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Bild: Nextbike Deutschland

Eine Alternative zum Fahrradkauf? Das Verleihsystem Nextbike im Selbstversuch

Lesezeit: 6 Minuten

Wie oft haben wir uns schon gedacht „Ach hätte ich jetzt nur ein Fahrrad“, wenn es mal wieder schnell gehen sollte. Aber aus dem Vorhaben zeitnah ein Fahrrad zu kaufen, wurden dann doch mehrere Semester und viele Fußwege. Inzwischen hat man aber keine Ausrede mehr, denn seit Oktober gibt es in Bonn das Verleihsystem Nextbike. Um zu testen, ob die Leihfahrräder eine Alternative zum Kauf sind, hat bonnFM den Selbstversuch gemacht.

Reporterin Anna:

Gesagt, getan. Damit stand auch schon der erste Schritt an: Ein Benutzerkonto erstellen. Das kann man sowohl auf der Homepage als auch mit der Nextbike-App machen. Da man die Räder selbst aber über die App ausleiht, wollte ich sie mir direkt herunterladen und mich dort anmelden. Dabei bin ich allerdings auch schon auf das erste Problem gestoßen: Ich konnte die App gar nicht erst herunterladen, da mein iPhone 5 hierfür scheinbar schon zu alt ist. Also habe ich mich zunächst auf der Homepage registriert und mir für den späteren Selbstversuch etwas anderes überlegen müssen.

Die Anmeldung selbst ging dafür ziemlich schnell, da man hier nur E-Mail Adresse und Handynummer angibt. Allerdings muss man, um die Fahrräder auch ausleihen zu können, ein Mindestguthaben von 3€ auf das Benutzerkonto laden. Das ist natürlich nicht viel, aber trotzdem wichtig zu wissen, da Überweisungen eben immer eine Weile brauchen. Deshalb sollte man sich darum also nicht erst kümmern, wenn man bereits vor dem Fahrrad steht. Das habe ich zum Glück früh genug gemerkt, dafür hatte ich aber ein anderes Problem – an sich hätte ich mir die Räder über mein Handy aufgrund der fehlenden Möglichkeit mit meinem iPhone 5, gar nicht erst ausleihen können. Da ich die Nextbikes aber trotzdem gerne testen wollte, habe ich mir hierfür das Handy eines Freundes geliehen und mich damit in mein Konto eingeloggt. So wurde aus dem Selbstversuch einfach eine gemeinsame Fahrradtour. Das hat wiederum gut funktioniert, da man sich über einen Account bis zu vier Nextbikes gleichzeitig ausleihen kann.

Unterwegs mit Klapprad-Charme

Das System der App funktioniert ähnlich wie andere Karten-Apps, man sieht den eigenen Standort auf einer Karte und kleine Fahrrad-Symbole, die zeigen, wo sich das nächste Rad befindet. In der Innenstadt sieht man die Nextbikes inzwischen fast an jeder Ecke stehen. Doch wie sieht es weiter außerhalb des Zentrums aus, findet man auch dort eins? Ich war zunächst kritisch. Da man die Räder jedoch überall in Bonn stehenlassen kann, hatte ich sogar auf dem Venusberg direkt mehrere zur Auswahl. Bei dem Nextbike meiner Wahl angekommen, musste ich erst einmal den QR-Code am hinteren Schutzblech scannen, um die Seriennummer des Rades zu bestätigen. Stimmt die Nummer überein, öffnet sich das Schloss und man kann losfahren – eigentlich.

Da vor mir aber scheinbar ein Riese geradelt ist, war ich froh, dass man die Sattelhöhe verstellen konnte. Doch auch insgesamt hat das Nextbike auf den ersten Blick schon mal einen guten Eindruck gemacht: Neben der verstellbaren Sattelhöhe haben die Räder auch sieben Gänge und zwei Handbremsen, das Design ist schlicht. Ob sich der erste Eindruck auch bestätigt, hat sich dann bei der Fahrt gezeigt: Das Rad an sich hatte ein bisschen Klapprad-Charme und es war teilweise eine etwas wackelige Angelegenheit, doch insgesamt in Ordnung. Da habe ich schon ganz andere Leihfahrräder erlebt, von extrem rostig bis hin zu kaum funktionierenden Bremsen war da so einiges dabei.

