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Die Uni als Raum feministischer Kritik

Lesezeit: 4 Minuten

Diese Kolumne gibt die subjektive Meinung der Autorin wieder

An der Uni Bonn sind zu wenige Frauen in der Lehre. Studentischer Protest und Eigeninitiative zeigen jedoch auch: Wo Gefahr ist, wächst das Rettende auch.

Der Professorinnen-Anteil an der Uni Bonn lag 2017 bei nicht einmal einem Fünftel. Das ist sogar unterdurchschnittlich im deutschen Hochschulvergleich, doch scheint Veränderung mühsam und langwierig. Ist es deshalb verrückt, statt einer überwiegenden Mehrheit männlicher Professoren nur noch mit der Hälfte auskommen zu wollen?

Es scheint zumindest manchmal unerreichbar, schaut man sich an, was noch getan werden muss. Nicht nur in den eher männerdominierten Studiengängen, wie Physik oder Informatik, muss sich lange umgeschaut werden, bis man eine Frau in der Lehre erblickt. Auch in Studiengängen, wie Medizin oder Jura, in denen die Mehrzahl der Studierenden weiblich ist, sind kaum Professorinnen anzutreffen.

 

Na und?

Dass manchen Menschen diese offensichtlichen Missstände nicht auffallen, sie weder stört, geschweige denn überhaupt erst interessiert, ist ein Zeichen unhinterfragter Privilegien. Bestehendes als unveränderbar zu akzeptieren, ist mindestens kurzsichtig, wenn nicht sogar lähmend opportunistisch. Für uns weibliche Studierende bedeutet keine Professorinnen an der Uni zu haben jedoch vor allem, dass ähnliche Vorbilder fehlen, sich eine eingeschränkte Weltsicht in der Lehre weiter reproduziert und auch konkret Möglichkeiten für eine eigene wissenschaftliche Karriere eingeschränkt sind. Dies kann entweder an konkreten Bedingungen an der Uni liegen oder an größeren, gesellschaftlichen Probleme wie die gläserne Decke und fehlende Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Karriere.

Frauen*notstand an der Uni Bonn

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Darum dann studentischer Protest: Her mit den Megaphonen, Transparenten und los eine Vorlesungen stören. Klare Kante zeigen, laut werden, Frauen*notstand ausrufen! Das ist die Kurzfassung der Protestaktion der Kritischen Politikwissenschaftler*innen und Soziolog*innen, kurz KRIPS. Während einer Ringvorlesung transportieren sich durch ihren Protest feministische Forderungen für eine gerechtere Welt in die sonst so hochgelobte Exzellenzuni. Flugblätter fliegen, darauf sind eine ganze Reihe Denkerinnen abgebildet, die nie in den Vorlesungen und Übungen gelesen wurden. Es sind Vorschläge für eine überarbeitete Literaturliste. Kritisiert wird also nicht nur der erschreckend niedrige Anteil aktiv lehrender Professorinnen an dem Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie (null), sondern auch die sich daraus ergebenden patriarchalen Strukturen. Keine Einordnung, warum es so viele männliche Autoren gibt (Spoiler: historischer Sexismus), kein Versuch sich mit den weiblichen Wissenschaftlerinnen auseinanderzusetzen, die doch veröffentlicht wurden. Sara von den KRIPS kritisiert in einem Interview mit bonnFM außerdem die unreflektierte Redekultur in Übungen und Seminaren. Es wird wenig hinterfragt, wie viel Raum und Redeanteilen männliche im Gegensatz zu weiblichen Studierenden einnehmen.

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Auch in anderen Studienfächern sind feministische Themen nicht präsent genug, obwohl es sich thematisch gut einfügen würde und auf ein großes Interesse der Studierendenschaft stoßen könnte. Wer sich für Feminismus interessiert, muss eher Glück haben, dass es in dem eigenen (geisteswissenschaftlichen) Studiengang passende Lehrangebote gibt. So kommt es, dass in einigen Studienfächern wie Anglistik Themen von Gender und Queer Theory fast selbstverständlich zur Lehre und zum Verständnis der Welt dazugehören, ​während zum Beispiel in der Philosophie ähnliche Angebote fehlen. Steht vor mir dann doch einmal eine weibliche Dozentin, so ist wenigstens die Wahrscheinlichkeit etwas höher, dass im groben Sinne feministische Perspektiven wie soziale Gerechtigkeit auf konkrete philosophische und gesellschaftliche Sachverhalte eingenommen werden. Aber das ist nun mal nicht so häufig der Fall.

