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bild: bonnFM

Wir müssen mehr über sexuelle Belästigung sprechen – auch an der Uni!

Lesezeit: 4 Minuten

Im Laufe der letzten Woche ist ein Thema besonders präsent in unseren Instagram- und Twitterfeeds gewesen, und das ist sexuelle Belästigung gegen Frauen. Ausgelöst wurde die Debatte von dem 15 Minütige Beitrag „Männerwelten“ von Pro7 und Joko und Klaas. Aber wie sieht es eigentlich an der Uni Bonn aus? Um das herauszufinden habe ich mit Sandra Hanke, der zentralen Gleichstellungsbeauftragten der Uni Bonn gesprochen. Es ging um die Frage, warum so wenige Betroffene Hilfe suchen, was es für Möglichkeiten gibt, was die Uni Bonn bereits gegen sexuelle Belästigung tut und was noch getan werden sollte.

„Es wird bitter.“ So beginnt Männerwelten. Eine fiktive Ausstellung, für die vergangenen Mittwoch während der Primetime auf Pro7 15 Minuten Sendezeit  freigeräumt wurden. In diesem Beitrag haben Frauen eine Plattform bekommen, um über Ihre Erfahrungen mit sexueller Belästigung, Sexismus und Vergewaltigung zu sprechen. Und ohjemine, es ist bitter, denn der Beitrag hat es in sich.

Es ist sehr nett, dass Frauen einen 15 minütigen Slot bei einem privaten Fernsehsender bekommen, aber das reicht nicht. Es reicht nicht, wenn Frauen hin und wieder mal die Möglichkeit bekommen ihre Wunden zu präsentieren. Als dürften sie sich ab und an etwas abreagieren. Und wenn es dann so weit ist, will plötzlich jeder mal hinschauen, auf dem Verband unterschreiben und dann noch sagen wie leid Frauen ihnen doch tun. „Ich wusste gar nicht, dass das so extrem ist. Ihr Frauen seid so stark, dass Ihr das aushaltet.“ Das hat ein männlicher Freund zu mir gesagt als ich ihn gefragt habe, ob er das Video schon gesehen hat. Wir müssten euch gar nicht so leid tun, wenn ihr beim nächsten Mal, wenn euer Kumpel einen sexistischen „Witz“ macht, nicht mitlacht und nicht wegseht. Ihr bräuchtet gar nicht so viel Mitleid zu haben, wenn ihr darüber nachdenkt, dass ihr ein bisschen daran beteiligt sein könntet, dass diese Wunden überhaupt erst da sind. Genau deshalb reichen 15 Minuten und eine Social Media Debatte, die alle paar Jahre hochkommt, nicht aus. Das reicht nicht und deshalb müssen wir oft und regelmäßig darüber sprechen, sensibilisieren und entstigamtisieren. Es handelt sich dabei nicht um Einzelfälle, bei denen eine Frau Nachts in den Busch gezerrt wird. Sexuelle Belästigung passiert zu Hause, im Job oder im Alltag.

„Die Uni ist kein von der Gesellschaft abgeschlossener Raum“

Und der Alltag von den meisten von uns ist die Uni und ja, an der Uni Bonn – so wie an allen anderen Hochschulen auch – ist sexuelle Belästigung ein Thema. Dafür wie groß das Thema eigentlich ist, wird im universitären Kontext allerdings nur sehr wenig darüber gesprochen.

 Jede zweite bis dritte Frau in Deutschland hat sexuelle Belästigung erlebt. Laut der Antidiskriminierungsstelle des Bundes erfährt jede 11. Person sexuelle Belästigung im Job. Zwar können diese Statistiken nicht eins zu eins isoliert auf den universitären Kontext bezogen werden, jedoch „ist die Uni kein von der Gesellschaft abgeschlossener Raum, deshalb passiert sexuelle Belästigung natürlich auch dort“, sagt Sandra Hanke, zentrale Gleichstellungsbeauftragte an der Uni Bonn. Es sei allerdings schwierig konkrete Zahlen zu nennen, da die Dunkelziffer sehr hoch ist. Aber muss es überhaupt im Uni-Gebäude oder auf dem Campus passiert sein, damit es als sexuelle Belästigung im universitären Kontext gilt? „Es ist schwierig das zu generalisieren, vor allem wenn es um einen semi-privaten Bereich geht“, betont Hanke. Auch wenn es außerhalb des universitären Alltags stattfindet (z.B. nach einer universitären Veranstaltung, oder auf einem Kongress auf den man gemeinsam mit Kommilitonen oder Kollegen fährt), kann das Gleichstellungsbüro der Uni Bonn immer konsultiert werden. Ob die Universität tatsächlich aktiv gegen so einen Fall vorgehen kann, soll im Einzelfall geprüft werden.

