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Hörsaal 8: ein Ort für Homophobie, Fundamentalismus und Frauenfeindlichkeit? – Studierende stellen sich queer

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Was muss passieren, damit aufgebrachte Studierende mit Regenbogenflaggen und Protestschildern ausgerüstet die Uni stürmen? Was bringt den Referenten in Hörsaal 8 dazu, “MEINUNGSFREIHEIT” und “DEMO FÜR ALLE IST COOL” auf die Tafel zu schreiben?

“Demo für alle”?

Am 16.05.19, einen Tag vor dem Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie solidarisierten sich rund 200 Studierende der Uni Bonn und blockierten friedlich eine Veranstaltung der Hochschulgruppe “Studentisches Kulturforum Bornewasser”. Die konservative Hochschulgruppe hatte den rechtspopulistischen Redner Alexander Tschugguel in die Uni eingeladen, der über seine Arbeit bei der Initiative “Demo für Alle” referieren sollte.

Die “Demo für Alle” ist ein Aktionsbündnis verschiedener konservativ christlicher Initiativen, die den “Kampf” gegen den Zerfall traditioneller Werte wie der Familie und Ehe antreten wollen. In ihren Veranstaltungen fordern sie unter anderem die Abschaffung der Ehe für Alle und die Stärkung der traditionellen Geschlechterrollen in der Gesellschaft. Sie wollen den inklusiven Aufklärungsunterricht an Schulen stoppen, den sie als  “Frühsexualisierung der Kinder” diffamieren.

Die “Demo für Alle” steht außerdem in direkter Verbindung mit der Organisation “Marsch für das Leben”, einer christlich fundamentalistischen, antifeministischen Gruppierung, die sich in jährlichen Demonstrationen gegen Abtreibungen und sexuelle Selbstbestimmung positioniert. Die rechtspopulistische AfD Politikerin Beatrix von Storch ist eine der bekanntesten Vertreterinnen der Bewegung und unterstützt die Abtreibungsgegner als Gründerin der homophoben Lobbyorganisation “Zivile Koalition e.V.”.

Der Initiator der Bewegung und eingeladener Redner, Alexander Tschugguel, ist Mitglied der Jugendorganisation der österreichischen rechtskonservativen Partei “Die Reformkonservativen”. Ewald Stadler, der Parteivorsitzende, spricht sich öffentlich für die Einführung der Monarchie aus und unterstützt zudem den österreichischen Ableger der Pegida.

Die “Demo für Alle” und das dazugehörige rechte Netzwerk kann somit als explizit homo-, bzw queerphob, frauen*feindlich, rassistisch, fundamentalistisch, antiaufklärerisch und pseudoakademisch eingestuft werden.

Burschenschaften – Vernetzungspunkte von rechten Organisationen?

Der Kontakt zwischen Tschugguel und dem Veranstalter der Vorträge, Raphael Schlimbach,  ist aus einer gemeinsamen Mitgliedschaft in der “Katholischen Deutschen Studentenverbindung Ripuaria” aus Bonn entstanden. Hier stellt sich die Frage wie Bonner Studentenverbindungen als Knotenpunkte zur Vernetzung von rechten Gruppen beitragen.

Studentischer Protest formiert sich

Kurz vor dem Vortrag wurden Hochschulgruppen und Referate des AStAs auf die Veranstaltung aufmerksam und mobilisierten innerhalb von weniger als 24 Stunden circa 200 Studierende für eine Protestaktion.

Die Protestierenden zogen, ausgestattet mit Regenbogenflaggen und Schildern wie “my body – my choice” und “es gibt kein Recht auf Propaganda”, geschlossen ins Hauptgebäude der Uni. Dort wurden aufgrund der Menschenmasse die Zugänge zum Hörsaal 8 vorerst blockiert. Als sich schließlich der Veranstaltungsort füllte, übertönten Sprechgesänge wie “Homophobe raus aus der Uni” jeden Versuch den Vortrag abzuhalten. Mit seinen Worten erreichte Tschugguel deswegen nur wenige Personen in der ersten Reihe des Hörsaals. In einem schlagfertigen, vielleicht auch verzweifelten Moment, schrieb er “MEINUNGSFREIHEIT” und “DEMO FÜR ALLE IST COOL” an die im Hörsaal stehende Tafel. Damit erntete er nichts als Spott von den Protestierenden.

