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Bild: Daria Shevtsova

Wo bist Du, Retter der Radfahrenden?

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Wir Radfahrende haben es schon nicht leicht. Mit rostigen Ketten, fast platten Reifen und quietschenden Bremsen wagen wir uns täglich in die Gefahren des Straßenverkehrs. Bei pfeifendem Wind und peitschendem Regen treten wir in die Pedale und haben nur ein Ziel: Sicher ankommen – na gut schnell und trocken wäre dabei auch ganz nett. Ganz allein trotzen wir den schier übermächtigen Gefahren der Straße. Ganz auf uns allein gestellt? Nein! Zum Glück gibt es noch die Lead-City Bonn.

Es gibt viele gute Gründe Fahrrad zu fahren: Man ist flexibel, kommt schnell ans Ziel und abends betrunken nach Hause (natürlich stets unter dem Grenzwert von 1,6 Promille). Außerdem sieht man nicht so bescheuert aus wie E-Scooter-Fahrende und blockiert die Innenstadt nicht wie die täglichen Autokorsos zur Rushhour. Ganz nebenbei tut man dann noch etwas für seine Gesundheit und ist an der frischen Luft – so frisch Dieselabgase in den Bonner Straßen eben sein können. Da haben wir dann auch schon ein großes Problem der Stadt Bonn: Die Luft ist dreckig. Gut, in welcher Stadt ist sie das nicht? Aber die Stadt Bonn sorgt sich ja um ihre Bürger und hat deshalb 2018 das Projekt „Lead-City Bonn“ auf den Weg gebracht. Das große Ziel: die Stadtluft verbessern, indem weniger Menschen mit dem Auto fahren – damit es keine Dieselfahrverbote gibt. Ein 365€ Ticket mit dem man ein Jahr lang Bus und Straßenbahn in Bonn fahren kann wurde eingeführt und die Taktung selbiger verbessert. Klingt gut, ist es auch – hat nur einen Haken: Es hat nicht funktioniert. Zwischen April und August 2019 gab es ebenjene Fahrverbote. Zwar wurde das Dieselfahrverbot auf der Reuterstraße dann doch noch heroisch vertrieben durch die Geheimwaffe des Luftreinhalteplans: Tempo 30 auf der vierspurigen Hauptstraße, aber Verkehrschaos und schlechte Luftwerte bleiben.

Dabei war die Idee Autos in der Stadt loszuwerden an sich gut, die Verantwortlichen haben nur ihre effektivste Truppe nicht richtig in der Schlacht eingesetzt: Die studierende Kavallerie auf ihren Drahteseln – die Radfahrenden. Denn jeder Radfahrende erspart uns einen dämlichen E- Scooter, einen Sitznachbarn im Bus oder einen Capital Bra – hörenden Halbtagsrennfahrende in seinem VW Golf.

Guter Rad ist teuer

Zum Radfahren braucht es eigentlich nicht viel: ein Fahrrad und eine möglichst ebene, sichere Strecke. Während jeder für die Sicherheit seines eigenen Rads verantwortlich ist: Bremsen, Reflektoren, Licht, ist es die Stadt Bonn für die Strecke – den Radweg. Laut der Stadt Bonn, soll der Radverkehr in Zukunft anteilig 25% ausmachen. Deshalb gibt es auch schöne neue Fahrradabstellplätze in Poppelsdorf und Sticker auf jedem städtischen Fahrzeug, dass man doch bitte 1,50 m Sicherheitsabstand beim Überholen von Radfahrenden halten soll. Sicherheit hört sich für mich anders an, wenn ich da an meine morgendliche Slalomtour um Schlaglöcher und Glassplitter auf dem Fahrrad-“Schutz“-Streifen des Kaiser-Karl-Rings denke. Auf ihrer Website sagt die Stadt Bonn selbst: „Die Radverkehrssicherheitsarbeit erfolgt in den vielfältigsten Bereichen.“ Und als Beispiele folgen: Präventionsmaßnahmen der Polizei in Schulen und Kontrollen zur Fahrtüchtigkeit von Rädern – achja und die Rücksichtskampagne, die Autofahrende und Radfahrende zu mehr gegenseitiger Rücksicht auffordert – was das außer netten Werbeflyern genau heißt, lassen sie leider offen. Insgesamt gibt es also primär nette Bildchen und Parkplätze. Während der ÖPNV ein eigener Posten unter den Verkehrsflächen im Haushaltsplan der Stadt Bonn ist, ist es der Radverkehr nicht.

Freunde und Helfende aller Radelnden

Aber zum Glück haben wir ja noch unseren Freund und Helfer: Die Polizei. Mütterlich kümmert Sie sich um uns Radfahrende und schaut, dass wir uns an die Verkehrsregeln halten und ja nicht auf dem Bürgersteig fahren. Wir sollen eben den Gefahren der Straße trotzen wie echte Ritter. So auch heute Morgen: Schauplatz Viktoria-Brücke – unsere Lieblingsbaustelle. Einen Radweg gibt es nicht und auf der Fahrbahn fahren ist für Radfahrende verboten. Also gibt es nur eine Möglichkeit: auf dem Bürgersteig fahren und hoffen, dass weder man selbst noch der entgegenkommende Fußgänger nach der Begegnung eine Fahrt im RTW gewinnt. Auf dem Gehweg zu fahren ist in diesem Fall sogar ​erlaubt (Danke Bonner Verkehrskonzept!), symbolisiert durch dieses nette kleine, weiße Schild mit einem Fahrrad-Piktogramm und dem Wort „frei“. Doof nur, dass unser netter Freund Herr Polizist mit seinem schicken Motorrad, das natürlich auf dem Gehweg parkte, das Schild nicht gesehen hat und fleißig von jedem vorbeikommendem Radfahrenden 10€ kassierte. Das nenn’ ich mal ‘ne Investition! Ist aber auch kompliziert die Verkehrsführung an der Viktoriabrücke, da kann man schon einmal durcheinander kommen. Wo wir gerade dabei sind lasst uns doch bitte kurz darüber übereinkommen, dass die Fußgänger einfach alle am Zaun gehen und nicht mitten auf dem Gehweg mit ihren schicken Airpods im Ohr, dann ersparen wir uns viele Fast-Unfälle.

Der Retter der Radfahrenden

Wenn also schon die Stadt und die Polizei nicht unsere strahlenden Retter mit silbern-funkelndem Fahrradhelm sind, wer ist es dann? Gibt es ihn überhaupt? Irgendwen? Ahhh natürlich die politischen Hochschulgruppen. Lange war die Nassestraße eine Fahrradstraße, doch die Stadt Bonn wollte mehr für uns: eine eigene Spur auf der Kaiserstraße, parallel zu den Schienen. Blöd nur, dass die Nassestraße damit zum Cityring-Zubringer avancierte. Nicht so mit den Jusos! Eisern kämpften sie für uns und holten sogar richtige Politiker, damit die Nassestraße seit Oktober 2019 wieder verkehrsberuhigt ist. Aber es wird noch besser: Gerade war Wahlkampf an der Uni. Einfach toll wie RCDS und LHG da für uns eintraten und unsere Belange fördern wollten, indem mehr Fahrradparkplätze an der Uni gebaut werden. Moment das hatten wir doch schonmal. Danke, dann treffen wir uns einfach mit dem netten Herrn Polizist und der Stadt Bonn bei der Verkehrsprävention am neuen Fahrradparkplatz vorm Juridicum. Hält da zufällig ein E-Scooter? Meine halbe Nextbike- Stunde hab‘ ich nämlich leider schon an der Ampel vorm Hauptbahnhof verschwendet.