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Bild: PRIDE Demo Bonn

Liebe Stadt Bonn – Warum Pride nicht immer Party ist

Lesezeit: 5 Minuten

Am Samstag, den 01. August, fand die erste Pride Demo in Bonn statt – oder eben auch nicht. Zwei Tage vor der Demo gab es ein Verbot seitens der Stadt und die Veranstalter_innen mussten auf eine Kundgebung im Hofgarten ausweichen.

Normalerweise gibt es in Bonn als Zelebrierung queerer Menschen keine Parade, sondern das Straßenfest Beethovens Bunte, das vom Verein r(h)einqueer organisiert wird und auf dem Münsterplatz stattfindet. Dieses Jahr muss Beethovens Bunte coronabedingt ausfallen. Um als Community trotzdem sichtbar zu sein, haben sich einige Bonner Gruppierungen, darunter die Aids-Hilfe, SCHLAU, das GAP, das LBST*-Referat der Uni und der Frauen*streik, in Bonn zusammengeschlossen, um zum ersten mal eine Pride Demo zu veranstalten, wie es sie in den meisten größeren Städten bereits gibt.

Politik statt Party

Im Unterschied zu einer großen bunten Partyparade wie dem CSD in Köln, ging es den Veranstalter_innen von der PRIDE Demo Bonn darum, sich auf politische Forderungen und die Anfänge der CSD-Bewegung zurück zu besinnen, so Elias, einer der Organisator_innen. Deswegen galt unter anderem ein Alkoholverbot, um der Demo nicht ihren politischen Charakter abzusprechen. Es gab verschiedene Forderungen seitens der Veranstaltenden und den Teilnehmenden. Besonders wichtig war den Organisator_innen Klimaneutralität. So waren beispielsweise alle Banner mit klimaneutraler Farbe bemalt. Finn Müller, Mitorganisator_in und Mitarbeiter_in des GAPs begründet die Zusammenhänge queerer Selbstbestimmung und Klimaschutz unter anderem damit, dass viele queere Menschen gesellschaftlich ausgeschlossen werden und obdachlos sind oder sich auf der Flucht befinden. “Es gibt keine Pride auf einem toten Planeten,” so zitiert Müller die Gruppierung Queers for Future.

Diskriminierung ist leider auch oft innerhalb der Community ein Problem

Deswegen war es Ziel der Veranstalter_innen besonders für die innerhalb der Community marginalisierten Gruppen einen Raum zu schaffen. So war geplant während der Demo verschiedene Blöcke für die Gruppen anzubieten, wie beispielsweise einen Trans*Block und einen Block für BI_PoC. Diese Blöcke gab es auch bei der Kundgebung. Desweiteren gab es im Vorfeld den Hinweis für die Menschen, die Reden halten wollten, diese bitte in einer gendergerechten Sprache zu formulieren und keinerlei diskriminierende Ausdrücke zu verwenden. Vor Ort gab es ein Awareness-Team, das jederzeit von den Teilnehmenden angesprochen werden konnte. Alle Redebeiträge waren online auf Englisch verfügbar und wurden vor Ort auf Gebärdensprache übersetzt.

“Ich bin nicht behindert, ich werde behindert.”

…so ein_e Redner_in, der_die sich zum Thema Behinderung und behindertenfeindlicher Sprache äußerte und dabei besonders auf queere Menschen mit Behinderung einging.

Die Redebeiträge waren so bunt und unterschiedlich wie man es von einer queeren Veranstaltung erwarten würde: Behinderung, FLINT*, Trans*Rechte, die Situation queerer Menschen in Taiwan und China. FLINT* (Frauen (meist spezifisch hetero Cis-Frauen), Lesben, Intersexuelle Menschen, Nichtbinäre Menschen und Trans* Menschen) bezeichnet Frauen und queere Menschen, die vom Patriarchat diskriminiert werden.

LBST*-Referent_in Alex Münster hielt eine Rede über Polizeigewalt, wobei Münster es sich nicht nehmen ließ, einige spontane Änderungen an der Rede vorzunehmen, um auf die Polizeibeamt_innen einzugehen, die mit acht großen Einsatzwagen am Hofgarten vor Ort waren. Polizeigewalt ist gerade in den letzten Wochen durch die Black Lives Matter Bewegung in den Vordergrund des gesellschaftlichen Austauschs gerückt.

Manchmal ist Pride Glitzer, manchmal ist Pride Kampf

Bei CSDs wird mit Glitzer um sich geworfen, es läuft laut Lady Gaga und Britney Spears, alle twerken, Drag Queens laufen durch die Mengen, der Alkohol fließt und überall gibt es Regenbogenartikel zu kaufen. Das kann sein, aber offensichtlich muss es das nicht. Das haben die Veranstalter_innen von PRIDE Demo Bonn gezeigt. Queerness ist nicht ab und zu in Latex-Anzügen und Buttplugs durch die Städte zu gehen und die gutbürgerliche Gesellschaft aus purem Spaß an der Freude zu verstören. Die queere Community wird diskriminiert. Sie haben nicht die gleichen Rechte wie heterosexuelle Cis-Menschen, viele sind in unserer Gesellschaft unsichtbar. Denkt man an Pride, denkt man an schwule Männer und lesbische Frauen. Die sind ohne Zweifel auch Teil der Community. Aber nicht nur. Es gibt mehr als drei Gender, es gibt mehr als zwei Sexualitäten. Pride ist die Zeit, wo besonders die Menschen, die nicht hetero- oder homosexuell sind, die nicht männlich oder weiblich sind, sichtbar werden. Queere Menschen mit Behinderung, queere Menschen of Color. Diese Menschen sind da, das ganze Jahr über. Aber besonders zur Pride sollten sie auf ihre tägliche Marginalisierung aufmerksam machen dürfen.