Flexibel und günstig

Für meine Probefahrt habe ich erst einmal eine nicht allzu lange Strecke gewählt, denn eine halbe Stunde Fahrt ist bei jeder Ausleihe im ersten Nutzungsjahr kostenlos. Das ist ziemlich praktisch, gerade wenn es mal schnell gehen muss. Wer aber doch lieber etwas länger fahren möchte, zahlt für jede weitere halbe Stunde dann 1€, also ein studentenfreundlicher Preis. An meinem Ziel angekommen, stand dann auch schon der letzte Schritt bevor: Die „Rückgabe“. Hierfür muss man nur das Schloss schließen, dadurch wird man automatisch wieder ausgeloggt. Dabei kann man also eigentlich nichts falsch machen.

Das Verleihsystem funktioniert insgesamt ziemlich gut und ist leicht zu verstehen. Für lange Fahrradtouren oder unebene Strecken, wie zum Beispiel im Wald, würde ich das Nextbike trotzdem nicht unbedingt nutzen, da es auf Dauer doch etwas ungemütlich wird auf dem Rad. Gerade für kurze Strecken, wie etwa in der Innenstadt, lohnt sich das Verleihsystem auf jeden Fall. Für mich ist es im Moment natürlich unpraktisch und ich werde weiterhin laufen müssen, wenn ich mir nicht jedes Mal das Handy von jemand anderem ausleihen will. Doch wenn ich mir irgendwann mal ein neues Handy anschaffe, werde ich die Nextbikes auf jeden Fall nutzen, denn für mich ist es eine praktische Alternative zum Selbstkauf.

Reporter Florian:

Ich komme, seitdem mein geliebtes Fahrrad vor einiger Zeit leider gestohlen wurde, nun schon fast ein Jahr ohne Drahtesel in Bonn zurecht. Man gewöhnt sich an die Laufwege und die Fahrten mit Bus und Bahn. „Unnötig“ wird manch einer vielleicht sagen und damit auch Recht haben. Mittlerweile bekommt man gebrauchte Fahrräder übers Internet oder auf Märkten zu wirklich günstigen Preisen. Dennoch war der Leidensdruck für mich anscheinend nie hoch genug, um diesen Schritt zu wagen. Seitdem in Bonn nun aber überall wo man hinsieht blau-silberne Fahrräder aus dem Boden sprießen, scheint es eine fantastische Alternative für Leute wie mich zu geben: Nextbike. Das deutsche Unternehmen, das mittlerweile in über 200 Städten weltweit genutzt wird, bietet die Möglichkeit, über ein Verleihsystem, das mit einer App gekoppelt ist, Fahrräder gegen eine Gebühr zu benutzen und nach Belieben wieder stehen zu lassen. Klingt zunächst nach einer feinen Sache! Um Nextbike also selbst zu testen lautete mein erster Schritt: die App herunterladen.

Unübersehbar!

Als jemand der, wie ihr vielleicht schon bei der Fahrradsache bemerkt habt, gerne Dinge aufschiebt, bin ich leider auch jemand, der sein Handy nicht unbedingt immer dann updatet, wenn es empfohlen wird. Demnach läuft mein iPhone vielleicht auch nicht mit der allerneusten Software. Sollte es euch ähnlich wie mir gehen und ihr an chronischer Prokrastianation leiden, dann könnte euch im Bezug auf Nextbike hier bereits der erste große Stein in den Weg gelegt werden, denn Nextbike läuft auf dem iPhone nur mit iOS 11 oder neuer. Um das Verleihsystem also auf Herz und Nieren zu testen musste ich mir das Handy eines Freundes leihen.

