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Bild: Warner Bros. Pictures / Apple Original Films

F1 – The Movie: Actionreich aber ohne Tiefe

Lesezeit: 4 Minuten

Die Formel 1. Eine Sportart, die für viele Kritiker:innen nicht mal eine Sportart ist, sondern eigentlich nur 20 reiche Männer, die im Kreis fahren – nur um noch reicher zu werden oder wenigstens von den reichen Zuschauer:innen bejubelt zu werden. Um auch die letzte Kritiker:in für sich gewinnen zu können, hat sich die Formel 1 zusammen mit Top Gun: Maverick-Regisseur Joseph Kosinski, Hollywood-Star Brad Pitt, Komponist Hans Zimmer und Apple zusammengesetzt und F1 – The Ad, sorry, The Movie produziert.

Ein einziges Déjà-vu

In den 1990er-Jahren galt Sonny Hayes als eines der größten Talente der Formel 1, bis ein schwerer Unfall auf der Rennstrecke seine Karriere ausbremste. Drei Jahrzehnte später steht er erneut im Rampenlicht: Ein angeschlagenes Formel-1-Team bittet den von Brad Pitt verkörperten Ex-Star um ein Comeback. Gemeinsam mit einem jungen Teamkollegen kehrt Sonny auf die Rennstrecke zurück und erkennt, dass der Weg zum Erfolg nur im Team möglich ist.

Zusammengefasst: Ein alter, erfolgloser Veteran muss mit einem jungen, aufstrebenden Talent klarkommen, um sich seinen langjährigen Traum endlich erfüllen zu können. Was die Story angeht, kann man kaum von Originalität sprechen. Ähnlich wie bei Top Gun: Maverick, wo Joseph Kosinski ebenfalls Regie führte, setzte man den Fokus nicht auf die Story, sondern eher auf die Action und baute darum eine Handlung.

Das macht sich sowohl positiv als auch negativ bemerkbar. Der Film geht nämlich fast drei Stunden, sodass es gut gewesen wäre, wenigstens ein bisschen mehr Gedanken in eine klügere Story zu stecken.

Dass ein Film, der F1 – The Movie heißt, den Bechdel-Test nicht besteht, ist uns allen, glaube ich, klar. Obwohl es Anzeichen für eine bessere Darstellung der Frauenrolle gab: Kerry Condon spielt Kate McKenna, die erste Teamchefin der Formel 1 Geschichte und statt daraus irgendetwas zu machen, hatte sie nichts Besseres zu tun, als sich in den 60-jährigen Versager Sonny Hayes zu verlieben.

Womit der Film aber punktet

… sind die Actionszenen. Wie auch bei Top Gun – Maverick nutzte Kosinski die neuesten Kameratechniken, um die Geschwindigkeiten der Autos so perfekt wie möglich einzufangen. Was Bild, Sound und die musikalische Untermalung von Hans Zimmer angeht, ist F1 – The Movie ein perfekter Film fürs Kino.

Bild: Scott Garfield Courtesy Warner Bros Pictures / Apple Original Films

Hamiltons Einfluss ist bemerkbar

Einer der Produzenten des Films war auch der siebenfache Weltmeister Lewis Hamilton und man merkt seinen Einfluss. Nicht nur, dass das fiktive Team Apex zufälligerweise alle Sponsoren Hamiltons auf Auto und Anzügen trägt oder sein Hund Roscoe in den Credits erwähnt wird, sondern auch bei einigen getroffenen Entscheidungen während der Produktion.

Nicht nur die Fahrer, sondern auch speziell das Team hinter den Kulissen bekommt seine Screentime. Es gibt einige Szenen, in denen die Technik hinter den Autos erklärt wird oder sogar Mechaniker:innen ihre Momente bekommen. Man merkt, dass in diesen Momenten Profis mit echtem Fachwissen am Werk waren.

Auch innerhalb des Films finden sich kleine, versteckte kritische Aussagen gegen die Formel 1 – sei es, dass die Investor:innen der Teams keine Ahnung vom Sport haben, oder dass Sonny Hayes bei jedem Pressetermin auffällig viel Schmuck trägt.
2022 verbot die FIA, der Verband hinter der Formel 1, nämlich das Tragen von Schmuck bei Presseterminen. Lewis Hamilton erschien daraufhin aus Protest mehrfach mit mehreren Uhren und Ketten gleichzeitig zu den Medienrunden. Anscheinend lässt ihn dieses Verbot immer noch nicht ganz los.

