen“ – Opeth im bonnFM-Interview

Lesezeit: 6 Minuten

Die schwedische Band Opeth steht seit mehr als 25 Jahren für Metal der unkonventionellen Art. Nun ist die Band mit ihrem elften Album Sorceress auf Tour. bonnFM hat Opeth Gitarrist Fredrik Åkesson getroffen und mit ihm über die Besonderheiten des neuen Albums, unversöhnliche Fans und seine Zeit bei Opeth gesprochen.

Vor einem Jahr sind Opeth zur Feier ihres 25-jährigen Jubiläums auch durch Deutschland gereist. In diesem Rahmen hat es sich die Band natürlich nicht nehmen lassen eine große Auswahl ihrer gesamten Schaffensphase live zu präsentieren. Wer so ein Konzert der Schweden erlebt, merkt, dass sich die Songauswahl der Band über die Jahre sehr gewandelt hat. Wo früher progressiver Death Metal, also harter Metal vermischt mit ruhigen Passagen, im Vordergrund stand, ist heute mitunter sehr experimenteller Rock im Fokus, der oft an frühe Alben von Bands wie Yes oder Genesis erinnert. Daran schließt auch das neue Album der Band, Sorceress, an, auf dem sich die Band mit immenser Spielfreude und technisch sehr ausgereift zeigt, das aber auch weiterhin jede Spur von Death Metal vermissen lässt. Unter den Fans der Band ist diese neue musikalische Ausrichtung auch nach mehreren Alben immer noch umstritten und vor allem Songwriter Mikael Åkerfeldt wird für seinen Kurs kritisiert. Dennoch behaupten Opeth weiterhin ihren Ausnahmestatus in der Szene. Wie ihnen das gelingt hat uns Gitarrist Fredrik Åkesson bei Opeth letztem Konzert im Kölner E-Werk verraten.

Ganz rechts im Bild: Gitarrist Fredrik Åkesson. Bild: © Nuclear Blast
Ganz rechts im Bild: Gitarrist Fredrik Åkesson.
Bild: © Nuclear Blast

Interview mit Fredrik Åkesson

bonnFM: Hallo Fredrik, danke für deine Zeit, wie ist die Tour bisher?

 

Fredrik: Nun insgesamt ist sie recht lang, wenn man bedenkt, dass wir vorher durch die USA, Kanada und Mexiko getourt sind. Nach einer kurzen Pause geht’s jetzt direkt in Europa weiter. Insgesamt ist es aber eine wirklich gute Tour. Wir bekommen tolle Rückmeldungen und das Publikum verfolgt auch aufmerksam die neuen Songs. Wir spielen Sorceress und The Wilde Flowers auf dieser Tour und die Leute scheinen das neue Album schon gehört zu haben und zu schätzen. Das ist immer ein schöner Eindruck.

bonnFM: Das neue Album ist wieder sehr anders als seine Vorgänger, was ist denn für dich wirklich besonders an Sorceress?

Fredrik: Bevor wir mit den Aufnahmen begonnen haben, haben wir darüber gesprochen, dass wir wieder etwas härter klingen wollen, als bei den vorhergegangenen Alben. Das Album sollte beinahe ein Doom-Metal Album werden, aber das ist ja nicht wirklich geworden… Ich finde es direkter als die Vorgänger mit tollen Melodien und außerdem sind die Gitarren dominanter – sie hätten aber für meinen Geschmack auch noch dominanter sein können. Einige Songs sind etwas ganz neues und anderes – beispielsweise der Song Sorceress: Neben psychedelischen Momenten, ist der Hauptteil fast schon Muscle Rock-Headbanger-Heavy Metal Kram. Das gefällt mir gut, denn sowas haben wir vorher noch nie gemacht. Dennoch gibt es auch dort Teile, die eher progressiv sind. Insgesamt sind wir sehr glücklich mit dem Album und das ist für die Band die Hauptsache.

bonnFM: Ihr wolltet ursprünglich ein Doom Metal Album machen und seid doch wieder bei progressiven Elementen gelandet? Wie hat sich der Plan denn so verändert?

