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Eine Ratte als Projektionsfläche – Interview mit Schauspielerin Sandrine Zenner

Lesezeit: 4 Minuten

Sandrine Zenner studiert den Master „Expanded Theater“ an der Hochschule der Künste in Bern. Hier in Bonn ist sie Ensemble-Mitglied am Theater und präsentiert am 27. März die Uraufführung ihres Abschlussprojekts „Die Ratte“. Worum es da geht und wie sie die Arbeit erlebt, hört und lest ihr hier:

bonnFM: Sandrine, stell dich doch erstmal kurz vor: Was machst du so im Leben?

Sandrine: Ich komme aus Berlin und bin dort aufgewachsen. Mit 23 oder 24 habe ich dann angefangen an der Hochschule der Künste in Bern Schauspiel zu studieren. Letztes Jahr wurde ich empfohlen am Theater in Bonn, hab da vorgesprochen, wurde genommen und bin seit September im festen Engagement. Ich mache aber noch mein Studium zu Ende, also ein Abschlussprojekt.

bonnFM: Dieses Abschlussprojekt nennt sich „Die Ratte“ und ist angelehnt an „Die Ratten“ von Gerhart Hauptmann. Worum geht’s in deinem Stück?

Sandrine: In meinem Stück geht’s um Frau John, Jette John. Sie ist auch eine Figur, die bei Hauptmann in den „Ratten“ auftritt. Die hat eine Ratte in der Wand stecken und holt ihren Bruder Bruno, damit er ihr hilft diese Ratte zu finden und aus der Wand zu holen. Das wird ein Aufhänger für viele Situationen zwischen den beiden, für viele Dialoge und für Höhen und Tiefen.

bonnFM: Wofür steht denn bei dir der Titel „Die Ratte“? Geht es um die Ratte in der Wand oder steht das symbolisch für irgendwas?

Sandrine: Wir sind noch in der Entwicklung des Stücks und bei den Proben. Die Ratte steht natürlich erstmal für die Grundsituation, aber auch für Stimmen im Kopf, die man nicht rauskriegt. Für einen gewissen Wahnsinn. Das ist wie, wenn man abends im Bett liegt und ein Geräusch hört. Es gibt Leute, die können weiter gut schlafen. Aber mich zum Beispiel macht sowas wahnsinnig. Es geht um einen Wahn, den man nicht so schnell wieder los wird.

„Ein Stück alleine zu managen ist auch eine Herausforderung“

bonnFM: Die Ratte als Projektionsfläche also. Das Stück ist angelehnt an Hauptmanns „Die Ratten“, wie hängen die beiden Stücke zusammen?

Sandrine: Für die Figurenfindung hat mich das Stück von Hauptmann sehr beeinflusst. Ich habe im Oktober beim Absolventen-Vorsprechen Jette John vorgesprochen. Da habe ich vorher ein halbes Jahr für geprobt und viel Material gesammelt, und fand die Rolle super. Weil ich selber aus Berlin komme und auch in dem Stück die Szenen mit ihr und ihrem Bruder schon ziemlich lustig fand.

bonnFM: Du hast also eine ganz besondere Verbindung zu mehreren Rollen in dem Stück. Es gibt zwei Rollen in deinem Stück, Jette und ihren Bruder Bruno. Beide Rollen spielst du, was ist das besondere an so einem Ein-Frau-Stück? Was macht den Reiz aus?

Sandrine: Es ist schon Leistungssport. Wenn man eine Rolle spielt, denkt man immer schon, dass man viel zu tun hat. Und um hier nun zu switchen muss man im selben Moment auf dem psychologischen Stand beider Figuren sein. Du gibst sozusagen ab, kannst aber nie wirklich pausieren. Das ist der Reiz, aber auch eine Herausforderung.

bonnFM: Jetzt übernimmst du für das Stück auch noch Konzept, Bühne und Kostüm. Wie kriegt man das alles unter einen Hut?

Sandrine: Ich habe relativ früh angefangen. Und ich habe natürlich trotzdem Leute, die mir helfen. Meine Dramaturgin zum Beispiel oder das Team aus dem Theater in Bonn. Es gibt auf jeden Fall noch Baustellen. Dadurch, dass ich relativ früh auch der Schauspieldirektion in Bonn Sachen abgeben musste, habe ich mich einfach früh damit befasst. Aber es ist trotzdem viel.

„Dialekt hat mich interessiert“

bonnFM: Dein Studiengang in Bern nennt sich „Expanded Theater“. Was ist hier mit „expanded“ gemeint?

Sandrine: Die ersten drei Jahre des Studiums sind wirklich reines Schauspiel. Und dann öffnen sie diesen Studiengang auch für performative Künste. Wir Schauspieler bekommen Zuwachs von Künstlern, die eher Performance machen. Wir können weiterhin Schauspielkurse machen, haben aber auch Schreibkurse und andere Performance-Kurse. Es fließen also mehr Kunstrichtungen ein, auch auf Englisch.

bonnFM: Das Stück „Die Ratte“ ist der eine Teil deiner Abschlussprüfung. Musst du auch was Schriftliches abgeben, wie in einem klassischen Masterstudium?

Sandrine: Ja, ich hab ein schriftliches Konzept abgegeben. Das ist quasi wie eine normale Masterarbeit.

bonnFM: Du hast dieses Stück „Die Ratte“ auf Berlinerisch verfasst. Du kommst selbst auch aus Berlin, bist des Berlinerischen mächtig. Wie hängt das mit dem Stück zusammen?

Sandrine: Das war auch beeinflusst von dem Originalstück, weil das auch auf Dialekt war. Und das hat mich irgendwie interessiert. Das steht ja schon so plakativ für eine Schicht Mensch und ich finde es eine Challenge, dass es dann nicht bei der Karikatur bleibt. Ich persönlich bin ohne Dialekt großgeworden, aber natürlich schon mit viel Dialekt um mich rum. Mein Vater berlinert zum Beispiel ein bisschen.

„Ich würde gerne wieder zurück nach Berlin“

bonnFM: In Berlin aufgewachsen, in Bern studiert, in Bonn engagiert. Du warst auch mal eine Zeit lang in Frankreich und hast in Mexiko gelebt. Wohin treibt es dich als Nächstes?

Sandrine: Also ich bleibe erstmal noch ein bisschen hier. Aber ich würde mich natürlich freuen, wenn ich irgendwann mal wieder in meine Heimatstadt kann. Auch um Theater dort zu spielen. Ich glaube, ich werde schon immer wieder woanders hinziehen für das Theater. Ich freue mich, wenn ich irgendwann wieder in größere Städte darf, hoffentlich nach Berlin. Ich könnte mir aber auch vorstellen in Frankreich zu leben, wenn ich da arbeiten kann.

bonnFM: Danke für das Interview!

Die Premiere des Stücks „Die Ratte“ läuft am 27. März ab 19:30 Uhr im Schauspielhaus Bad Godesberg, mehr Infos gibt’s hier .

Robert Haase

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