Und wer soll’s jetzt gerade biegen?

Die beiden Forderungen erstens nach einem feministischeren Blick auf die Lehre und zweitens nach mehr Frauen in der Lehre sind natürlich eng miteinander verknüpft: Sind erst einmal mehr Frauen als Professorinnen eingestellt, sorgen sie schon für die Feminismus- Themen, mögen einige sagen. Frei nach dem Motto sollen die Frauen sich um ihren Kram kümmern. Auch wenn das tatsächlich einer der effektivsten Schritte für das langfristige Durchbrechen von Strukturen sein mag, darf diese Argumentation nicht als Ausrede dienen, um jetzt selbst nichts zu tun. Denn bevor Lehrpläne festgelegt, Denker*innen ausgewählt und inhaltliche Schwerpunkte gesetzt werden, waren und sind ja meistens Männer in der Macht zu entscheiden, was als wichtig gilt. Und genau da muss angesetzt werden.

Es selbst in die Hand nehmen

Eine Antwort auf Seiten der Studierenden ist oft organisierter Widerstand und Eigeninitiative: Die Fachschaft Philosophie organisierte dieses Semester einen eigenen Lesekreis zum Thema „feministische Philosophie“, weil diese Teildisziplin in der Lehre bisher ignoriert wurde. Ähnliche Initiative gibt es auch zum Beispiel in der Geographie: hier wurden selbstorganisierte, (queer-) feministische Seminaren sogar Bestandteile des Studiums. Denn ein einfaches diffuses Gefühl für Ungerechtigkeit schafft noch keine Veränderung. Deswegen ist eine kritische Studierendenschaft so wichtig, die sich vernetzt und Forderungen sammelt und stellt. Das zeigt sich auch in der Arbeit in kritischen Hochschulgruppen, AStA-Referaten und zum Beispiel in der Organisation von Veranstaltungen wie die selbstorganisierten Kritischen Orientierungswochen Bonn (KORB) am Anfang des Semesters. So können Grundsteine gelegt werden für weitere politische und lokale Maßnahmen einer geschlechtergerechteren Uni, die sich schließlich auch in der Lehre abzeichnen soll. Kritik an diesen Zuständen darf nicht verstummen, Gespräche müssen immer wieder geführt und Frauen und nichtbinäre Personen eingestellt werden, damit Geschlechtergerechtigkeit keine ferne Utopie, sondern erreichbare Lebensrealität wird. Bald wird der feministische Protest auch in Bonn wieder sichtbarer, wenn sich am Wochenende des 8. März zum Frauen*kampftag Frauen und queere Menschen versammeln und mit unterschiedlichen Forderungen für eine gerechtere Welt eintreten. Ein höherer Frauenanteil bei Professuren oder allgemein mehr Frauen in höheren Positionen ist dabei nur einer unter vielen anderen Punkten.

Es bleibt ein kritischer Blick auf die Uni

Doch zunächst bleibt der Blick auf die Uni weiter geschärft: Wie reagiert das Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie nach der Konfrontation mit den KRIPS? Wird sich wirklich etwas ändern? Und wie veräußern sich konkreten Maßnahmen für eine geschlechtergerechtere Uni? Lösungsvorschläge können vielfältig sein: Frauenförderungsprogramme, explizites Suchen nach weiblichen Forscherinnen, bessere Angebote zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Gleichstellungskonzepte bei den Mitarbeitenden der Uni selbst und vieles weitere. Über die Herangehensweisen mag diskutiert werden und es darf hinterfragt werden, ob die Uni statt Selbstverteidigungskursen für Frauen nicht lieber Workshops für Männer anbieten sollte. ​Dann bleibt am Ende trotz Streit und Wut und unterschiedlichen Vorstellungen hoffentlich ein solidarisch vereinendes Streben nach einer besseren Welt. Anzuerkennen, dass eine geschlechtergerechte Welt zwar fern, jedoch nicht unerreichbar ist. Es wäre doch viel schöner, wenn für uns „Frauen an der Uni“ im Jahr 2020 gar kein großes Thema mehr wäre und wir uns gerechtfertigt gar nicht mehr damit beschäftigen müssten. Dann wäre auch dieser Text hier überflüssig. Bis dahin bleibt (studentischer) Protest allerdings notwendig.