You are currently viewing 753 – Rom schlüpft aus dem Ei
Bild: Nicola Trenz

753 – Rom schlüpft aus dem Ei

  • Beitrags-Autor:
  • Beitrags-Kategorie:Campus
Lesezeit: 3 Minuten

Vom Brückenschlagen und sturen Tieren.
In Zeiten wie diesen voll Unsicherheit, Angst und großen Herausforderungen ist es wichtig, Brücken zu bauen. Dies ist die wohl beste Möglichkeit, Unmögliches möglich zu machen.

Du musst am nächsten Tag eine Klausur schreiben, hast eigentlich keine Ahnung, um was es geht und ein Berg voll Definitionen, Begriffen, Vokabeln oder Jahreszahlen muss so schnell wie möglich in den Kopf wandern? Es scheint unmöglich, aber wir alle wissen, dass man es erstaunlich oft doch noch rechtzeitig schafft, eine letztendlich meist genau ausreichende Menge an Inhalten ins Gedächtnis zu jagen, auch wenn dabei der Kaffeekonsum exponentiell steigt und der Nachtschlaf zu kurz kommt. Ich bin kein Medizinerin, die jetzt genauer erläutern könnte, warum Adrenalin ausgeschüttet wird und welche Synapsen in irgendwelchen Hirnwindungen das zu Lernende miteinander verknüpfen: Trotzdem finde ich das Phänomen der Merkhilfen, die sich häufig als besonders effektiv erweisen, faszinierend: Ich rede von Eselsbrücken.

Woher kommt der Name?

Wieso werden diese Merksprüche eigentlich ‚Eselsbrücken‘ genannt? Esel waren früher beliebte Lasttiere. Genauso wie der Volksmund es auch heute noch sagt, waren sie aber auch störrisch und sehr wasserscheu. Da die Tiere sich also weigerten, jeden noch so kleinen Bach zu durchqueren, musste man ihnen kleine Brücken bauen.
Genauso ist es bei Eselsbrücken im Gehirn. Schwer zu Merkendem helfen wir mit möglichst sicheren Brücken auf die Sprünge. In welchem Kontext auch immer bedeutet es zunächst Aufwand, eine Brücke zu errichten. Dieser Aufwand lohnt sich aber, da die Brücke von Dauer ist.

Was macht eine gute Eselsbrücke aus?

Die einfachste, offensichtliche Antwort auf die Frage nach den Merkmalen einer guten Eselsbrücke liegt im Resultat der jeweiligen Gedankenstütze. Kann man den zu merkenden Inhalt auch noch Jahre später abrufen, war es eine gute Eselsbrücke. Viele Eselsbrücken Einzelner hängen mit individuellen Assoziationen zusammen, die für andere nicht nachvollziehbar und dadurch auch keine Stütze sind. Hier gilt oft die Devise „je abstruser, desto besser“. Andere, im Kollektiv verbreitete Eselsbrücken basieren z.B. oft darauf, dass sich etwas reimt und dadurch mit dem akustischen Gedächtnis verknüpft wird.

„Mein Vater erklärt mir jeden Sonntag unseren Nachthimmel“

Bestimmte Eselsbrücken sind weithin bekannt. Die Reihenfolge der Planeten nach Abstand von der Sonne habe ich in der dritten Klasse dank „Mein Vater erklärt mir jeden Sonntag unsere neun Planeten“ (Merkur-Venus-Erde-Mars-Jupiter-Saturn-Uranus-Neptun-Pluto) verinnerlicht. In der siebten Klasse musste diese Eselsbrücke dann aktualisiert werden, da Pluto inzwischen seinen Planeten-Status verloren hatte. Also hat mir mein Vater von nun an jeden Sonntag nicht mehr unsere neun Planeten, sondern unseren Nachthimmel erklärt. Dass man nämlich nicht mit h schreibt, denn dann wäre man ja dämlich, hat mir schon durch das ein oder andere Diktat geholfen und die GAGA Hühnerhof AG durch Trigonometrie gebracht. Und wann Rom aus dem Ei geschlüpft ist, ist auch hinlänglich bekannt.

Für diesen Artikel suche ich nun nach Eselsbrücken im Internet. Neben einem großen Teil an nicht nachvollziehbaren und keinesfalls den Lernaufwand erleichternden Merkhilfen stoße ich auch auf Einiges, was mein Allgemeinwissen langfristig unglaublich erweitern wird: Die Größe der Milz werde ich mir fortan mit „4711 Kölnisch Wasser“ merken, denn sie ist 4 x 7 x 11 cm groß (man weiß ja nie, wann man als diese Info das nächste Mal braucht!) Zur Unterscheidung der Wölbung einer Linse stößt man auf folgenden, unter gendergesichtspunkten vielleicht etwas kritisch zu sehenden Spruch: “War das Mädchen brav, bleibt der Bauch konkav; hat das Mädchen Sex, wird der Bauch konvex”. Und sollte mich mal jemand fragen, welche die vier im Mount Rushmore verewigten Präsidenten von links aus gesehen sind, kann ich lässig mit „was jeht, Rosalie?“ antworten (Washington, Jefferson, Roosevelt, Lincoln). Achtung, es wird noch flacher: Wie kann man unterscheiden, dass Taiga der boreale Nadelwald ist und es in der Tundra dagegen kaum mehr Bäume gibt? Taiga Woods.
Für das, was ich fürs Studium lernen soll, finde ich aber leider keine vorgefertigten Eselsbrücken im Internet. Also heißt es für mich: selbst kreativ werden!