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Bild: Georges Biard, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=49302918

Ein rätselhaftes Ende der Welt

Lesezeit: 3 Minuten

Einfach das Ende der Welt von Xavier Dolan läuft seit dem 29. Dezember bei uns in den Kinos und gewann auf den Filmfestspielen von Cannes den Großen Preis der Jury. Der Film macht allerdings auch deutlich, warum ihm der Publikumspreis fern blieb.

In Einfach das Ende der Welt kehrt der verboten schöne Gaspard Ulliel in der Rolle des Louis nach zwölf Jahren zu seiner Familie zurück, um ihnen mitzuteilen, dass er todkrank ist. Dazu wird er allerdings nie kommen, denn viel mehr als „Ich hab euch was zu sagen“ bringt Louis nie über die Lippen.

Eine schrecklich asoziale Familie

Zu Beginn betritt Louis das Haus, das er etliche Jahre nicht mehr gesehen hat und wird von seiner skurrilen Familie begrüßt. Es folgt eine Szene, bei der man glaubt, man sei versehentlich in eine Horror-Groteske hineingestolpert: die Maske der Schauspieler ist so aufdringlich, dass das unmöglich Ernst gemeint sein kann. Nach ein paar Minuten stellt sich heraus: nein, kein Horrorfilm, die Spieler sollen bloß eine sozial schwache Unterschichtenfamilie darstellen. Deswegen sind die Lippen der Mutter knallrot übermalt und um die Augen der Frauen haften lilablaue Lidschattenkreise, die an Clowns erinnern.

Folglich bedient diese Familie alle Klischees: hier raucht jeder, vorzugsweise drinnen. Und cholerisch geschrien wird  ebenfalls. Am Besten kann das Vincent Cassel in seiner Rolle als Antoine. Er flucht unentwegt und ist die einzige Figur, die klare Sätze aussprechen kann, ohne davor zwei Minuten lang herumstammeln zu müssen. Stottern ist bei den anderen Figuren nämlich angesagt. Während sie versuchen, mit Louis ein Gespräch aufzubauen (was nicht passiert, denn Louis bringt nie mehr als drei Wörter über die Lippen), versuchen sie zwei Stunden lang Sätze zu formulieren. Fraglich ist, warum Catherine, Antoines Frau, die Louis zum ersten Mal sieht, von Marion Cotillard so extrem nervtötend-stotternd gespielt wird. Schließlich sieht nicht sie, sondern die anderen Figuren ein verlorenen gegangenes Familienmitglied wieder. Sie trifft jemanden zum ersten Mal, da braucht man nun wirklich nicht so aufgeregt zu sein.

Nachdem also jedes Familienmitglied schön hintereinander – frei nach dem Motto „Jeder kommt einmal dran“ – mit Louis sprechen, äh ‚tschuldige, stottern darf, kommt es in der letzten Szene zum Showdown. Hier wird Louis von seinem Bruder Antoine dazu gezwungen, das Haus zu verlassen und alle weinen, schreien und bangen darum, ihren langersehnten Louis wieder zu verlieren.
Doch urplötzlich sind sich alle einig, dass eine Verabschiedung sinnvoll sei und Louis wird im Hausflur allein gelassen, während alle anderen fluchtartig ihrer Lieblingsbeschäftigung nachgehen (rauchen, was sonst). Eine groteske Szene, in der man beinahe ein wenig lachen muss. Und so verlässt Louis das Haus, ohne gesagt zu haben, warum er gekommen ist. Man erfährt nicht, warum er sterben muss. Krebs? Aids? Viele Fragen bleiben offen: Warum ist Antoine eigentlich so wütend auf Louis? Und wo ist der Vater? Dieser wird nicht gezeigt, ist scheinbar verschwunden, oder gestorben, oder vielleicht hat er sich auch – um den Wortlaut Antoines zu bedienen – ins Knie gef****, wir wissen es nicht, ddas Rätsel wird nie gelöst.

Die ersten 3 Minuten reichen

Der Film ist vorbei und ein genervter Mann flüstert seiner Begleitung ins Ohr: „Wenn Louis in der ersten Szene sagt, dass er zu seiner Familie fährt, um ihnen zu sagen, dass er sterbenskrank ist, dann kann man den Film an dieser Stelle beenden. Mehr wird der Film einem nicht verraten.“ Und wie Recht er hat! Abgesehen von der guten schauspielerischen Qualität und der Kameraführung sind die zwei Stunden, die man diesem Film widmet, nervenaufreibend. Der Film spielt mit dem Zuschauer, oft auf eine anstrengende Weise, indem er Rätsel aufwirft, die er nie löst und obendrein stottert. Ja, richtig gelesen: nicht nur die Menschen stottern. Es ist, als würde der ganze Film stottern. Wie bereits erwähnt ist natürlich nicht alles schlecht, denn die ästhetischen Nahaufnahmen und das Schauspieltalent der Spieler sind stark. Nur ein gutes Drehbuch fehlt.