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Kommunalwahl 2020: Viele Überraschungen und eine Stichwahl

Lesezeit: 4 Minuten

Die Kommunalwahl 2020 ist vorbei, die Bonner:innen haben gewählt. Inzwischen steht das vorläufige amtliche Endergebnis fest und bietet einige Überraschungen.

Bei der OB-Wahl ist im Wesentlichen das eingetreten, was viele Expert:innen im Vorfeld erwartet hatten: Amtsinhaber Ashok Sridharan (CDU) hat mit 34,5 % die meisten Stimmen geholt, gefolgt von Grünen-Kandidatin Katja Dörner mit 27,6 %. Auf Platz 3 liegt die SPD-Kandidatin Lissi von Bülow mit immerhin noch 20,2 %. Spannend ist der Vergleich zur letzten OB-Wahl im Jahr 2015: Damals hatte Grünen-Kandidat Tom Schmidt 22,1 % erreicht, also nur etwas weniger als nun Katja Dörner. Amtsinhaber Ashok Sridharan jedoch hatte damals im ersten Wahlgang souverän 50,1 % der Stimmen erhalten und seitdem somit über 15 % an Zustimmung eingebüßt.

Stichwahl zwischen Sridharan und Dörner

In diesem Jahr hat aber niemand im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit erreicht, also mehr als die Hälfte aller abgegebenen Stimmen auf sich vereint. Deshalb wird es am 27. September eine Stichwahl zwischen Platz eins und zwei, Sridharan und Dörner, geben. Katja Dörner hat durchaus eine realistische Chance, diese Stichwahl zu gewinnen: Wenn alle, die im ersten Wahlgang SPD oder Linke gewählt haben, sich nun hinter der Grünen-Kandidatin versammeln würden, hätte diese am Ende eine Mehrheit von knapp 53 %. Zumindest von den linken Wähler:innen dürften dies auch viele tun, nach dem der linke OB-Kandidat und Parteichef Michael Faber bereits am Wahlabend angekündigt hatte, er selbst werde auf jeden Fall für Katja Dörner stimmen. Ausschlaggebend ist damit die SPD-Wählerschaft und die Frage, wie sich Lissi von Bülow positionieren wird.

Grüne gewinnen Wahl zum Stadtrat

Nun der Blick auf die Wahl zum Stadtrat: Erstmals in der Bonner Geschichte sind die Grünen mit 27,9 % stärkste Kraft geworden, vor der CDU mit 25,7 %. Von den größeren Parteien sind die Grünen die einzigen, die im Vergleich zur letzten Ratswahl 2014 gewinnen können, nämlich rund 9 %. Die größten Verluste fährt die SPD ein, die von 23,4 % auf 15,6 % abstürzt. Die FDP verliert von 8 % auf 5 %, die CDU büßt immerhin 5 % ein. Das Bonner Wahlergebnis unterscheidet sich übrigens deutlich vom NRW-Landestrend: Während Grüne und Linke deutlich besser abschneiden als im NRW-Vergleich, die Linke erreicht in Bonn mit 6,3 % sogar fast das Doppelte des landesweiten Werts, liegen CDU, SPD, FDP und AfD in Bonn zum Teil weit unter den jeweiligen Landeswerten. Bonn ist damit aber nicht alleine, ähnlich sieht es in vielen anderen Großstädten Nordrhein-Westfalens aus.

Künftig grün-schwarze Koalition…

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Mit Blick auf die Sitzverteilung im Bonner Stadtrat ergeben sich nun zwei mögliche Regierungskonstellationen: Entweder eine grün-schwarze Zusammenarbeit, die mit 36 von 66 Sitzen im Rat eine satte Mehrheit hätte. Diese klaren Mehrheitsverhältnisse sind aber derzeit auch fast das einzige Argument für eine solche Koalition: Zwar regieren CDU und Grüne im Bonner Stadtrat schon seit 2009 miteinander, zuletzt gemeinsam mit der FDP. Aber: Erstens war die CDU in dieser Konstellation immer der Seniorpartner, hat diese Koalition also angeführt. Sich nun als Juniorpartner einer grünen Führung unterzuordnen, dürfte einigen in der CDU deshalb alles andere als leicht fallen.
Zweitens würde ein solches Bündnis wohl auch vielen Grünen Bauchschmerzen bereiten: Im Wahlkampf hatten die Grünen die Verkehrswende als ein zentrales Thema herausgestellt. Wollen sie das Vertrauen der Wähler:innen nicht verlieren, müssen sie in diesem Bereich nun auch liefern. Allerdings ist die Verkehrspolitik genau der Punkt, in dem es zwischen CDU und Grünen bereits in den letzten elf Jahren der Zusammenarbeit immer wieder zu Spannungen gekommen war.

…oder ein linkes Wagnis?

Inhaltlich spräche also vieles eher für ein grün-rot-rotes Bündnis mit SPD und Linken. Nur: Eine solche Koalition käme auf 33 von 66 Sitzen, hätte also genau eine Stimme zu wenig für die Mehrheit. An dieser Stelle kommt nun die nächste Überraschung des Wahltags ins Spiel: VOLT. Die junge, paneuropäische Partei hat aus dem Stand über 5 % erreicht und ist mit 3 Sitzen im Stadtrat vertreten. 3 Sitze, die Grün-Rot-Rot zu einer komfortablen Mehrheit mit 36 von 66 Sitzen verhelfen könnten. Bei den Inhalten erscheint diese Option denkbar, so ist zum Beispiel der Klima- und Umweltschutz auch für VOLT ein Thema. Gleichwohl ist ein Vierer-Bündnis immer auch ein Wagnis: Je mehr Parteien an einer Regierung beteiligt sind, desto komplizierter ist erfahrungsgemäß das Finden von gemeinsamen Kompromissen. Letztlich liegt der Ball nun bei den Grünen: Sie müssen entscheiden, mit wem sie welche Gespräche führen und wie sie ihre Konzepte für Bonn umsetzen wollen. Der Erwartungsdruck jedenfalls ist groß.

Wahlbeteiligung deutlich angestiegen

Ein weitere klare Gewinnerin der Kommunalwahl ist übrigens die Demokratie: Rund 57 % aller Bonner Wahlberechtigten haben bei der OB-Wahl abgestimmt, das ist ein deutlicher Anstieg gegenüber 45 % bei der letzten OB-Wahl im Jahr 2015. Bei der Wahl zum Stadtrat ist die Wahlbeteiligung mit ebenfalls etwa 57 % gegenüber der letzten Ratswahl 2014 nahezu unverändert geblieben. Deutlich höher als sonst lag in diesem Jahr der Anteil der Briefwähler:innen: Mehr als 72.500 Menschen haben in Bonn per Briefwahl abgestimmt, das ist mehr als die Hälfte der insgesamt abgegebenen rund 142.000 Stimmen.

Alle Infos rund um die weiteren Entwicklungen und die Stichwahl am 27. September erfahrt Ihr natürlich bei bonnFM!

Matthias Fromm

Moderator | Datenschutzbeauftragter Moderation bonnFM bissfest, queer um vier