Auf dem diesjährigen Hurricane-Festival in Scheeßel stand erneut das Wetter im Mittelpunkt der Berichterstattungen, dabei gab es deutlich spannendere Themen – Pannen bei den Headlinern, den schönsten Hodensack der Welt und am Ende war auch noch die „Mafia“ am Werk. bonnFM war mittendrin und hat für euch massig Eindrücke eingefangen.
Ankunft am Donnerstag – einen Tag bevor das Festival offiziell startet, dürfen alle Besucher ihr Quartier errichten und sich langsam eingewöhnen. Die eigentliche Einlasszeit wird verschoben, denn es meldet sich das nordische, peitschende Wetter, ein alter Bekannter des Hurricanes, zurück. Man wartet geduldig im Auto, bis das schlimmste vorbei ist. Im Vergleich zum letzten Jahr, als am Donnerstag eine Flutkatastrophe das Gelände nachhaltig in eine Moorlandschaft verwandelte, bleibt es diesmal bei zehn minütigem Starkregen und anschließendem Sonnenschein. Trotzdem hindert das die Festivalleitung nicht, die Einlasszeit weitere zwei Stunden aufzuschieben und allen, die noch nicht losgefahren sind, zu raten, erst am Freitag anzureisen. Eine fragwürdige Maßnahme, die vermutlich mit den Gefahren und Erfahrungen des letzten Jahres zusammenhängt.
„Mir persönlich hat der Auftritt Haftbefehls am besten gefallen“
Der Freitag bricht an, die ersten Halbtoten torkeln im Lichte der aufgehenden Sonne aus ihren Zelten und begrüßen die letzten schwer bepackten Ankömmlinge, bevor endlich die Bühnenvorplätze gestürmt werden dürfen. Wie jedes Jahr steigert sich der Bekanntheitsgrad der Bands mit zunehmender Uhrzeit, wobei das Hurricane dieses Jahr so viele namenhafte Künstler aufbietet, dass schon tagsüber die nationale und internationale musikalische Verzückungsspitze die grüne, blaue, rote oder weiße Bühne bespielen. Unmöglich ist es, allen Künstlern gleichzeitig Gehör zu schenken, da sich Highlights wie Milky Chance mit Xavier Rudd überschneiden oder Green Day mit Clueso, SSIO und den Orsons. Das erste nennenswerte Ereignis am Freitag ist der Auftritt Haftbefehls, der zum zweiten Mal durch seine Nicht-Existenz auffällt. Letztes Jahr noch aus unverschuldeten Gründen ausgefallen (durch das Einmischen des Wetters), liegt es dieses Jahr an Haftbefehls eigener Unpünktlichkeit. „Mir persönlich hat der Auftritt Haftbefehls am besten gefallen. Nach 30 Minuten Wartezeit kam der Rapper Milonair auf die Bühne und erklärte uns, dass sein ‚Brudi‘ (Haftbefehl) in einer Polizeikontrolle stecke“, verrät uns der Fan Tom aus Bonn. Im Endeffekt sollte sich herausstellen, dass Haftbefehl lediglich seinen Flieger verpasst hatte.