Fredrik: Progressiv sind unsere Songs ja so oder so. Mikael schreibt den Großteil der Songs und die entstehen eher automatisch. Es passiert einfach und nicht nach einem Plan. Es hängt vielleicht noch davon ab in welcher Stimmung Mikael ist. Auf dem neuen Album haben wir aber auch zusammen an dem Song Strange Brew gearbeitet. Der ist vermutlich der progressivste auf dem ganzen Album, mit vielen unterschiedlichen Teilen. Der Song ist ziemlich cool geworden und beinhaltet sogar Blues Elemente, ähnlich wie etwa bei den frühen Fleetwood Mac Sachen. Ich finde es immer toll, etwas neues auszuprobieren ohne es dabei zu übertreiben, denn für mich ist auch das immer noch Opeth.

bonnFM: Das Hauptriff von Sorceress erinnert wirklich an „Muscle Rock“. Hast du eine Vorstellung, wie Mikael darauf gekommen ist?

Fredrik: Ich erinnere mich daran, wie Mikael mir den Sorceress erstmals als Demo vorgespielt hat. Ich habe eine Gänsehaut bekommen, denn ich fand den Song sofort richtig beeindruckend: Die Melodien und der Gesang waren wirklich gelungen. Mikael hat etwas rauer gesungen, es hat einfach alles gepasst. Die Demo Aufnahme habe ich aber erst gehört, als der Song praktisch fertig war. Ich habe den dann selber einfach nur auf der Gitarre lernen müssen.

bonnFM: Du bist jetzt fast zehn Jahre Teil von Opeth. Welche Momente sind in Erinnerung geblieben und was hat sich in der Band verändert?

Fredrik: Das erste Album bei dem ich dabei war, war Watershed. Das hatte damals noch Death Metal Inhalte. Dann hat sich die Band in dieser Zeitspanne musikalisch sehr verändert. Und ich glaube das hatte nicht viel mit mir zu tun. Die Band hatte bereits neun Alben dieser Art gemacht. Ich denke, Mikael hat es perfektioniert und wollte etwas Neues ausprobieren… und jetzt sind wir hier. Wir haben viele, viele Touren gespielt, was eine tolle Erfahrung für die Band war. Wenn ich an die Heritage-Tour denke, wo wir ein akustisches Set und ein normales Set gespielt haben: Das war eine große Herausforderung und ich denke, dass wir uns damals musikalisch wirklich weiterentwickelt haben. In diesen zehn Jahren haben wir uns also als Band immer weiter verbessert.

bonnFM: Welche Events sind dir in dieser Zeit besonders in Erinnerung geblieben?

Fredrik: Viele tolle Konzerte: Royal Albert Hall natürlich und vor kurzem die Radio City Music Hall in New York war für uns als Band ein großes Ereignis. Aber wir haben auch einmal in Chennai in Indien gespielt, Outdoor in einer Arena im Dschungel mit 10000 Leuten, das war verrückt. Im Sommer waren wir das erste Mal in Island, das war wirklich eindrucksvoll als einem 3000 Vikinger entgegengebrüllt haben. Also insgesamt viele Konzerte, die in Erinnerung bleiben. Auch in Deutschland, beispielsweise als wir letztes Jahr zum 25 Jährigen Jubiläum Ghost Reveries in einigen Städten komplett gespielt haben.

bonnFM: Gab es denn jemals eine Kontroverse innerhalb der Band über die Abwendung vom Death Metal?

