You are currently viewing Übers Reden und Schweigen
Bild: Pauline Lantermann / bonnFM

Übers Reden und Schweigen

Lesezeit: 2 Minuten

die bonnFM Kolumne

Warum man Freundschaft nicht in Worten messen kann, Schweigen viel wert und ein Gespräch trotzdem unbezahlbar ist.

Freund¬schaft, die: auf gegenseitiger Zuneigung beruhendes Verhältnis von Menschen zueinander.

In acht Worten definiert der Duden das Konzept „Freundschaft“ und übertrifft sich selbst im Angesicht der Herausforderung, die gesamte deutsche Sprache zu kartographieren. Ob er damit der Weite des menschlichen Ideals gerecht wird, sei dahingestellt. In jedem Fall hat er uns bewiesen, dass man „Freundschaft“ in Worte fassen kann.

Schier unmöglich ist es hingegen, Freundschaft in Worten zu messen. Ich habe es neulich mal versucht und die Wortzahl des letzten Briefs gezählt, den mir eine Freundin aus Übersee zugeschickt hat. Hochgerechnet waren es etwa 1.380 Wörter. Aber wer bin ich, die Freude über einen langen Brief mit der Glückseligkeit eines kleinen, lieb gemeinten Klebezettels am Kühlschrank zu vergleichen? Man misst ja schließlich auch den Wert eines Buches nicht daran, wie viele Seiten es hat.

Gut ist, wenn man mal die Klappe hält

Denn was bei dem Quantifizieren von „gegenseitiger Zuneigung“ (wie der Duden es so schön ausdrückt) vollkommen vergessen wird, ist die gemeinsame Stille, die wie ein Absatz zwischen zwei Paragraphen fällt. Awkward Silence, oder unangenehme Stille, scheint allerdings zu den universellen Ängsten unserer Generation zu gehören. Die Angst ist so allumfassend, dass ich beim Googlen des Begriffs auf eine Webseite gestoßen bin, die ein Abonnement für gute Konversationsanfänge anbietet. Gegen Geld, wohlgemerkt. Hat man hier Stille zum Kapital gemacht? Ja. Aber warum ist uns Stille manchmal so unangenehm? Wenn man sich über das Wetter, den Seminarplan und das schlechte Mensaessen unterhalten hat, folgt meistens ratloses Schweigen. Man starrt nur so vor sich hin und denkt sich ‘Mensch, über irgendwas müssen wir doch reden können… ach ja, Brexit gibt’s auch noch…’.

Dabei sind die kurzen oder längeren Gesprächspausen nichts Schlimmes, sondern erlauben uns ein paar Gedanken zu sammeln, bevor wir die Luft wieder mit Worthülsen füllen. Wer ein paar Sekunden länger aushält, in denen nicht gesprochen wird, findet womöglich deutlich interessantere Gesprächsthemen. Stille könnte ein wirksames Mittel gegen den seichten Smalltalk sein, den ich für meinen Teil noch unangenehmer finde als jede Stille.

Besser ist, wenn man die richtigen Worte findet

Das bedeutet allerdings nicht, dass wir gar nicht mehr miteinander reden sollten. Egal, ob man viele oder wenige Worte braucht, es zwischen Übung und Vorlesung macht, oder lieber mitten in der Nacht, wenn die Dunkelheit uns die Angst vor awkward silence und noch unangenehmeren Gesprächen nimmt: Konversation ist, was uns bindet. Sie ist die Währung, in der Geheimnisse getauscht, Liebesbekundungen verzinst und Bündnisse besteuert werden. Es ist die Summe von Worten (ob 1.380 oder weniger), von Schweigen und von „gegenseitiger Zuneigung“ (danke, lieber Duden), die ein Gespräch unter Freunden so unbezahlbar macht.