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Was ist überhaupt Homophobie?

Lesezeit: 3 Minuten

Angst oder Hass? Was der Begriff ‘Homophobie‘ bedeutet, warum es den Hass gegenüber der LGBTQ-Community gibt und was wir dagegen tun können: Ein Interview mit Don Varn Lowman vom Englischen Institut der Uni Bonn. Übersetzt aus dem Englischen von Pauline Lantermann.

bonnFM: Was ist Homophobie?

Lowman: Dazu müssen wir uns erst mal den Begriff angucken, welcher in letzter Zeit zunehmend kritisiert wurde. Der Begriff ‘Homophobie‘ kam in den 60ern auf. Eine ‘Phobie‘ ist eine Angst vor etwas und daher vor allem ein medizinischer Begriff. Grund für die Kritik der letzten Jahre ist, dass diese Bezeichnung vielleicht nicht die Sache umfasst, die sie umfassen sollte. Mehrere Leute haben daher gesagt, man solle die negative Haltung gegenüber Schwulen und Lesben eher als ‘sexual prejudice‘ oder ‘antigay sentiments‘ bezeichnen. ‘Homophobie‘ bedeutet also die Angst vor Homosexuellen. Eine Angst führt aber nicht gleich zu Hass und zu aktiver Politik gegen etwas, wie in dem Fall Schwule und Lesben. ‘Antigay‘, oder ‘anti-LGBTQ sentiments‘ wären daher angebrachtere Bezeichnungen.

Phobie‘ ist eine Angst. Hass gegenüber der LGBTQ-Community nicht.

bonnFM: Warum müssen wir Homophobie noch immer bekämpfen?

Lowman: Genauso gut könnte man fragen, warum wir überhaupt irgendwas bekämpfen müssen. Ganz einfach, weil wir noch nicht bei vollkommener Gleichberechtigung angelangt sind. Ich denke, man kann das an der Politik sehen, die in vielen Ländern betrieben wird. Bis wir diese völlige Gleichberechtigung erreicht haben, bei der man unabhängig davon, wer man ist, was die eigene Sexualität ist, das Heimatland und die Religion, die gleichen Rechte hat, müssen wir kämpfen. Selbst in der Queer Community gibt es Diskriminierung gegen gewisse queere Identitäten. Ich glaube, es war Bayard Rustin, der sagte: „Um wahre Freiheit zu erreichen, müssten wir für die Anliegen jeder anderen Person kämpfen“. Den genauen Wortlaut weiß ich nicht mehr.

bonnFM: Was sind Gründe für Homophobie?

Lowman: Der Grund für Angst und Hass ist oftmals ein Mangel an Wissen. Wir, also wir als Menschen, haben womöglich Angst vor etwas, was auch in uns selbst sein könnte. Und solche Gefühle kommen oft von diesem ‘Blame Game‘. Wenn uns einfach der Spiegel zur Selbstreflexion fehlt. Wenn man in einen rein metaphorischen Spiegel blickt, können wir sehen, was in uns und in der Gesellschaft vorgeht. Da ist es dann deutlich einfacher, die Schuld für etwas, das in der Gesellschaft schief läuft – seien es eine schlechte Wirtschaft, Armut oder Hunger -, jemand anderem zu geben. Nicht sich selbst und nicht der Mehrheit der Menschen. Also auch nicht die Frage zu stellen, was ich tun kann, um etwas zu ändern. Dieser Hass wird immer weiter getragen von Anführern, die eine gewisse Macht und Wirkung haben. Judith Butler meinte kürzlich, dass „Trump ungezügelten Hass emanzipiere“. Wenn wir Anführer haben, die gewisse Bevölkerungsgruppen aufgrund ihrer Herkunftsländer (z.B. Mexiko) oder ihrer Identität (Queer Community) diskriminieren, legitimieren diese Führungspersonen Hass und geben den Menschen einen neuen Zugang dazu. Solange wir Anführer haben, nicht nur politische Anführer, es können auch Lehrer und Eltern sein, die diesen Hass weitertragen und von ihm profitieren, wird der Hass bleiben.

Bildung, Repräsentation und Diskussion im Alltag

bonnFM: Was können wir gegen Homophobie tun und wie können wir uns als Gesellschaft bessern?

Lowman: Die erste Sache, die ich als Dozent nennen muss, ist Bildung. Bildung ist wichtig, um sich vorwärts zu bewegen. Bildung kann aber in vielen Formen erscheinen und passieren. Das können Programme in der Schule sein, die meiner Meinung nach schon im frühen Alter beginnen sollten. In Deutschland gibt es diese tolle Organisation ‘SchlaU‘. Sie kommt in die Schulen und unterrichtet Kinder über LGBTQ-Themen. Solche Herangehensweisen sind aus meiner Sicht absolut wichtig. Queere Menschen in Machtpositionen, in der Politik oder in leitender Funktion von Schulen und Firmen sind ein zweiter wichtiger Punkt. Auch auf alltäglicher Ebene gegen Diskriminierung vorzugehen ist eine Maßnahme. Man soll eine Person nicht gleich anspringen, weil sie etwas sagt, was als rassistisch, anti-LGBTQ oder engstirnig interpretiert werden kann. Aber man kann sie auf solche Dinge hinweisen: „Wenn du das sagst, bedeutet das automatisch auch… und das könnte andere Menschen wirklich verletzen.“ Ein besonders gutes und aktuelles Beispiel, welches hinterfragt und gebessert werden muss, ist die Nutzung des Begriffes ‘schwul‘ für etwas, das wir als schlecht oder dumm ansehen. Das wird oft von Kindern und auch Erwachsenen gemacht. Man kann und sollte sie darauf hinweisen, dass sie damit eine ganze Gruppe von Leuten diskriminieren. Sich in solchen Situationen aussprechen, Bildung und eben Leute in Führungspositionen zu etablieren, die sich für die Gleichberechtigung aller einsetzen – das sind wichtige und gute Möglichkeiten, den Hass zu beenden.

Vielen Dank für das Interview!