Pride ist nicht nur für queere Menschen

Pride Veranstaltungen schaffen Raum und Sichtbarkeit für die queere Community. Trotzdem ist es gerade für heterosexuelle Cis-Menschen wichtig, eben solche Veranstaltungen zu besuchen und sich solche Redebeiträge anzuhören. Wenn ich Elishas Geschichte als nicht-binäre Person höre, wenn ich höre, wie aus der Lage in Taiwan erzählt wird, wenn sich die Menschen mit Redebeiträgen nicht nur mit Namen, sondern auch mit Pronomen vorstellen, dann wünsche ich mir, dass sich jede*r sowas anhört und seinen Horizont erweitert. Queerness ist mehr als Homosexualität. Es gibt mehr als zwei Geschlechter. Und immer wieder stelle ich fest, dass selbst die Menschen, die ich als Allies wahrnehme und sich selbst so bezeichnen, noch nie eine Trans*person, jemanden, der ein anderes Pronomen als er oder sie verwendet, im wahren Leben gesehen haben. Gerade da ist es wichtig, das man sich Reden von queeren Menschen anhört und seinen* Horizont erweitert. Die Veranstalter_innen der PRIDE Demo Bonn haben mit der Kundgebung genau den Ort geschaffen, der für alle ist. Als queere Person kann ich mich vernetzen, kann umgeben sein, von meinen queeren Geschwistern, kann mich Zuhause und verstanden fühlen. Als heterosexueller Cis-Mensch kann ich mich weiterbilden, Neues lernen, vielleicht auch schlimme Dinge über Diskriminierung über die ich zuvor nichts wusste. Ich kann zuhören, unterstützen und mich stark machen für die Gruppen, die immer noch marginalisiert werden.

Warum hat die Stadt Bonn die Demo verboten?

Die anfängliche Teilnehmer*innenzahl von 200 wurde zu Beginn genehmigt, bei einer Aufstockung dieser auf 500 folgte dann allerdings ein Verbot der Demo. Um dieses zu begründen, wurden verschiedene Argumente angeführt: neben den Bedenken bezüglich des Infektionsschutzes, wollte die Stadt nicht, dass der Verkehr in der Innenstadt und die Shopper_innen behindert würden. Das ausschlaggebendste Argument war für die Stadt Bonn jedoch das Infektionsrisiko und die Angst es könnte sich eine Menge an Zuschauer_innen ansammeln. Aufgrund des Bezeichnung der Demo als CSD habe man sofort gewisse Bilder von Party im Kopf, so Monika Hörig, Pressesprecherin der Stadt Bonn. Im Antrag, der der Stadt Bonn vorgelegt wurde, stand allerdings ausdrücklich, dass es sich bei der Demo um eine politische Veranstaltung handle. Die Veranstalter_innen waren von dem Verbot sehr überrascht: Alex Münster bedauerte, dass die politische Natur der Veranstaltung verkannt wurde. Finn Müller merkte an, dass die von den Organisator_innen geplanten Schutzmaßnahmen, sogar strenger seien, als von der Stadt vorgesehen. Im Vorfeld gab es zwar Kooperationsgespräche zwischen Stadt und Organisator_innen, einige Missverständnisse bleiben aber bestehen. 

“Niemand bei der Stadt Bonn hat vor dieses Meinungsspektrum in irgendeiner Form zu benachteiligen.”

… so Pressesprecherin Monika Hörig. Zuallererst ist Queerness keine Meinung. Und auch wenn es übertrieben wäre, der Stadt Bonn Queerfeindlichkeit vorzuwerfen, so gibt es doch einige Fragen, die man sich an dieser Stelle stellen muss. Zum Beispiel was ist mit anderen Demos, die erlaubt wurden? Auf Nachfrage zur “Fridays for Future”-Versammlung antwortete Hörig, dass diese nur mit 200 Teilnehmer_innen angemeldet sei und es daher dort aus ordnungsbehördlicher Sicht keine Bedenken gebe. Bezüglich der “Black Lives Matter”-Demonstration, die Anfang Juni ebenfalls an einem Samstag auf dem Münsterplatz stattgefunden hat – wo die Pride ihre Kundgebung aufgrund der Menschenmassen nicht halten durfte – und bei der laut Veranstalter_innen circa 1000 Demonstrant_innen anwesend waren, gab die Stadt bislang keine Antwort.

“Die Stadt hat keine Notwendigkeit nachzuweisen, dass sie offen ist für alles.” 

Liebe Stadt Bonn, doch. 

Doch, das hast du. 

Wenn der amtierende Oberbürgermeister Ashok Sridharan vor dem alten Rathaus eine Regenbogenflagge hisst, heißt das nicht, dass die Arbeit damit getan ist. Natürlich geht die Sicherheit der Bürger*innen durch Eindämmung des Infektionsrisikos vor, nichtsdestotrotz fühlen sich die Veranstalter_innen und ebenfalls die Besucher_innen der Demo unsichtbar und hintergangen. Dabei ging es doch um das genaue Gegenteil, es ging darum, die Menschen sichtbar zu machen, die es sonst viel zu selten sind. Wenn du die Notwendigkeit hast, zu zeigen, dass du offen für alles bist, dann gerade jetzt. 

Eine bessere Zukunft

Die Demo war keine einmalige Sache. Nächstes Jahr werden die Organisator_innen sich erneut um eine Demo und eine Kundgebung bemühen. Schließlich sei das das Zentrum der politischen Arbeit, die die PRIDE Demo Bonn gemeinsam machen wolle, so Elli Hontheimer, Mitorganisatorin der PRIDE Demo Bonn.

Und vielleicht kommt sie ja dann nächstes Jahr. Die erste Pride Demo in Bonn.