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Bild: Nicola Trenz

„Das Megaphon einer Generation“ – Querbeat im Interview

Lesezeit: 5 Minuten

Am Samstag gab die Bonner Brassband Querbeat im Telekom Dome ihr Jahresabschlusskonzert. Vor dem „fetten“ Konzert haben wir Backstage mit Jojo Berger (Gesang und Gitarre) und Basti Schneiders (Posaune) gesprochen:

bonnFM: Wenn ich Freunden, die nicht aus Bonn oder dem Rheinland kommen von euch erzählen will: Was sag ich dann? Was macht ihr für Musik?

Jojo: Wir haben es irgendwann Brass-Pop getauft. Denn wir haben ja natürlich sehr viele Blasinstrumente, das macht uns glaube ich einzigartig. Aber wir versuchen eigentlich, diese Blasinstrumente nicht so traditionell einzusetzen, sondern versuchen damit in was Populäres, was Modernes zu gehen. Das ist ein bisschen unser Style. Unser Style ist vor allem auch Unberechenbarkeit, Energie. Es ist schwierig zu beschreiben; finden wir selber auch oft nicht so einfach. Am besten entführt man die Leute einfach auf ein Konzert, dann ist nachher glaube ich alles klar.

bonnFM: Ihr habt in Bonn angefangen mit Karnevalsmusik. Ist das der typische Weg? Als Schülerband gäbe es ja auch viele andere Möglichkeiten, oder?

Jojo: Wir müssen ein bisschen korrigieren. Wir haben nicht mit Karnevalsmusik angefangen. Wir haben tatsächlich mit Latin-Music angefangen. Wir haben Buena Vista Social Club gespielt, Santana-Cover, wir haben Mambo Nr. 5 sehr sehr oft gecovert, Tequila.[lacht]

Aber halt wirklich als Latin-Coverband. Und haben uns dann entwickelt. Dann haben wir eigene Songs gemacht. Dann kam irgendwann jemand: „Probiert doch was auf Kölsch zu machen“. Dann haben wir gesagt: „Ja klar, warum nicht“.

Zwischendurch haben wir aber auch wieder Instrumentales gemacht, oder auf Englisch oder wie auch immer. Dass sich die Leute dann irgendwie gesagt haben, ey, die Nummer ist ein Karnevalshit, das freut uns umso mehr, weil wir den Karneval auch total lieben. Wir haben ihn selber immer viel gefeiert.

Insofern können wir uns da auch gar nicht festlegen. Klar, wir sind eine Karnevalsband, wenn wir im Karneval spielen, wir sind eine Festivalband, wenn wir auf Festivals spielen, wir sind eine Knastband, wenn wir bei Knackis spielen. Also irgendwie eigentlich alles.

Wenn man Musik macht, hat man keinen Businessplan

bonnFM: Ihr seid auf jeden Fall vielseitig. Jetzt geht ihr mit der Tour ja auch international. Nach Amsterdam, nach Luxemburg, Wien, Zürich. Wo wollt ihr hin?

Jojo: Wir kommen aus Bonn und wollen auf den Mars.

Ne, wo will man hin? Man macht sich glaube ich, wenn man Musik macht, nicht immer direkt den Businessplan, den Masterplan. Man guckt von Song zu Song, von Inspiration zu Inspiration. Guckt, wie kreativ das ist, wo das Ganze hinführt. Grundziel ist natürlich erstmal Musik zu machen, die einem selbst gefällt, die uns anpeitscht. Und die möglichst vielen Leuten auch gefällt.

Wenn das dann quasi in Erfüllung geht, dann ist man natürlich dabei, dass man sagt, man möchte weltweit spielen, oder alle möglichen Leute sollen mit der Musik was Schönes verbinden.

Oder wie siehst du das? [An Basti, An. D. Red.] Du bist ja eigentlich unser Internationaler. Er hat lange in Frankreich gelebt. Er ist eigentlich der Motor, der das in Richtung international treibt.

Basti: Sí [lacht]. Mir ist das Ganze – sag ich seit Jahren – nicht international genug. Deswegen war ich sehr froh, dass wir auf dem Album jetzt schon eine Nummer mit Gentleman haben, die ja sogar Englisch, Französisch und Spanisch ist und Deutsch. Ne, ernsthaft: Die Leute müssen uns irgendwie kennenlernen. In Bonn und Köln haben wir uns irgendwie durch Straßenmusik bekannt gemacht.

Wenn jetzt in Hamburg oder Berlin Leute sagen, ey, wie geil ist das denn, ich buch die für ein Festival oder wir spielen da ein Konzert und die sagen, ich komm zum Konzert und hol mir Tickets in Amsterdam, dann ist das noch geiler.

Aber die wichtige Frage ist: Wie international sollen wir wirklich gehen? Das kann euch der Carlos beantworten, der jetzt gerade dazu kommt, der ist nämlich Spanier.

Carlos: Wegen mir gehen wir ganz groß international. Am liebsten natürlich Spanisch, Englisch auch super. Ich glaube, ein bisschen Mix von allem ist gut. Warum nicht? Wir machen, was wir fühlen. Wir haben Lust auf Spanisch, wir machen Spanisch, wir haben Lust auf Deutsch, wir machen Deutsch. Ein bisschen wie man es fühlt, die Musik. So läuft das bei uns glaube ich.

bonnFM: Noch einmal zurück zu Bonn. Heute ist ja ein Heimspiel. Es ist wahrscheinlich auch nicht unabsichtlich, dass das Jahresabschlusskonzert in Bonn ist. Was bedeutet denn Bonn für euch? Also ich denke, so ein Heimspiel hat ja Vorteile, aber ja auch Nachteile, die werden wahrscheinlich seltener erfragt.

