Die US-amerikanische Musikerin St. Vincent inszenierte sich am 8. Juli in der Live Music Hall als düstere Rock-Queen – doch immer mit einem leichten Augenzwinkern und spürbarer Nähe zum Publikum.
St. Vincent ist bereits seit Jahren eine der führenden Frauenfiguren in der Rock- und Alternative-Szene. 2024 erschien ihr siebtes Album All Born Screaming. Während sie bei ihren vorherigen Alben die Songs co-produzierte, übernahm sie diesmal die Produktion in Eigenregie und gewann für All Born Screaming gleich drei Grammys. Mit dem prämierten Album tourt die Multiinstrumentalistin momentan durch die Welt.
Bei ihrem Stopp in Köln eröffnet zuerst die Punk-Band Gustaf den musikalischen Abend. Die Leadsängerin Lydia Gammill sorgt mit einem lauten Aufschrei dafür, dass alle Blicke nach vorne gerichtet sind. Mit viel Power und starken Klängen heizen die New Yorker dem Publikum ein. Mit einem musikalischen Richtungswechsel, aber nicht weniger exzentrisch, startet dann St. Vincent ihr Konzert.
Charismatisch führt St. Vincent durch den Abend – und küsst sogar die Security
Ganz in Schwarz gekleidet – mit Minirock, durchsichtiger Bluse und metallischem Lidschatten – wirkt St. Vincent wie eine Prophetin, die aus den Schatten tritt und deren Antlitz von hellen Lichtblitzen erleuchtet wird. Mit hypnotischer Stimme singt sie der erwartungsvollen Menge Reckless zu. Die Anspannung ist deutlich zu spüren. Beim Einsatz des Schlagzeugs brechen dann alle Dämme. St. Vincent streckt die Arme nach den Fans aus und gibt sich der Ekstase hin.
Mit St. Vincent hat die Texanerin Annie Clark wahrlich eine Kunstfigur erschaffen, die weiß, wie man ein Publikum fesselt. Dies gelingt ihr auch ganz ohne Visuals im Hintergrund oder Backgroundtänzer:innen. In Köln interagiert St. Vincent immer wieder mit dem Publikum. Als sie den weißen Verband zeigt, der ihren Unterarm verdeckt, scherzt die Sängerin, sie habe sich „MRSA” eingefangen. Den teils verwirrten Fans muss sie daraufhin erklären, dass es sich dabei um eine Infektion handelt, die man sich in Krankenhäusern holen kann. Zur allgemeinen Erleichterung hatte sie sich jedoch nur beim vorherigen Auftritt in Utrecht den Arm aufgeschürft. Während des sentimentalen Songs New York kommt sie dann ihren Fans an der Barrikade ganz nah und setzt sich sogar einige ihrer Hüte auf. Anschließend springt sie in die Arme des verdutzen Security-Mannes und drückt ihm einen Kuss auf die Stirn.
St. Vincent zählt zu den größten Gitarrist:innen aller Zeiten
Ein großer Anziehungspunkt von St. Vincents Show sind auch die talentierten Musiker:innen, die sie begleiten. Mark Guiliana, der am Schlagzeug brilliert, ist selbst ein Grammy-nominierter Künstler. Jason Falkner, der bereits mehrfach mit Beck zusammenarbeitete, zeigt auf der Bühne eine elektrisierende Chemie mit St. Vincent. Zusammen krabbeln sie auf dem Boden herum und spielen gleichzeitig noch weiter auf ihren Instrumenten. Dabei muss auch St. Vincent ihr Können nicht verstecken. Die 42-Jährige wurde 2023 vom Rolling Stone auf Rang 26 der größten Gitarrist:innen aller Zeiten gelistet.
Lasziv gibt St. Vincent noch den Blues zum Abschluss
Während ihres Konzerts beweist St. Vincent, wie mühelos sie zwischen den Genres Artrock, Elektronik und Experimental Pop wechseln kann. Ihre Vielseitigkeit als Songwriterin hat sie bereits in der Vergangenheit bei Kollaborationen mit anderen Künstler:innen unter Beweis gestellt. Beispielsweise hat sie mit Taylor Swift den Hit Cruel Summer geschrieben. Nach dem kathartischen Finale von All Born Screaming, das schon einer Transzendenzerfahrung nahekommt, kehrt die Musikerin zur Zugabe auf die Bühne zurück. Mit Zigarette in der Hand und einem sinnlichen Lächeln singt sie verführerisch Candy Darling. So endet die aufregende Nacht schließlich zu den sanften Blues-Klängen des Keyboards.