„Wenigstens hat SSIO gleichzeitig gespielt und den Abend noch gerettet!“
Der restliche Tag fließt dahin und bis zum großen Auftritt von Green Day gibt es keine weiteren Vorkommnisse. Während sich bei Flogging Molly die Leute zu irischer Rockmusik in sogenannten „Mosh Pits“ gegenseitig wieder aufhelfen, um erneut rempelnd, tanzend und lachend weiter zu toben, liefert Milky Chance ein wunderschönes Konzert ab, bei dem nicht nur die beiden Gründungsmitglieder Clemens und Phillip hervortreten. „Der Mundharmonika Spieler hat mich vollkommen überzeugt – live kam er viel besser zur Geltung als auf der CD“, meint Damian D. nach dem Konzert. Die meisten warten aber schon ungeduldig auf Green Day, die Headliner des Freitags und für viele einer der Gründe, sich ein Ticket für das Hurricane zu kaufen. Wie auch für Kilian R., der im Nachhinein aber konsterniert berichtet: „Seit meiner Kindheit habe ich Green Day gehört und sie noch nie live sehen können. Aber jetzt bekommen die es nicht einmal hin, für alle ein vernünftiges Konzert abzuliefern. Wenigstens hat SSIO gleichzeitig gespielt und den Abend noch gerettet.“ Es gab erhebliche Soundprobleme auf der ‘Green Stage‘, sodass es für die Besucher in den hinteren Reihen akustisch zu einer Zumutung wurde. Die Green Stage ist die größte Bühne auf dem Festival und für alle wichtigen Acts vorgesehen. Der Ton variierte ständig, fiel teilweise aus und übertraf nie die Qualität tragbarer Bluetooth-Boxen. Informationen des Festival eigenen Radiosenders „CampFM“ zufolge, hatte sich Green Day geweigert das bereitgestellte Soundsystem des Hurricanes zu nutzen und ihr eigenes angeschlossen. Als Bonner Radiosender interessiert uns natürlich ohnehin das Konzert des Eigengewächses SSIO mehr. Dessen Auftritt „hat man auch noch mehrere hundert Meter hinter der ‘Red Stage‘ gehört und das war auch mit Abstand der Beste an dem Wochenende“ meint Jenny, die gebürtig aus Tannenbusch kommt und damit eine direkte Nachbarin ist. SSIO holte sie während seiner Show auf die Bühne und ließ verlauten, dass er sich nie wieder die Hand waschen würde, mit der er ihr hochgeholfen hatte.
Am Samstag spielen Größen wie Blink-182 und Linkin Park, aber auch Passenger, der am Donnerstag bereits in Bonn auf dem Kunst!Rasen spielte. „Er hat super gesungen, war sehr sympathisch und hat viel über seinen Werdegang erzählt, dass er früher nur in kleinen Pubs gespielt hat und es eine Ehre für ihn ist, auf dem Hurricane spielen zu dürfen“, berichtet Gina F. freudestrahlend und von einem Sonnenbrand gezeichnet. Bei dem Konzert von Linkin Park sind auch die Soundprobleme behoben und der pyrotechnikfreie Auftritt ist ein gelungener Abschluss des etwas regnerischen Samstags. Linkin Park streicht auf Bitten der Festivalleitung ihre Pyroshow – den terroristischen Warnungen beim Rock am Ring geschuldet, wollten die Veranstalter keine Panik aufkommen lassen. Auch in diesem Fall hatten sich Green Day quergestellt. Sie feuerten trotz dieser Aufforderung ungehemmt ihre Pyrotechnik ab, die teilweise nur aus lauten Schlägen bestand und provozierten damit einige Angstschreie auf dem Gelände.
Der letzte Tag – Blues, Rock und Comedy
Mit der beruhigenden Gefühl am Sonntagmorgen, die letzte Nacht im Zelt verbracht zu haben, wirken die Kopfschmerzen schon fast harmlos. Der erste Blick aus dem Zelteingang trifft das Nachbarcamp. Fassungslos nimmt man zur Kenntnis, dass dort bereits mit einer anmutigen Selbstverständlichkeit der Trichter angesetzt wird und das erste Bier innerhalb von 2 Sekunden die Speiseröhre hinunterschießt. Danach geht es wieder auf das Festivalgelände und der letzte Tag hindert niemanden daran, ausgelassen zu feiern. Dem 76-jährigen Seasick Steve sieht man sein Alter nicht an, trotz Weinflasche und Lallen auf der Bühne. Er spielt auf Gitarren, die er selber aus Waschbrettern gebaut hat und wirkt beim Spielen plötzlich präzise und singt mit rauer Stimme wunderbaren Blues. Wolfmother singen wie Led Zeppelin und spielen wie Jimi Hendrix. Der multitalentierte Bassspieler hat genug Zeit mit einer Hand den Bass und mit der anderen das Keyboard zu spielen. Dabei hämmert er die Finger so fest auf das Griffbrett des Basses, dass er die rechte Hand nicht mehr zum Zupfen benötigt, spielt er jedoch mit beiden Händen, hämmert und boxt er auf seinen Bass ein und springt dabei wild über die Bühne.
