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Uni ist nicht wie bei Natürlich Blond…und hört auf so zu tun als ob

Lesezeit: 3 Minuten

Wer sein Studiengang wechselt ist ein Hänger. Du hast dein Studium abgebrochen? Dann bist du gescheitert. Studieren ist nicht so romantisch, wie man es sich vorstellt und bei der Auswahl des richtigen Studiums kann man gewaltig daneben greifen. Unsere Autorin und Serienwechslerin schreibt darüber, warum wir anfangen müssen anders über Studiengangwechsel und – abbrüche zu denken.

Sobald ich wusste, dass ich studieren will, habe ich mir jeden Tag ausgemalt wie das wohl sein wird, wenn es so weit ist. Ich dachte ich würde mit meinen Freund*innen in altehrwürdigen Bibliotheken und Hörsälen sitzen, schlauen Professor*innen zuhören und die dicksten, spannendsten Bücher lesen. Und ich dachte ich würde dort alles Wissen aufsaugen, endlich durchstarten (nachdem das mit dem durchstarten in der Schule nicht so gut funktioniert hat). Ich dachte ich würde mich für einen Studiengang entscheiden, für den ich brenne und den ich nicht abbrechen will. Aber das tat ich dann doch. Gleich zwei Mal. Ich würde lügen, wenn ich sage ich bin nach meinem zweiten Studiengangwechsel nicht immer noch hin und wieder mal am überlegen, ob ich nicht doch wieder wechseln möchte. Ja genau, ein drittes Mal. Drei Mal wäre schon arg exzessiv, oder? Stimmt irgendwas nicht mit mir? Man könnte meinen, dass man nach dem ersten Studiengangwechsel schlau genug sein müsste, sich im zweiten Anlauf für das richtige Fach zu entscheiden. Man könnte auch meinen, dass man allerspätestens nach dem zweiten Wechsel sich nun wirklich richtig entscheidet.

Auch das zweite Mal wechseln vertreibt die Zweifel nicht

Ich habe mein gleich zwei Mal das Fach gewechselt und fühle mich immer noch fehl am Platz. Das hat viele Gründe. Dass das in Teilen auch mit dem C-Wort und dem Online-Semester zu tun hat, ist sehr wahrscheinlich, aber es ist nunmal nicht der einzige Grund. Es gibt Phasen, da macht mir mein Studium einfach keinen Spaß, ich fühle mich häufig nicht schlau genug, nicht „akademisch“ genug. Wenn ich darüber nachdenke komme ich nicht umhin mich wie eine Versagerin zu fühlen. ‚Ich bin gescheitert‘, denke ich in diesen Phasen dann immer.

Wenn ich jemandem erzähle, dass ich mittlerweile schon zwei Mal meinen Studiengang gewechselt habe, reagieren die meisten Menschen gleich. Nämlich mit einem klassischen „Was?! Wirklich? Das hätte ich mich ja nie getraut“. Mit einem mitleidigen Blick. ‚Die Arme kriegt ihr Leben nicht in den Griff‘, denken sie dann bestimmt. Ich bin mir sogar sicher einen Hauch Verurteilung in ihren Augen zu sehen. Studiengangwechsel haben aber genau dieses Geschmäckle. Das Geschmäckle des 10-Jahre-Studiums, des Misserfolgs, des „Losertums“ und des wirren, unattraktiven Lebenslaufs. Das klingt doch furchtbar. Wie sollen Menschen „das Richtige“ für sich finden, wenn solch ein Stigma um Studiengangwechsel, Studienabbrüche und und unkonventionelle Studiengangverläufe herrscht? Beim ersten Anlauf nach dem Schulabschluss zu wissen, was man die nächsten 40-50 Jahre seines Labens machen will ist nahezu unmöglich. Ist diese Zeit nicht eigentlich genau die Zeit, in der man sich selbst ausprobiert, sich neu kennenlernt, die eigenen Grenzen austestet und herausfindet wer man überhaupt ist? Wenn das doch so ist, warum wird ein Tapetenwechsel dann als so schlimm oder mutig angesehen? Wir sollten Studierende dazu ermutigen ihren Studiengang zu wechseln, wenn es das ist, was sie wollen. Sie besser informieren und ihnen unter die Arme greifen, wenn sie darüber nachdenken. Nach dem ersten Fehlversuch, nach dem zweiten und dritten, Herrgott auch nach dem 8. Wechsel, wenn es sein muss!

Ein Wechsel bringt auch immer neue Chancen

Dabei sollten wir diese Zweifel nicht als Scheitern, sondern als Chance verstehen. Eine Chance neue Erfahrungen zu sammeln, eine Chance neue erste Male zu erleben, neue Leute kennenzulernen und sich selbst, seine Kraft und die eigenen Fähigkeiten neu zu entdecken. Wenn wir nach einiger Zeit an etwas zweifeln, was möglicherweise das nächste halbe Jahrhundert unseres Lebens mehr oder weniger bestimmt und das als Scheitern und nicht als Erfolg und Selbstbestimmtheit angesehen wird, wie sollen wir lernen an uns selbst zu glauben?

Ich habe mein Fach zwei mal gewechselt, ich brauche nicht mehr lange um scheinfrei zu sein und der Wunsch meinen Studiengang zu wechseln ist manchmal echt riesengroß. Ob der Wunsch so groß ist zu wechseln, dass es tatsächlich das richtige in dieser Situation ist, weiß ich bis heute nicht. Was ich weiß, ist, dass mein „Mut“ das zu tun allerdings überhaupt nicht riesengroß ist. Einen dritten Wechsel traue ich mir nicht zu. Wie heuchlerisch, merke ich grade. Ich befürworte Studiengangwechsel, wie keine Zweite und traue es mich aber selbst nicht erneut, predige Glauben an sich und seine Entscheidungen, habe das aber selbst noch längst nicht gelernt.

Hier könnt ihr euch informieren

Um zu Studierende und Zweifler*innen zu empowern und zu informieren, sind Veranstaltungen und Beratungsstellen so wichtig. Genau deshalb findet zwischen dem 18. und dem 22. Januar die Themenwoche „Zweifel am Studium?“ statt. Während dieser Themenwoche werden verschiedene Veranstaltungen von universitätsinternen und externen Unterstützer*innen zum Thema Studienzweifel, Studiengang/Hochschulwechel und Sudienausstieg angeboten. Außerdem bietet die Studiengangberatung der Uni Bonn auch außerhalb der Themenwoche Beratungen an. Weitere Infos findet ihr unter https://www.uni-bonn.de/studium/themenwoche-zweifel .

Viel Glück damit, ihr Hänger.