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Fluch oder Segen der Unsterblichkeit? Ein philosophisches Plädoyer für mehr Menschlichkeit

Lesezeit: 2 Minuten

Matt Haigs Roman „Wie man die Zeit anhält“ philosophiert über die Bedeutung von Zeit, Menschlichkeit und Liebe. bonnFM verrät euch, wie 400 Jahre in ein Buch passen.

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Ein Geschichtslehrer, der im Unterricht aus erster Hand berichtet: Er hat für Shakespeare gearbeitet, er hat mit Captain Cook die Weltmeere bereist und er hat mit Zelda und F.Scott Fitzgerald in den Roaring Twenties Bloody Marys gezischt. Tom Hazard ist definitiv kein normaler Typ. Und erst recht kein normaler Lehrer. Er sieht zwar aus wie ein gewöhnlicher Mittvierziger, hat aber schon 400 Jahre auf dem Buckel.

Hilfe, ich bin 20 und sehe aus wie ein Dreizehnjähriger!

Die unerklärliche ‚Unsterblichkeit‘ oder zumindest verzögerte Alterung des Protagonisten bringt natürlich einige Probleme mit sich. Mit dreizehn Jahren hört Tom nämlich auf normal zu altern. Nun müssen erst zehn Jahre ins Land streichen bis Tom ein Jahr älter aussieht. Für wen wäre diese verlängerte Phase der körperlichen Pubertät nicht der reinste Albtraum? Neben zehn Jahre anhaltendem Stimmbruch, muss Tom auch noch gegen den engstirnigen Hass des Mittelalters ankämpfen, das sich gerade mitten in der Hochphase der Hexenverfolgung befindet. Um seine Angehörigen nicht in Gefahr zu bringen, entschließt Tom sich dazu seine Identität ständig zu wechseln und umzuziehen. Dieses Lebenskonzept gerät erst dann ins Wanken, als er sich in die Französischlehrerin Camille verliebt.

Ein Plädoyer für mehr Menschlichkeit und für die Liebe

Matt Haig ist mit „Wie man die Zeit anhält“ ein nachdenklicher Roman über das Wesen des Menschen gelungen. Er weist auf menschliche Makel hin, die sich durch die Jahrhunderte hinweg immer wieder und wieder wiederholen. Trotzdem formuliert sich im Laufe der Geschichte ein philosophisches Plädoyer für mehr Menschlichkeit und für die Liebe.

Temporeich und spannend wechseln sich Kapitel über Toms Gegenwart mit Episoden aus seiner abenteuerlichen Vergangenheit ab. Real existierende Persönlichkeiten werden mit fiktiven Situationen kombiniert, wobei eine Menge Situationskomik entsteht, die Leserinnen und Lesern ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Die Verknüpfung der Anekdoten mit der Rahmenhandlung sorgt nicht nur für einen roten Faden durch die Erzählung, sondern vermittelt sich dadurch ein authentisches und originelles Gesamtwerk.

Haigs Protagonist entfaltet sich während der Geschichte zu einem komplexen, sehr realistischen Grübler, der trotz seiner unglaublichen Lebenserfahrung seinen Glauben ans Gute und seine Menschlichkeit im positivsten aller Sinne bewahren konnte. „Wie man die Zeit anhält“ ist eine inspirierende Geschichte, die Philosophie und Dramatik gekonnt miteinander verbindet.

Matt Haig: Wie man die Zeit anhält, dtv: 2018, 384 Seiten, ISBN 978-3-423-28167-6. Auch als E-Book erhältlich.