Öffnet man die App zeigt sie einem per Karte alle verfügbaren Fahrräder in der Umgebung. Wenn man eine Sache sagen kann, dann dass Nextbike unglaublich viele Räder zur Verfügung stellt. An fast jeder Ecke (zumindest im Stadtkern) findet sich ein nutzbares Rad. Um meinen Versuch zu starten musste ich also ungelogen höchstens 50 m gehen. Ein großer Pluspunkt, der mein faules Herz ein wenig höher schlagen ließ. Um das Rad auszuleihen muss man lediglich mit der App den QR-Code auf der Rückseite des Rades scannen, oder die Nummer des Fahrrades eintippen. Eigentlich kein Problem, aber das Ganze funktioniert erst, wenn man einen geringen Geldbetrag auf seinen Account überwiesen hat, um ihn dadurch zu aktivieren. Ich weiß nicht, ob das für andere auch so ein Problem dargestellt hat, aber für mich war es eine mit Tücken und Rückschlägen durchzogen Odyssee, bis das Konto mein überwiesenes Geld akzeptiert hatte und ich meinen Account endlich nutzen konnte.

Für Menschen älteren Semesters, die zuhause das Wetter noch im Teletext nachlesen und für die Whatsapp „neumodischer Unsinn“ ist , könnte an dieser Stelle die Nextbike-Reise ein jähes Ende finden. Aber nicht für mich! Hat man das Rad dann mit einem aktivierten Account entsperrt startet eine Uhr, die kontrolliert wie lange das Fahrrad in Gebrauch ist. Pro 30 Minuten zahlt ihr 1€. Allerdings gibt es auch einen Monatstarif, bei dem ihr für 10€ den kompletten Monat fahren könnt. Wer einen VRS-Chip besitzt kann jeden Tag 30 Minuten kostenlos fahren. Die Preise in Bonn und Berlin weichen übrigens von denen in anderen Städten ab. Wer eine Fahrradgang aufmachen möchte und für kurze Zeit ein wenig „Hells Angels“ spielen will, der kann mit der App bis zu vier Räder gleichzeitig ausleihen – Mega!

Angenehmes Fahrgefühl

Die Fahrt an sich gestaltet sich sehr angenehm. Die Höhe des Sattels ist verstellbar, wodurch man den Fahrkomfort zusätzlich noch verbessern kann. Ob man, wenn man schnell von A nach B möchte, die Zeit dafür hat bleibt wohl jedem selbst überlassen. Das Fahrrad ist für die Stadt gemacht und fährt sich recht stabil. Es hat mehrere Gänge und eine Klingel, deren Bedienung meiner Meinung nach ein wenig gewöhnungsbedürftig ist. Auch die Fahrt über Schotter, Kies oder Wiese stellt für die Nextbikes kein Problem da. Der innere Draufgänger in mir ist voll zufrieden.

Während der Fahrt habe ich eine kleine Pause eingelegt, um die Parkfunktion des Rades zu testen. Dazu muss man auf der App einfach in den „Parkmodus“ gehen und das Schloss schließen. Das klappte eigentlich wunderbar, auch wenn ich skeptisch war, dass mein Rad nicht von einem anderen gierigen Nextbike-User geklaut wird. Es wurde nicht geklaut wie sich herausstellte. Nach meiner Tour musste ich mich der letzten großen Aufgabe stellen: Das Abstellen des Rades.

Abstellen kann man die Bikes in allen auf der Karte blau markierten Straßen, einer Abstellstation oder in der Pinken Zone. Einfach den Hebel am Rahmen nach unten drücken und voilà: das Rad ist abgestellt! Leider klemmte bei einem Rad der Hebel, was mir zu viele Blicke belustigter Jugendlicher einbrachte. Aber Schwamm drüber! Nextbike ist für mich eigentlich ein voller Erfolg gewesen. Es ist praktikabel, die Räder fahren sich gut und eigentlich kann man über den Preis auch nicht meckern (schließlich braucht man mit dem Rad in Bonn selten 30 Minuten bis ans Ziel). Einzig und allein die Bedienung der App und das nicht gerade selbsterklärende System haben mich abgeschreckt und es wird sicher Leute geben, für die diese Hürde ein wenig zu groß ist, um sich dann doch damit auseinanderzusetzen. Unterm Strick war die Fahrt für mich auf jeden Fall ein empfehlenswertes Abenteuer!

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Nadine

    nextbikes kann man übrigens auch ohne Smartphone ausleihen. Dafür einfach die Hotline zum Festnetztarif anrufen und das Rad über den Sprachcomputer ausleihen. Halte deine Telefonnummer und nextbike PIN bereit. Das Schloss am Rad wird anschließend automatisch geöffnet.
    https://www.nextbike.de/de/bonn/information/

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