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Bild: bonnFM (Björn Cremer)

Der lange Weg zur Fahrradstadt

Lesezeit: 3 Minuten

Radfahrende fordern mehr Platz. Dabei hat die Stadt sich doch schon Ziele gesteckt. Das Problem: Bonn verschlechtert sich seit Jahren im Fahrradklimatest.

Beschleunigt Corona die Verkehrswende?

Am Sonntagmorgen werden am Brassertufer Verkehrshütchen aufgestellt. Sie teilen die Straße in der Mitte und verbannen die Autos auf nur eine Spur, denn die andere ist heute reserviert für Radfahrende- für ein paar Stunden zumindest. Pop-up-Bikelanes heißt das Konzept und es soll simulieren wie sich Fahrradfahren anfühlen könnte, wenn den Drahteseln mehr Platz auf der Straße eingeräumt würde. Möglich wurde dieses Experiment durch den Rückgang des Pendelverkehrs aufgrund der Corona-Maßnahmen. In Berlin, München und Stuttgart sind bereits Pop-up-Bikelanes eingerichtet. Nun fordert das Bürgerbegehren „Radentscheid“ sie auch in Bonn.

Der Radentscheid Bonn ist die Bürgerinitiative, deren Mitglieder die Hütchen am Brassertufer aufgestellt haben und die auf dieser Pop-up-Bikelane zusammen mit Unterstützer*innen entlangfahren werden, um für ihre Ziele zu werben.

Sicheres Radfahren braucht Platz

Die Probleme sind bekannt: zu schmale Fahrradstreifen, Konflikte mit Autofahrenden und Fußgänger*innen, Sorge um die eigenen Kinder im Großstadtverkehr. Dem setzt Rebecca Heinz, Pressesprecherin des Radentscheids, eine Utopie entgegen: die Norm solle sein, dass sich ein zehnjähriges Kind gefahrlos mit seinem Fahrrad in Bonn bewegen könne. Dafür brauche es mehr Platz für Radfahrende und Fußgänger*innen und vor allem auch Platz zwischen den beiden Gruppen. Denn diese kommen sich häufig in die Quere.

Mehr Platz, das geht nur auf Kosten einer dritten Gruppe: den Autofahrenden. Sie nehmen im städtischen Verkehr den meisten Platz ein, denn Bonn wurde nach dem Krieg als autogerechte Stadt wieder aufgebaut. Kritische Stimmen befürchten bei weniger Platz für Autos Staus und Lieferprobleme. Doch Rebecca Heinz zeigt sich zuversichtlich: Die am meisten gefahrenen Strecken in Bonn seien durchschnittlich fünf Kilometer lang, mit dem Fahrrad also gut zu schaffen. Außerdem würden bei einer besseren Infrastruktur mehr Menschen das Auto stehen lassen, wenn sie denn auf dem Rad das Gefühl hätten, sicher von A nach B zu kommen. So würde eine fahrradfreundliche Stadt auch helfen, die selbstgesteckten Klimaziele einzuhalten. Immerhin will Bonn bis 2035 klimaneutral sein.

Bonns Pläne zur Verkehrswende

Nicht nur die Aktivist*innen von Radentscheid träumen von einer fahrradfreundlichen Stadt, auch im Rathaus hat man sich Ziele zur Verbesserung der Fahrrad-Situation gesetzt. 25% sollen die Radfahrer*innen am Verkehrsaufkommen künftig ausmachen. Und keine Verkehrstoten soll es mehr geben, denn die Stadt Bonn nimmt an der „Vision Zero“ teil, einem Projekt zur Umgestaltung der Verkehrsanlagen, um sie sicherer zu machen. Konkrete Zahlen und Vorhaben finden sich in den Plänen zwar nicht, dafür nimmt die Stadt jedoch am Fahrradklimatest des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) teil.

In diesem Fahrradklimatest erhält Bonn für das Jahr 2018 die Note 4,2 und fällt damit durch. Seit 2012 wird in diesem Test die Fahrradfreundlichkeit deutscher Städte gemessen und Bonn hat sich von Anfang an kontinuierlich verschlechtert. Auch das Ziel von Vision Zero wurde 2019 verfehlt. Es gab im vergangenen Jahr sechs Tote und 254 Schwerverletzte. Es gibt also noch reichlich Raum für Verbesserungen.

Die sieben Ziele des Radentscheid

Der Radentscheid stellt den Beschlüssen der Stadt Bonn sieben Ziele entgegen, die auf der Website der Initiative zu finden sind. Die Ziele setzen einen Zeitrahmen für den Umbau einer genauen Zahl von Verkehrsobjekten fest und würden die Stadt Bonn zwingen, in fünf Jahren ein durchgängiges und sicheres Netz aus Radwegen zu bauen. Rückenwind für ihre Forderungen erhält der Radentscheid durch erfolgreiche Bürgerbegehren in Berlin und NRW.

An diesem Sonntagmorgen fahren die Unterstützer*innen vom Radentscheid nur die kurze selbstabgesteckte Fahrradspur zwischen Fährgasse und Oper entlang, aber alle Teilnehmer*innen zeigen sich zuversichtlich, dass sich ihr Bürgerbegehren durchsetzen wird. Und dann soll Radfahren bald in ganz Bonn so entspannt sein wie auf diesem ruhigen Stück Straße unten am Rhein.

 

Quellen (Stand 07.06.2020):

Facebookseite vom Radentscheid: https://www.facebook.com/Radentscheid.Bonn

Der Fahrradklimatest: https://object-manager.com/om_map_fahrrad_if_2018/data/2018/Bonn.pdf

Platzbedarf im Straßenverkehr: https://diy.vcd.org/fileadmin/user_upload/DIY/Abschlussklasse/Masterarbeit_Nguyen_FINAL.pdf

Klimaziele der Stadt Bonn: https://www.general-anzeiger-bonn.de/bonn/stadt-bonn/bonn-stadt-soll-bis-2035-klimaneutral-sein_aid-47117687

Verkehrsziele der Stadt Bonn: https://www.bonn.de/themen-entdecken/verkehr-mobilitaet/zukunft-radverkehr.php

Verkehrsstatistik 2019: https://www.general-anzeiger-bonn.de/bonn/verkehrsunfallstatistik-bonn-und-rhein-sieg-kreis-ergebnisse-fuer-jahr-2019_aid-49176373

Website des Radentscheid: https://www.radentscheid-bonn.de/

Website des ADFC Bonn/Rhein-Sieg: https://www.adfc-nrw.de/kreisverbaende/kv-bonn/startseite-kv-bonn.html