Als ich das erste Mal von Aarhus gehört habe, damals in Zusammenhang mit dem Erasmus Aufenthalt meiner Freundin Amelie, konnte ich die Stadt überhaupt nicht einordnen. Dänemark, ja okay, aber das wars dann auch. Nun bin ich vor wenigen Wochen selbst dort gewesen, zusammen mit Amelie, ihrer Schwester und ihrem Freund. Amelie wollte unbedingt vor Ort zeigen, was sie an der Stadt fasziniert hat- und hat mich voll überzeugt.
Die Fahrt verläuft reibungslos, nach etwa zehn Stunden und zwei Umstiegen in Hamburg und Kolding erreichen wir den Bahnhof Aarhus. Von unserem Startpunkt – Köln – sind es knapp 800 Kilometer bis zur Hafenstadt an der Ostseeküste Dänemarks.
Nochmal 20 Minuten zu Fuß, dann erreichen wir unsere Wohnung für die kommenden Tage: Erdgeschoss, Holzboden, geschmackvoll eingerichtet. Sie liegt in einer kleinen Seitenstraße, in einem ruhigen Viertel zwischen Universität und Innenstadt. Es ist durchzogen von breiten Straßen und alten Backsteinfassaden. Von hier aus erreichen wir ziemlich alles zu Fuß – allerdings nicht mehr am ersten Abend.

Der nächste Tag beginnt mit einem feinen Nieselregen und geschlossener Wolkendecke – der einzige Regentag auf unserer sechstägigen Reise. Die Stimmung ist bei meiner morgendlichen Joggingrunde dementsprechend eher gedämpft. Einige Fahrräder sind dennoch unweit der Universität unterwegs, dessen Park ich quere. Es ist ein schönes Gelände. Eine Ansammlung heller Backsteingebäude, deren Fassaden von Efeu gesäumt werden, dazwischen gepflegte Rasenflächen, durch die sich ein kleiner Bachlauf zieht. Nach diesen ersten Eindrücken der Universität, die sich übrigens noch auf weitere Teile der Stadt erstreckt, starten wir den Tag mit einem Frühstück in der Stadt: richtig gute Zimtschnecken und Croissants. Allerdings für umgerechnet jeweils vier Euro. Gelohnt hat es sich trotzdem – Lebensmittel sind in Dänemark allgemein nicht billig.
Tagsüber klappern wir dann noch ein paar Läden in der überschaubaren Innenstadt ab. Die Auswahl ist dabei besonders in den Bereichen Mode und Design ziemlich groß und erinnert uns ein bisschen an Kopenhagen.
Die Friday Bars: Feiern unter dänischen Studenten
Gegen Abend machen wir uns auf den Weg zum ersten studentischen Highlight – ein echter Insidertipp. Die sogenannten „Friday bars“ sind von den jeweiligen Fachschaften organisierte Partys und finden in den Räumlichkeiten der Universität statt. Der Eintritt dieser wöchentlichen Veranstaltungen ist frei, die Getränkepreise überschaubar. Amelie führt uns durch die verschiedenen Gebäude, überall hören wir Musik, treffen auf Studierende. Sie verbindet mit diesen Bars viele besondere Momente während ihres Erasmus Aufenthalts:
„Für mich waren die Friday Bars einfach ein fester Bestandteil von meinem Alltag und immer so ein fixer „Termin“ in meiner Woche, auf den man sich gefreut hat und verlassen konnte. Egal, wie stressig oder anstrengend die Woche war.”
Mich beeindruckt vor allem die Organisation der Studierenden. Es gibt ein Bezahlsystem mit Karte (generell wird in Dänemark fast kein Bargeld mehr verwendet). Die Räume sind perfekt auf das Feiern ausgelegt, teilweise sogar mit Theke, Zapfhahn und improvisierter Tanzfläche.
Besonders hervorzuheben ist die einmalige Semesterauftaktparty der Medizinischen Fakultät. Gegen ein paar Euro Eintritt mischen wir uns unter die feiernden Studierenden. Es ist brechend voll, in einem Raum im oberen Stockwerk finden wir dann einen Spot mit Live-Musik. Dänische Studierende performen frei heraus einen wilden Song Mix aus dänisch und englisch, die Menge tobt – zurecht.
Von den 300.000 EinwohnerInnen der Stadt sind über 30.000 Studierende. Die vielen jungen Leute prägen das Stadtbild: In den Folgetagen sind wir jeden Abend draußen unterwegs. Nicht nur in den Bars, sondern auch auf den Straßen herrscht Feierstimmung bis tief in die Nacht.
Auch abseits des Studentenlebens merken wir schnell, dass die Stadt total lebendig ist und treffen im Laufe der Tage auf verschiedene kulturelle Events.
Direkt am Hafen findet ein großes Sport Event statt, wir schlendern am Vormittag unseres dritten Tages über das riesige Gelände, auf dem die verschiedensten Sportarten ausgetragen werden – mal bekannter, wie Kraftsport oder Volleyball – mal weniger, wie Armdrücken oder Speedklettern.