Beratungsangebote an der Uni Bonn

Allerdings suchen laut Sandra Hanke nur wenige Betroffene das Gleichstellungsbüro der Uni Bonn auf, um Hilfe in Anspruch zu nehmen. Das hat viele verschiedene Gründe. Unter anderem „ist die Einordnung von dem, was passiert, ist für Betroffene sehr schwierig“, sagt Hanke. Man fühlt sich entwürdigt, gekränkt und man schämt sich. Vor allem wenn die Person, der man davon erzählt, einen nicht ernst nimmt oder auslacht. Aussagen wie „komm, stell dich nicht so an“ oder „du überreagierst“ ist genau die falsche Reaktion. Hanke erklärt, dass „viele Betroffene dann denken, sie müssen das jetzt irgendwie aushalten und wenden sich deshalb nicht an Beratungsstellen.“ Ich will mich nicht lächerlich machen und deshalb wehre ich mich nicht. Dabei ist es wichtig, dass man in so einer Situation nicht alleine ist. Lasst eure Kommentare beim nächsten mal am besten für euch und seht zu, dass sich die Person, die sich euch anvertraut hat, von euch ernst genommen wird.

Hinzu kommt, dass vielen gar nicht bewusst ist, dass man sich in so einem Fall Hilfe an der Uni suchen kann, und dass es dort ziemlich viele Beratungsangebote gibt. Dazu gehören beispielsweise das Gleichstellungsbüro der Uni Bonn, das Referat für Frauen und Geschlechtergerechtigkeit des AStA, die Gleichstellungsbeauftragten eurer Fakultät oder beim Dezernat für Personalmanagement. Sandra Hanke versichert: „Es ist nie zu spät, eine Beratungsstelle aufzusuchen.“ Sie berät sogar Menschen bei denen der Vorfall mehrere Jahre zurückliegt. Außerdem berät das Gleichstellungsbüro nicht nur Frauen, sondern Menschen jeden Geschlechts. Mit Betonung auf Gleichstellung.

Was tut die Uni Bonn gegen sexuelle Belästigung?

Über die Beratungsangebote hinaus, hat die Uni Bonn 2018 die Kampagne Klare Worte finden – sexuelle Belästigung stoppen! gestartet. Laut des Gleichstellungsbüros der Uni Bonn sollen dadurch „Mitglieder und Angehörige der Universität […] ermutigt werden, sexuelle Belästigung, sexualisierte Diskriminierung und Gewalt nicht hinzunehmen, sondern ihre Ablehnung unmissverständlich deutlich zu machen und aktiv dagegen vorzugehen bzw. sich zu wehren.“

Außerdem wird ein Selbstbehauptungstraining für Frauen angeboten. Bei diesen Kursen gehe es allerdings weniger darum zu lernen, wie man sich im Ernstfall verteidigt, sondern vielmehr um Empowerment, stellt Hanke klar. „Es geht einfach darum, dass viele Personen die Opfer von sexueller Belästigung werden, von der Situation eingeschüchtert sind und gar nicht wissen, wie sie darauf reagieren können. Es ist absolut Hilfreich in diesen Kursen darüber zu sprechen.“

Trotzdem muss noch einiges getan werden. Dazu gehört auch die Erneuerung der Richtlinien zum Umgang mit sexueller Belästigung an der Universität Bonn. Wenn die Richtlinien zur Nutzung des Uni-Wlans ausführlicher sind, als die zum Umgang mit sexueller Belästigung, dann wird klar, dass es noch Luft nach oben gibt.