Leider kommt Hamiltons Einfluss im Film ein wenig zu kurz. Der Großteil des Films wirkt von den Studios oder der Formel 1 selbst stark kontrolliert. Viele Szenen ergeben schlichtweg keinen Sinn und könnten in einer echten Formel-1-Saison niemals passieren. Und das ist kein Nerdtalk – es geht um gravierende Regelverstöße, die für den Verlauf der Handlung entscheidend sind. Das ist keine Vorstellung einer Sportart, das ist Hollywood.

Für wen ist dieser Film?

Im Jahr 2019 trafen die Marketingverantwortlichen der Formel 1 vielleicht die beste strategische Entscheidung ihrer Karriere: Sie gingen eine Kooperation mit Netflix ein und produzierten eine Dokumentarserie über die Formel 1. In Drive to Survive bekamen Zuschauer:innen in jeder Saison Einblicke hinter die Kulissen, lernten die Fahrer von einer neuen Seite kennen und erlebten jedes Rennen mit einer ganz eigenen Geschichte.

Die Serie war ein voller Erfolg – nicht nur für Netflix. Sie führte zu einem deutlichen Anstieg der Zuschauerzahlen. Besonders in den USA erlebte die Formel 1 einen Boom, ebenso wie bei der jüngeren Zielgruppe.

Das Problem: Die Serie war keine klassische Dokumentation. Interviews der Fahrer wurden beispielsweise so geschnitten, dass sie entweder als Helden oder als Bösewichte inszeniert wurden. Einige Fahrer, darunter auch Weltmeister Max Verstappen, verweigerten daher die Drehgenehmigung, weil sie befürchteten, dass ihr Ruf durch die Serie verzerrt oder beschädigt würde.

Den meisten Zuschauer:innen war das jedoch egal. In meinem persönlichen Umfeld gab es sogar Personen, die keine Rennen mehr schauten, aus Angst, gespoilert zu werden. Ich betone: Bei einer Dokumentation.
Sie liebten die Action, den Gossip. Es war wie Reality-TV – nur mit Sportlern.

Und genau für diese Zielgruppe scheint F1 – The Movie gemacht zu sein. Es ist ein einziger Marketing-Stunt, um neue Zuschauer:innen mit künstlichen Emotionen und Action anzulocken.
Jemand, der wirklich nichts mit der Formel 1 am Hut hat, könnte zwar trotzdem Spaß haben, würde aber ehrlicherweise vieles nicht verstehen.
Echte Formel-1-Fans bekommen zwar hin und wieder ein paar Insider geboten, könnten sich jedoch über die zahlreichen Logiklücken ärgern.

Aus der Sicht eines Formel-1-Fans

Ein Spruch, den ich sehr gerne benutze, ist: „Der Sport schreibt die authentischsten Geschichten.“ Die Formel 1 ist da keine Ausnahme. Umso enttäuschender ist es, wenn Produktionsstudios trotzdem immer wieder übertreiben und den Sport verzerren oder gar verunglimpfen. Dabei gäbe es genügend starke Vorlagen.

In Rush – Alles für den Sieg wird die Rivalität zwischen Niki Lauda und James Hunt erzählt. In Le Mans ’66 (Ford gegen Ferrari) wird die Geschichte eines einfachen Mechanikers erzählt, der zur Rennlegende wird. Auch aktuell schreibt die Formel 1 ihre eigenen Geschichten:

2020 überlebte Romain Grosjean beim Großen Preis von Bahrain einen schweren Feuerunfall, als sein Auto nach einem Crash explodierte und er sich selbst aus den Flammen befreite.
Im selben Rennen fuhr Sergio Pérez nach einem Dreher in der ersten Runde vom letzten Platz bis zum Sieg.

Das sind Geschichten, die man nicht einmal erfinden muss. Es reicht, sich am eigenen Sport zu orientieren, wenn man die Formel 1 halbwegs realistisch inszenieren möchte.

Denn, hätten sie sich mehr Mühe bei der Story gegeben, wäre das wirklich ein extrem guter Film geworden.

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