In der Altstadt tauchen gegen Abend an vielen Ecken DJs allen Alters mit Mischpulten auf, die live in den Straßen auflegen. Am darauffolgenden Tag kommen wir an einem großen Food Festival vorbei. Wir finden erst hinterher heraus, dass vieles davon im Rahmen des sogenannten Aarhus Festuge stattfindet. Von Sport über Musik bis hin zu Kulinarik bietet das Festuge ein breites Angebot. Es ist das jährlich wiederkehrende, zehntägige Kulturfest der Stadt Aarhus und zieht in diesem Zeitraum bis zu eine Millionen BesucherInnen an.
Marselisborg: Strand, Park und Schloss
Am Sonntag (mittlerweile Tag vier) beschließen wir, den ganzen Trubel hinter uns zu lassen, leihen uns Fahrräder und fahren gute 20 Minuten entlang der Küste Richtung Süden. Ziel ist der Strandabschnitt Marselisborg. Ein frischer Wind weht vom Meer, die Lufttemperatur entspricht mit 17 Grad Celsius in etwa der des Wassers. Das hält die DänInnen allerdings nicht vom Schwimmen ab – und mich auch nicht. Als einziger von uns Vieren wage ich mich kurz rein, bin allerdings auch schnell wieder draußen.
Der dichte Wald direkt hinter dem schmalen Strand wirft am frühen Nachmittag bereits erste Schatten auf den Sand. Dementsprechend machen wir uns auf den Weg zurück Richtung Stadt.
Wir fahren durch die Parkanlagen des Marselisborg Schlosses, dem Sommerhaus der dänischen Königsfamilie. Es ist eine wirklich schöne Strecke, immer wieder mit Blick auf die heute tiefblaue Ostsee. Dieser kurze Ausflug zum Strand hat uns wirklich begeistert, besonders die Ruhe und die Natur – und das alles relativ nah am Stadtzentrum gelegen.
Am letzten Tag steht das ARoS Museum auf dem Plan. Amelie (als Kunstgeschichtsstudentin) möchte uns das Museum unbedingt zeigen. Mich fasziniert vor allem die Architektur: Eine lange Treppe führt hinauf zum Eingang. Der liegt im ersten Stock des wuchtigen Gebäudes. Oben drauf, in 43 Metern Höhe ist das sogenannte „Your rainbow panorama“ von Ólafur Elíasson installiert. Wie der Name schon andeutet, handelt es sich um einen bunten Glas Rundgang, unter dem sich die Stadt in alle Richtungen erstreckt. Ausblicke über Aarhus gibt es übrigens auch kostenlos vom Dach des Einkaufszentrums Salling, das ist architektonisch ähnlich beeindruckend wie das Hafenviertel Aarhus Ø.


Nach diesem kleinen Exkurs zur Architektur der Stadt, nun nochmal kurz zum Museum zurück. Es bietet einen abwechslungsreichen Mix aus Rauminstallationen, Bildern und Video-Projektionen. Vor allem die Installationen erzeugen ganz besondere unterschiedliche Vibes: Im sogenannten Storm Room entsteht plötzlich der Eindruck, draußen tobe ein starkes Gewitter. Das amerikanische Künstlerduo Freeman und Lowe hingegen lässt uns ein historisches und offenbar verlassenes Filmset betreten, spielt dabei in verschiedenen labyrinthischen Räumen mit “historischen und fiktiven Erzählungen”, so die Beschreibung des Museums. Für diese unterste Etage nehmen wir uns viel Zeit, aber auch die darüberliegenden Stockwerke gefallen uns. Aufgrund des landesweiten Kulturangebots K7 ist der Eintritt für das Museum übrigens kostenlos. Dieses Angebot umfasst über 200 dänische Kulturinstitutionen und gilt für die Kalenderwoche 37.
Wir lassen unseren letzten Tag im botanischen Garten ausklingen und bestellen uns abends Pizza bei einer kleinen Bude zwei Häuser weiter. So ziemlich das, was man in Dänemark unter Hygge versteht – also in gemütlicher Runde zusammensitzen und Zeit verbringen, auch die kleinen Dinge genießen.
Auch wenn die Zeit in Aarhus generell sehr voll war – geprägt von langen Tagen und vielen Eindrücken – hat uns dieses Gefühl der Gemütlichkeit und des Zusammenseins immer begleitet.
Sei es beim morgendlichen Brunch in der Uni-Bibliothek, wenn dort nicht nur Studierende, sondern auch Familien und ältere Leute zusammenkommen, beim Feiern in den Friday Bars oder der abendlichen Atmosphäre in der Innenstadt.
Die Kulturhauptstadt von 2017 hat viel von dem, was eine Stadt lebenswert macht. Einiges davon haben wir auf unserer Reise selbst erleben können. Dabei ist es gar nicht so entscheidend, ob ihr als StudentIn hinkommt, als Familie, als RentnerIn. Die Vielfalt und Offenheit der Stadt macht es einem leicht, anzukommen, egal ob Erasmus-Semester oder Kurzurlaub.
Überzeugt euch selbst…