Eine Show bleibt nicht nur wegen der Musik im Gedächtnis. Die Kassierer vereinen harten Gitarrensound mit feinster Ruhrpott-Ironie. Wenn der Sänger Wolfgang Wendland dickbäuchig und nackt auf der Bühne steht, wie die Loriot Figuren Herr Müller-Lüdenscheid und Dr. Klöbner und dabei seinen Hodensack besingt, kann man nur auf eine seiner humorvollen Zwischenansagen warten und den Rest mit einem Lächeln verstreichen lassen. Die Band wirkt authentisch und sympathisch und scheint von dem ganzen Festivaltrubel und den Popgrößen meilenweit entfernt. Da nimmt man es gerne in Kauf, dass auch er das Bier des Hauptsponsors auf der Bühne trinkt.
Ein ungewöhnliches Kartell
Wer kurz vor der Abreise steht und alle Strapazen hinter sich gebracht, im Auto alle Taschen und Überreste verstaut hat und so intelligent war, Pfandflaschen zu sammeln, sieht sich einer ungewöhnlichen Herausforderung konfrontiert. Auf dem Festivalgelände wird jedes Jahr ein 2000m² großer Penny Markt aufgebaut. 4 Pfandflaschenautomaten stehen den 80.000 Festivalbewohnern zur Verfügung ihre Dosen abzugeben, die wegen des Glasflaschenverbots zur Standardausrüstung gehören. Aber die Abgabe entpuppt sich als stundenlange Warterei. Nicht etwa auf Grund der vielen Festivalbesucher, die in der Reihe stehen würden, sondern „wegen eines mafiösen Pfandsammlerkartells“ wie es Sina B. aus der Schlange ausdrückt. An jedem Automaten stehen etwa zwei Leute, die ihre Dosen gemächlich einwerfen und meistens bis zu 100 Euro in einem Gang in den Automaten legen. Die Dosen kaufen sie vorher säckeweise anderen Besuchern für den halben Wert ab, die keine Lust haben auf die Trödler zu warten. Mit jedem verkauften Sack haben sie wieder mehr Zeit gewonnen die Schlange vergrößert und mehr Leute möchten endlich losfahren und verkaufen ihre vollen Säcke. Trotz des stolzen Eintritts von 180 Euro lohnt sich das Geschäft der Sammler, denn ohne Eintrittskarte kommt niemand zu den Automaten. Sina und ihr Freund lassen sich nicht beirren und harren bis zum Ende aus. „Es darf sich einfach nicht lohnen für die, damit sie nächstes Jahr nicht den Menschen wieder ihre Karten wegkaufen, bleiben wir hier stehen.“ Die meisten haben ohnehin vergessen Pfand zu sammeln. Also lässt man die Beiden als kleine Punkte mit zwei großen Säcken zurück und schlurft mit einer dreckigen Prozession Richtung Parkplatz, während im Hintergrund Casper, der letzte Headliner, mit dem hartgesottenen Kern auf der Green Stage „im Ascheregen“ tanzt.
„Es gab erhebliche Soundprobleme auf der ‘Green Stage‘, sodass es für die Besucher in den hinteren Reihen akustisch zu einer Zumutung wurde. Die Green Stage ist die größte Bühne auf dem Festival und für alle wichtigen Acts vorgesehen. Der Ton variierte ständig, fiel teilweise aus und übertraf nie die Qualität tragbarer Bluetooth-Boxen. Informationen des Festival eigenen Radiosenders „CampFM“ zufolge, hatte sich Green Day geweigert das bereitgestellte Soundsystem des Hurricanes zu nutzen und ihr eigenes angeschlossen.“
Der Sound war bei Blink182 auch suboptimal. Ständig sind die Delay-Lines ausgefallen oder die Laufzeiten sind auf ~10 Sekunden gewesen. Dementsprechend durfte man hinten alles 2x höhren. Gepaart mit Aussetzern. Ich wage arg zu bezweifeln, dass dies mit der Soundanlage von Green Day zu tun hatte. Habe auch gehört/gelesen, dass es hinten manchmal einfach zu leise war. ich denke in Ermangelung von Ersatzequipment hat man dann hinten einfach die DelayLines abgeschaltet.