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Bild: Anselm Pahnke

Über den deutschen Studenten, der ganz Afrika mit dem Fahrrad durchfuhr

Lesezeit: 4 Minuten

Eine Fahrradtour hat so mancher schon gemacht, doch nur die wenigsten werden wohl jemals darüber nachgedacht haben, einen ganzen Kontinent mit dem Drahtesel zu durchqueren. Geschweige denn Afrika.

Bild: AVALIA STUDIOS

Was zuerst verrückt klingt, hat der Hamburger Anselm Pahnke tatsächlich gemacht. Die Strecke ist 15.000 Kilometer lang und kostet ihn über ein Jahr. Nur mit seinem Lieblingstransportmittel, einem Benzinkocher und dem absolut Wichtigsten bewaffnet, kämpft der Geophysik-Student 414 Tage gegen Hitze, Trockenheit, Wind und Wetter. Die Aufnahmen, die er dabei macht, werden später zu einem Kinofilm: „Anderswo – Allein in Afrika“, für dessen erstes Screening in Bonn ich gerade angekommen bin.

Kinoreisefeeling

Kurz bevor die Vorstellung anfängt fühle ich mich noch sehr zuhause. Der Kinositz in den ich mich einsinken lasse ist gemütlich, in meiner Hand liegt eine Flasche Pepsi, zu meinen Füßen eine Tüte Popcorn, über die heute Abend garantiert noch jemand stolpert – alles ist normal. Ich fühle mich bequem in meiner kleinen Blase des Alltags.

Doch der Film, den ich heute Abend sehe, ist kein gewöhnlicher Kino-Blockbuster. Nein, es ist generell kein traditioneller Film. Hinter ihm stehen keine Dutzenden von Schauspielern, keine Crew oder ein Kamerateam mit hochwertigem Equipment.

Alle diese Rollen übernimmt ein Mann, nutzt dabei nur eine kleine Sony Kamera. Anselm Pahnke, Student aus Hamburg, entscheidet am Tag nach der Abgabe seiner Bachelorarbeit genau dem Alltag den Rücken zu kehren, den ich gerade genieße. Er fliegt nach Südafrika, will den Kontinent mit dem Fahrrad durchfahren. Einfach so.

91 Minuten sehe ich ihn und seine beeindruckende Reise auf der Kinoleinwand. Ich erfahre, wie spontan die Entscheidung, die dazu führte, wirklich war und dass Anselm selbst am Anfang nicht wusste, wie lang die Reise denn gehen würde. Mit jedem neuen Sonnenaufgang packt er sein Zelt, schwingt sich aufs Fahrrad und radelt durch grüne Landschaften, dürre Savannen oder mitten durch einen Sandsturm in der Sahara. Zu Beginn sind noch zwei Freunde dabei, doch sie entscheiden relativ bald, aus privaten Gründen, das Unterfangen abzubrechen. Doch Anselm fährt weiter.

Ganz allein beginnt er seine Reise zu filmen und in die Kamera zu reden. Sie wird durch 15 Länder sein einziger fester Begleiter. Und jetzt die Zuschauer, die sich nun in dem daraus entstandenen Film so fühlen, als würde Anselm direkt zu ihnen sprechen. Ich gucke während der gesamten Zeit gespannt zu.

Als die Vorstellung zu ihrem Ende kommt wartet auf uns eine besondere Überraschung: Der Protagonist selbst läuft die Treppen des Kinosaals zur Bühne hinunter, ein Fahrrad in der Hand. Es ist dasselbe wie auf der Leinwand, unverändert und immer noch in Benutzung. Auch seine alte Kamera hat er dabei. Eine gute Stunde lang beantwortet Anselm Fragen aus dem Publikum und erklärt seine Philosophie.

Selbst vor Ort

Als die Gesprächsrunde zu ihrem Ende kommt und das Publikum aufbricht, bleibe ich noch etwas länger. Ich treffe Anselm persönlich und spreche mit ihm über seine Erfahrungen. Schnell wird klar, Anselm lebt nicht in der Vergangenheit und erst recht nicht in der Zukunft. Er lebt im hier und jetzt, lässt jeden Tag auf sich zukommen und plant nicht lang im Voraus. Das hat er von der Mentalität der Menschen in Afrika gelernt.

Während unseres Gesprächs geht es um erhöhte Schwierigkeiten auf der Reise, wie Malaria und Typhus, beides Krankheiten mit denen er sich ansteckte. Auch erwähnt der Hamburger, wie er während des gesamten Abenteuers kein Trinkwasser gekauft hat, sondern nur Wasser aus Quellen oder von Einheimischen getrunken hat – um sich verbundener mit den Menschen dort zu fühlen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt versuche ich unauffällig meine Pepsiflasche im Kinositz verschwinden zu lassen.

Me, Myself and I

Während des Gesprächs kommt ein Thema immer wieder auf, dass sich auch im Untertitel des Films wiederspiegelt: „Allein in Afrika“. So ist die Erfahrung, vollkommen allein mit sich und nur auf sich selbst angewiesen zu sein, etwas Neues für den Studenten. Er kommt nicht darum herum, sich einsam zu fühlen. Genau dieser Instinkt inspiriert ihn schließlich zu seinen Videoaufnahmen. Doch desto weiter die Reise geht, desto mehr lernt Anselm sich selbst zu schätzen und sich loszureißen von dem Gefühl, durch andere definiert zu sein. Er findet schlussendlich Ruhe darin, nur mit sich selbst zu sein. Hier differenziert er stark zwischen „Allein sein“ und sich „Einsam“ fühlen.

Als Anselm seine Reise durch Afrika in Ägypten beendet, denkt er nicht daran aufzuhören. Der Student fährt weiter, drei weitere Jahre lang, durch Asien. Später verschlägt es ihn nach Australien. Doch diese Reisen filmt er nicht mehr, er erlebt sie ganz für sich.

Erst vier Jahre nach seinem Aufbruch kehrt Anselm nach Deutschland zurück. Alte Freunde gucken sich seine Aufnahmen an und überzeugen ihn, daraus einen Film zu machen. Einige Monate später ist „Anderswo – Allein in Afrika“ in ganz Deutschland in den Kinos.

Einen Pedaltritt nach dem anderen

Anselm weiß noch nicht, was er in Zukunft machen wird. Aber das scheint er auch noch gar nicht wissen zu wollen. Einen Weg findet er ja immer. Erstmal tourt er mit seinem Film durch Deutschland, danach sieht er weiter. Zum Ende des Abends packe ich noch das Mikrofon aus und stelle ein paar konkrete Fragen. Über die nervigste Hürde auf der Reise, Anselms religiöse Ansichten und was für Musik man bei so einem Afrika-Trip hört – all das und vieles mehr wird im Interview thematisiert.

Persönliches Fazit:

“Anderswo – Alleine in Afrika” läuft am 10.02 und 17.02. im Rex hier in Bonn. Anselm ist bei dieser Vorstellung zwar nicht dabei, doch der Film bleibt sehenswert. Gerade seine direkte, persönliche Art lässt einen Afrika mal ganz anders erleben, um auch selbst seinem Alltag ein Stückchen zu entfliehen. Von mir gibt’s einen Daumen hoch. Also los, ab in die S-Bahn zum Kino. Oder vielleicht doch lieber mit dem Fahrrad?