Jojo: Nachteile… Da müssten wir mal jetzt eine Umfrage machen, keine Ahnung. Die Tradition begann vor drei Jahren, wo wir gesagt haben, wir möchten Ende des Jahres nach Bonn. Dieses Feeling, das haben viele Bonner. Viele kennen das: Die sind dann aus Bonn weggezogen, kommen dann am 23.12. zurück und dann Treffen mit allen Leuten auf dem Weihnachtsmarkt und sowas. Und dieses Feeling wollten wir irgendwie auch nochmal haben. Wir sind ja auch mittlerweile ein bisschen rausgegangen. Carlos wohnt in London, viele wohnen in Köln. Das Gefühl, das wir hier haben, das wollen wir auch in den Konzerten.

Wir haben in der Springmaus gespielt, wir haben im Brückenforum gespielt. Da ist der nächste logische Schritt natürlich der Telekom Dome, ist ja klar [lacht]. Jetzt wo man es so sagt, hört sich das ein bisschen surreal an von der Größe. Keine Ahnung, Es sind glaub ich 5000 Leute gleich da drin. Das ist natürlich absoluter Wahnsinn. Wenn man so zurück kommt – wobei, wir waren ja auch nie weg, muss man jetzt auch nicht pathetisch machen – aber, dass da jetzt viele Leute sind, so viele, die sich mit unserer Musik beschäftigen und die wahrscheinlich hoffentlich gleich schön angeheizt, bisschen angetüddelt auf eine Party mit ihrer Hauskapelle aus dem Bonner Süden warten, das ist ein schönes Gefühl.

„Unsere Generation muss von Netflix und der Couch weg“

bonnFM: Zum neuesten Album: Habt ihr ein Lieblingslied?

Basti: „Bengalo“

Jojo: „Ciao Loser“

Basti: Ne, heute ist mein Lieblingslied Heimatkaff. Ich fühle es so, wie ich es noch nie gefühlt habe. Tatsächlich war ich immer derjenige bei der Albumphase, der gesagt hat, ich fühle Beuel nicht als Kaff. Ich habe diesen Text nicht so wahrgenommen. Aber dieser Begriff Heimatkaff ist viel größer als was Kaff ist, es ist irgendwie das, woher man kommt, mit dem man viel verbindet aus der Kindheit. Und das kann ein kleines Kaff sein, das kann aber auch eine Stadt sein, wie auch immer. Und jetzt hier wieder zurück nach Bonn zu kommen und im Heimatkaff zu spielen, als Jahresabschluss, Jahresabschuss. Das packt mich emotional tatsächlich, da freu ich mich auch total drauf jetzt.

Jojo: Auf die Nummer, ne?

Basti: Ja, auf das Konzert, auf die Nummer. Das wird glaube ich hinten raus Party sein, aber auch sentimentale Stimmung haben, das finde ich sehr cool.

Jojo: Mein Lieblingssong ist „Ciao Loser“, weil der auch irgendwie das Optimistische von uns ganz gut verkörpert. Klar sind wir nicht naiv, es passiert super viel Scheiße in der Welt und jeder hat seine eigenen blöden Sachen und Sorgen zu tragen. Aber dieser Moment, wenn du nach einer Woche denkst: “Geil”-  Du gehst raus und die Sonne geht auf, der Nachbarshund läuft vor einem und dreht sich um und guckt einen an und lächelt einem zu. Und du denkst einfach so: „Wow, was passiert mit mir heute gerade, heute ist ein schöner Tag wieder“. Das ist so dieses Optimistische, was wir haben. Du sagst halt „Ciao Vergangenheit, ich geh weiter“. Das Leben geht halt einfach immer weiter und das ist bei uns auch so.

bonnFM: Du hast es gerade angesprochen: Es passiert vieles in der Welt. Ihr hab diese schöne Line „Megaphon einer Generation“. Was müsste denn unsere Generation öfter mal laut sagen?

Jojo: Die muss vor allem von Netflix und der Couch weg. Wir sind es ja auch. Man erwischt sich selber dabei und denkt so „Wir haben uns superlang nicht gesehen“ und man sagt Leuten in einer WhatsApp-Gruppe, weils halt schnell geht, ab:„Ey, ich kann heute Abend nicht“. Und die Wahrheit ist ganz ganz oft, dass man eigentlich könnte, aber man hängt zu Hause rum und guckt die Serie zu Ende und am besten bis vier Uhr morgens und verpasst eigentlich die Welt, die da draußen wirklich passiert.

Das ist auch überhaupt nicht kritisch, wir wollen da gar nicht mit dem Zeigefinger zeigen, weil wir selber genauso sind. Diese Generation Praktikum, die superviele Möglichkeiten hat superviel zu machen und anhand von diesen mannigfaltigen Möglichkeiten eigentlich die wahre Option verliert, nämlich zu sagen, „Ich steige mal aus, ich mach eine Weltreise“. „Randale & Hurra“ ist ja auch dieses ich möchte am liebsten jetzt losfahren, einfach auf dem Moped zehn Tage durch die Welt. Und dann direkt danach kommt die Keule „Hab ich eine Auslandsversicherung?“. Das sind so krasse Gegensätze, die uns hart abfucken und die wir irgendwie damit so ein bisschen thematisiert haben.

bonnFM: Ihr müsst langsam auf der Bühne loslegen, vielen lieben Dank für das Gespräch!