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Bild: flickr / Erik Lindwall

Lautlos aber klangvoll – Paul Kalkbrenner live

Lesezeit: 4 Minuten

Wenn eine Band mit mehreren Mitgliedern oder ein Singer-Songwriter allein auf der Bühne stehen, ist es mittlerweile wohl kaum etwas besonderes. Einen DJ auf der Bühne zu sehen ist zwar etwas seltener, aber in Zeiten von Tomorrowland und Co. wird dies immer mehr Gang und Gebe. bonnFM war für euch bei Paul Kalkbrenner und sagt euch, warum man ihn nicht in dieselbe Kategorie packen kann.

 

Schlechte Omen – Oder einfach nur Paules Laune?

Ich werde nicht lügen, das Konzert war mir von Anfang an ein wenig suspekt. In der Antwort auf unsere Akkreditierungsanfrage wurde uns direkt gesagt, es gäbe nur eine Karte für den Sender und nicht wie gewohnt ein +1. Außerdem stünde der Künstler nicht für Interviews bereit. Das soll natürlich keine Kritik an die Veranstalter sein, jedoch fand ich das alles ein bisschen komisch. Also machte ich mich halt alleine auf dem Weg zum Konzert. Auf der Fahrt dorthin hörte ich mir die Musik seines neuen Albums „Parts of Life“ an, mit dem er nun auf Tour ist und dachte nach… So sehr ich auch versuchte, mich zu erinnern, ich hatte noch nie ein Interview von Paul Kalkbrenner gesehen. Sein jüngerer Bruder Fritz, ebenfalls DJ und mindestens genauso erfolgreich, sah man hingegen oft vor dem Mikro. Und ich fing an zu überlegen: Vielleicht ist es einfach Paul, der so drauf ist. Der ungern Interviews gibt, weil seine Musik für sich spricht und auch gleichzeitig so viel von seinem Leben offenbart, dass er das Gefühl hat, nicht mehr sagen zu müssen oder zu wollen. Es fällt schwer zu glauben, er sei verschlossen, wenn er doch die Hauptrolle in „Berlin Calling“ spielt, einem Film, der von einem Berliner DJ und seinem Leben innerhalb der Musik- und Drogenszene handelt, und eine Doku über seine letzte Tour machte. Somit ging ich mit vielen Fragen auf das Konzert und was mich dort erwartete, zeigte mir nicht nur eine andere Welt, sondern auch die Wahrheit.

 

Auftakt zu etwas Epischem

Bild: bonnFM / Leonardo Beulen Faura

Das Konzert selbst war mindestens genauso besonders wie Paul Kalkbrenner selbst. Schon als man den Saal betrat, fiel einem Interessantes auf: Zum einen war der Altersdurchschnitt höher als erwartet bei einem DJ. Zum anderen gab es neben den vielen Merch-Shirts auch sehr viele Leute in Fußballtrikots, überwiegend in deutschen. Denn wie der etwas erfahrenere Fan weiß, sammelt Paule Fußballtrikots und tritt nicht selten in solchen auf. Was als nächstes auffiel war die Bühne selbst. Die Leinwand zeigte die Cover-Art des neuen Albums, das allein schon wegen seiner Symbolik einen Artikel für sich allein verdient. Und davor stand es: Das riesige Mischpult mit den unzähligen Knöpfen und Reglern, die es wie ein Flugzeugcockpit aussehen lassen. Darauf mischt Paul die einzelnen Spuren, Töne und was er sonst noch in seine Lieder packt zusammen und diese Technik hat natürlich seine Vor- und Nachteile.

Vorteil: Er hat viel mehr Spielraum innerhalb dessen, was er spielt.

Nachteil: Es ist verdammt anspruchsvoll. Und genau das ist es, was Paul Kalkbrenner ausmacht, doch dazu mehr. Denn noch hatte das Konzert nicht begonnen. Und trotzdem herrschte Stille, denn auf der Leinwand sah man nun eine Slideshow von intimen Bildern von der Produktion des Albums, von der Tournee und aus dem Privatleben. Die Bilder waren alle schwarz/weiß und die Tatsache, dass die Slideshow mit mächtigen elektronischen Klängen untermalt wurde, ließ alles wie eine Beerdigung wirken, auf die man sich verirrt hatte. Doch auch, wenn man sich nicht sicher war, was das gerade sollte, wusste man eins: Paul lässt den Hörer ganz nah an sich ran. Und was man bald erfahren sollte: Auch wenn das ganze wie eine Beerdigung wirkte – er war lebendig wie eh und je.

DJ und Fan seiner eigenen Musik

Die Slideshow wurde nicht langweilig. Dennoch lief sie so lange, dass man überrascht war, als der, den man die ganze Zeit auf Bildern gesehen hatte, nun live und in Farbe auf die Bühne trat. Nach einem kurzen Winken ging es direkt los – und wie. Ich war nun schon ein paar Mal im Palladium aber so einen Bass habe ich noch nie mitbekommen. Mit jedem Schlag fühlte man, wie sich alle Haare, egal ob Kopf, Nacken oder Arm, aufrichteten und man war für die ganzen zweieinhalb Stunden des Sets elektrisiert. Genauso lange sah man auf der Leinwand nichts anderes als Paul selbst, dessen Bild durch mehrere Kameras auf dem Mischpult auf die Leinwand geworfen wurden. Man sah diesen, für ihn typischen, konzentrierten Blick, die Stirn immer leicht gerunzelt, die Augen zusammengekniffen und der kahle Kopf vor Schweiß glänzend. Es schien, als hätte er alles um sich rum, selbst den donnernden Bass, ausgeblendet und hätte nun nur noch Augen und Ohren für die Musik, die er erschaffte.

Und die brauchte er auch, denn wie bereits erwähnt, mischt er jede noch so kleine Spur einzeln zusammen. Und das bedeutet, dass er jede Sekunde jedes Liedes kennen muss. Und das zweieinhalb Stunden lang. Man versteht also schnell, warum sein Auflegen von manchen als „die höchste Kunst des DJens“ beschrieben wird. Die Konzentration erschafft die Musik und die Musik verlangt weitere Konzentration. Ein wundervoller Teufelskreis. Darin ist Paul gefangen und man merkt das. Man sieht seine Emotionen, wie er lauthals mitsingt, wie er die Klangwellen genauso genießt wie jeder, der im Publikum steht – und das zweieinhalb Stunden lang.

Zwei Zugaben später waren mir mindestens drei Sachen klar:

Erstens: Paul feiert seine Musik als die Folge von Tönen, die sie ist. Er feiert sie dafür, wie sie klingt und nicht so sehr dafür, dass sie seine Musik ist.

Zweitens:  Er ist so leise, weil er kein Wort sagen muss. Das ganze Set über fiel kein einziges Wort von ihm. Kein „Hallo“, kein „Geht’s euch gut?“ und erst recht kein „Ich kann euch nicht hören!“ Was ich in einem Kommentar unter einem YouTubevideo eines seiner Live-Sets gelesen habe, stimmt: „I love how Paul (unlike other DJs) does not shout into the mic to pump up the crowd but leaves the music to speak for itself instead.“

Und drittens: Paul ist ein Meister in dem, was er tut und alleine ihm zuzuschauen ist schon ein Erlebnis – und stellt euch das dann noch mit Musik vor.

Wer sich überzeugen möchte, kann dies hier tun: