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Kolja Fach – Slammen in der Königsklasse

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Poetry Slams sind in den letzten Jahren ein fester Bestandteil der kreativen (jungen) Szene Deutschlands geworden. Hierbei präsentieren sich Talente, die nicht nur so schön mit Sprache umgehen, dass man nicht anders kann als zuzuhören sondern auch der Gesellschaft mit Humor und Köpfchen auf den Zahn fühlen. Der großen Masse zugänglich wurden Slams vielleicht mit Julia Engelmann’s „Eines Tages Baby“. Zeilen aus ihrem Text zierten lange Zeit Instagram-Bildunterschriften, Schulbänke oder sogar als Tattoos ganze Körperteile – doch Poetry Slam kann so viel mehr (sein).

Was für Fußball die Championsleague ist, ist für Poetry Slamer_innen aus Nordrhein-Westfalen der NRW Slam – die Königklasse. bonnFM hatte den Gewinner des diesjährigen NRW Slams im Interview. Kolja Fach, der sich jetzt wohl als König der Königsklasse bezeichnen darf, hat sich 10 Minuten Zeit genommen um mit uns über seine Erfolge, seine Schreibprozess und seine Textauswahl zu reden.

Der NRW Slam feierte 2008 Premiere und fand am 11. Oktober bis zum 12. Oktober 2019 zum ersten Mal in Aachen statt. Nachdem Kolja die Vorrunden mit 36 Teilnehmer_innen mit Bravour absolvierte, zog er ins große Finale ein, um sich dort gegen 11 Mitstreiter_innen durchzusetzen. Das besondere an Poetry Slams? Es gibt keine externen Juror_innen, sondern das Publikum übernimmt mit Wertetafeln die Aufgaben der Jury. „Es ist ein Wettkampf und das gibt dem Ganzen den Charakter“, Kolja weiß, dass genau diese Wettkampfsituation den Reiz für das Publikum ausmacht. Trotzdem sei Gewinnen immer dann schwer, wenn man seine Kolleg_innen aussticht: „Ich schätze (meine Kollegen aus dem Stechen sehr) und ich hätte mich keine Sekunde geärgert, wenn sie es geworden wären“.

„Aachen war mindestens unter den Top 3 Events, die ich bisher erlebt habe.“

Nicht nur der Abend an sich war für Kolja sehr besonders, sondern auch das ganze Drumherum machte den NRW Slam für ihn zu einem der Top drei Events, die er bisher erlebt hat. Die Zuschauer_innen erlebten „nur“ das Event am Abend, was man aber nicht mitbekommt: Die Mitwirkenden wohnen zwei Tage lang zusammen in einem Hotel. Dann wird geschnackt, zusammen gegessen und getrunken. Man kennt sich untereinander und das Ganze fühle sich an wie eine „Mischung zwischen Klassenausflug und Familientreffen“, so Kolja. Genau dieses Familiengefühl macht den Charm für die Poet_innen aus und überträgt sich auch auf das Publikum. Denn dieses fühlt die Texte ebenso sehr, wie die Slammer_innen selbst. Eine richtige Textauswahl ist deshalb extrem wichtig, auch wenn man vorher natürlich nie mit Sicherheit sagen kann, wie ein Text im Endeffekt ankommt. Denn wer weiß schon vorher, was das Publikum genau will? Diese Frage stellt sich jede/r vorm Auftritt, auch Kolja: „Ich glaube man sollte es nicht mit zu viel Kalkül machen. (…) Ich würde nicht empfehlen, dass irgendjemand Texte schreibt mit denen er sich nicht identifizieren kann. Oder die nicht aus einer intrinsischen Motivation entstehen. Weil man dann in der Performance nicht mehr so authentisch ist.“

„Ich wollte auf keinen Fall meine humoristische Schiene verlassen.“

Es ist wichtig, sich beim Schreiben treu zu bleiben, das ist ganz klar. Jeder der schon einmal selbst einen Stift in der Hand hatte oder versucht hat seine Gedanken in ein Word Dokument zu packen, kennt dieses Gefühl. Es klappt erst so richtig, wenn man loslässt und versucht „sich selbst zu Papier“ zu bringen (oder ins Word Dokument, wie gesagt). Auch Kolja kennt ​diesen Prozess des „sich-selbst-treu-bleibens“. Trotzdem ist es ihm wichtig, Diversität in seine Texte zu bringen. Persönlich, sei er selbst ein sehr politischer Mensch, dass merkt man teilweise auch in seinen Texten: „Ich mag den Text, den ich im Stechen gemacht habe, weil er politischer ist als das, was ich sonst mache. Und das ist mir relativ wichtig, weil ich auf der Bühne nicht immer politisch auftrete (…), es ist auch viel dabei, was eher Richtung (…) literarische Comedy einordnen würde. Und, wenn ich dann auswähle, dann gucke ich eben, was mir gerade wichtig ist. (…) Dieser war der erste dieser Art, der sich wegbewegt hat von Kurzgeschichten und rein humoristischen Sachen (…). Ein bisschen mehr in die Kabarett-Schiene zu gehen, das hat mir zuletzt besonders Spaß gemacht.“ Sich mit seiner Meinung klar zu positionieren und dabei seinem Stil treu zu bleiben, alles in allem authentisch zu bleiben, ist bei den Zuschauer_innen des NRW Slams 2019 offensichtlich sehr gut angekommen. Womit genau man gewinnt, kann auch er nicht zu 100% sagen, dafür sei das Publikum zu unvorhersehbar.

„Mein Schreibprozess ist relativ zerhackstückt.“

Doch wie genau schreibt jemand, der in der Königsklasse spielt, oder eher schreibt? Bei Kolja ist der Schreibprozess nicht linear, er verfolgt keinen Plan, sondern er schreibt, wenn er eine Idee hat. So kommt es öfters vor, dass er auch mal ein bis zwei Monate überhaupt nicht an seinen Slams schreibt, sondern auf den “Klickmoment” wartet, oder auch die zündende Idee. Jeder hat seine eigene Herangehensweise und das ist auch gut so.