Fredrik: Ich persönlich habe etwas gebraucht, um mich mit der Idee anzufreunden. Ich hatte die Demoaufnahmen gehört, die Mikael nach Watershed gemacht hat und die in einem ähnlichen Stil waren. Dann hat Martin Mendez sie gehört und er und Mikael hatten offenbar den Anspruch etwas Neues zu machen und daher hat Mikael alle diese Songs gelöscht. Natürlich haben wir einige Riffs noch verwendet, aber dann abgewandelt oder von einem anderen Instrument gespielt. Ich war deswegen echt etwas perplex und habe auch hinterfragt: sind wir uns sicher damit? Aber als ich dann die neuen Songs gehört habe, haben sie sich richtig und gut angehört. Es hätte sich wohl sehr gewollt angehört, wenn wir weiterhin beim Death Metal geblieben wären. Heute bin ich sehr stolz auf Heritage. Ich denke, das Album ist wirklich gut. Ich verstehe aber auch die Kontroverse und manche Fans erwarten einfach bestimmte Musik…

bonnFM: Kümmert es euch denn, dass einige Fans immer noch unzufrieden mit dem stilistischen Wandel sind?

Fredrik: Natürlich, deswegen versuchen wir bei unseren Konzerten einen Song von jedem Album zu spielen. Das ist natürlich schwierig, wir haben nun zwölf Alben und einige der Songs sind so lang, dass man sie kaum live spielen kann. Die Setlist, die wir nun spielen beinhaltet viele harte Songs, vermutlich 70% progressive Death Metal und das sind wir eben auch noch zum großen Teil. Ich denke, dass die neuen Songs sehr gut kommen, wenn sie in einer Setlist neben den alten stehen, das ergibt eine tolle Dynamik. Ich verstehe aber auch den Ärger mancher Fans. Allerdings ist es uns auch sehr wichtig, dass wir uns nicht immer wiederholen. Vor allem für Mikael ist das sehr wichtig. Er ist praktisch der Pilot der Band und will nicht immer das gleiche machen und versucht daher immer an neuen und anderen Ideen. Manchmal gehen wir dabei etwas weit und ich verstehe die Fans, die mehr Metal von uns hören wollen. Allerdings sehe ich uns immer noch als Metalband…wir wollen aber nicht zu Stereotypen verkommen.

bonnFM: Ihr spielt in letzter Zeit viele besondere und exklusive Shows – was ist der Grund dafür?

Fredrik: Ein Grund ist natürlich, dass wir so größere Konzerte in größeren Hallen spielen können. Man verkauft einfach mehr Karten und vor allem für die hardcore Fans sind solche Shows immer interessant. Es ist außerdem eine tolle Herausforderung für uns als Band, so lange Shows zu spielen. Ich genieße diese Konzerte wirklich, auch bei langen Shows scheint die Zeit zu verfliegen – ein Eindruck, den hoffentlich auch das Publikum hat. Für mich ist es keine große zusätzliche Anstrengung. Wenn man allerdings ein drei Stunden Set singen muss, ist das schon etwas ganz anderes.

Dasb Album Sorceress ist am 30. September über Nuclear Blast erschienen. Bild: © Nuclear Blast
Dasb Album Sorceress ist am 30. September über Nuclear Blast erschienen.
Bild: © Nuclear Blast

bonnFM: Gibt es schon ein Konzept oder einen Plan für die Zukunft der Band?

Fredrik: Aktuell sind wir mitten im Tourzyklus für Sorceress und das wird uns auch noch einige Zeit einspannen. Nach Europa stehen noch Australien, Südamerika und Nordamerika an, dann die Festivals im Sommer. Wir haben also noch nicht über die Richtung gesprochen, in die wir uns in nächster Zeit musikalisch bewegen wollen, es ist noch alles offen.

bonnFM: Nach nun 26 Jahren Opeth: Habt ihr schon mal ans Aufhören gedacht?

Fredrik: Nein, ich denke wir haben immer noch eine Zukunft. Dieser Meinung sind wohl auch für die anderen in der Band. Wir können noch viel interessante Musik produzieren und tolle Alben aufnehmen. Und meine Idole wie Ronny James Dio haben immer bis zum Umfallen gerockt, das ist zumindest auch meine Philosophie. Ich hoffe also, dass wir noch viele, viele Jahre spielen können.

bonnFM: Das klingt gut, vielen Dank für deine Zeit!

Fredrik: Danke ebenfalls!

Thomas Frerix

Redakteur / Moderator / Techniker