Nachdem die Veranstalter eineinhalb Stunden lang einem gewaltfreien Protest ausgesetzt waren, entschlossen sie sich den Vortrag unter Ausschluss der Öffentlichkeit in ein Verbindungshaus zu verlegen.

Zu viel Krach? Zu wenig Dialog?

Die Protestierenden legitimierten die Störung der Veranstaltung damit, dass die Uni ein diskriminierungsfreier Ort sein sollte, an dem Menschenrechte nicht offen abgesprochen werden dürften.

Dass dennoch eine solche Veranstaltung an einem symbolträchtigen Ort wie der Bonner Universität stattfinden sollte, an der Frauen und LGBTQ*-Menschen studieren, hat viele empört. Unter den Demonstrierenden waren viele Personen, die selbst von einer unterdrückenden Politik betroffen sind, wie aus der Stellungnahme des LBST-Referats hervorgeht:

“In Anbetracht einer Geschichte der strafrechtlichen Verfolgung (§ 175 StGB) und Pathologisierung (bspw. in der ICD) queerer Identitäten, die ein maßgeblicher Bestandteil tradierter Machtstrukturen ist, sehen wir das versuchte Aberkennen erlangter Rechte sowie die Behinderung der Bemühungen um weitere gesellschaftliche Gleichstellung als nicht tragbar an.”

Stellungnahme LBST-Referat Bonn,18.05.2019

Die lautstarke Aktion sei laut Protestierenden auch mit demokratischen Grundwerten vereinbar. Intoleranz und Menschenhass müssten nicht auf Kosten anderer toleriert werden.

Der Veranstalter Raphael Schlimbach hingegen äußerte sein Bedauern. Er habe sich für den Abend gewünscht, dass es zu einem Diskurs käme, in dem unterschiedliche Meinungen geäußert würden. Für diese hätte er “im Zweifel sogar Verständnis gehabt”, wie er bonnFM gegenüber äußerte.

Doch auch einige Studierende, die zu der Protestaktion gekommen waren, hatten sich auf ein Gespräch eingestellt. So kam es dazu, dass außerhalb des Uni-Gebäudes heftig diskutiert wurde.

AStA räumt Fehler ein

Doch wie kam es dazu, dass der Allgemeine Studierenden Ausschuss (AStA) diesem kontroversen Redner einen Raum an der Universität zur Verfügung gestellt hatte?

In einer Stellungnahme des AStA ist vermerkt, dass der “Studentischen Kulturgruppe Bornewasser”- wie allen Hochschulgruppen- grundsätzlich vertraut werden würde.

Die Veranstaltung von vergangenem Donnerstag hätte jedoch abgelehnt werden müssen:

In diesem Fall hätte allerdings §2 Abs. 2 des Kriterienkatalogs für die
Förderung der Kulturgruppen gegriffen: “Insbesondere werden keine
Tätigkeiten oder Veranstaltungen geduldet, bei denen die Gleichberechtigung
von Geschlechtern, Ethnien, Sexualitäten, Toleranz von Religionen und
Weltanschauungen gefährdet wird.” Die Veranstaltung hätte also abgelehnt
werden können und müssen, nicht weil es sich um eine konservative
Kulturgruppe handelt, sondern weil die vorgestellte Initiative sich durch
Diskriminierung und Abwertung auszeichnet und sich damit gegen die
Gleichberechtigung von Geschlechtern und Sexualitäten richtet.”

(Stellungnahme AStA 17.05.2019)

In Zukunft wird der AStA nach eigenen Angaben die Sensibilität ihrer Mitarbeiter*innen für kritische Veranstaltungen deutlich verstärken, sodass künftig Fehler vermieden werden.

“Jetzt gibts den Kampf gegen den AStA zu kämpfen […]”

Tschugguel und Schlimbach veröffentlichten am Freitag (17.05.2019) ein Statement Video zu den Ereignissen auf der “Demo für Alle” Facebook Seite. Ihre Schlussfolgerung lautete: ”Jetzt gibt es den Kampf gegen den AStA zu kämpfen, denn die Asta Mitglieder saßen nämlich in der Gegendemo”.

Was genau damit gemeint ist? Wir können es nicht sagen…

Und nun? Was hat der Protest gebracht?

Das Kulturforum hat als Reaktion auf den Protest die nächste Veranstaltung des Referenten Felix Cassel (Mitglied der AfD Bonn und der Burschenschaft Frankonia) in einen Raum seiner Burschenschaft gelegt.

Ähnliche Veranstaltungen werden demzufolge in der Universität Bonn nicht mehr stattfinden.