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Internationales Filmfestival Mannheim-Heidelberg – Erlebnisse im und abseits des Kinos

Nur ein Jahr jünger als die Berlinale, doch nur die Hardcore-Filmfans kennen diesen Namen: das Internationale Filmfestival Mannheim-Heidelberg. Das große Herbstfestival bietet aber ein einzigartiges Programm voller kleiner Filmperlen. Ein Blick auf die vergangene Festivalausgabe: Vor und hinter der Leinwand.

Filmfestivals gibt es in Deutschland wie Sand am Meer, in der kalten Jahreszeit sowieso. Auch bei uns in Bonn und Köln ist zum Jahresende vieles in den Lichtspielhäusern zu entdecken, passend zum immer grauen Wetter. Es ist quasi alles vor der Tür, sodass es nicht wirklich notwendig wäre, zu verreisen. Und trotzdem lohnt sich für alle Filmfans ein Ausflug nach Mannheim. Also, ab in den Süden!

Zuerst der wichtigste Fakt: Das Internationale Filmfestival Mannheim-Heidelberg ist mit seinen 74 Ausgaben fast so alt wie die Berlinale. Nur ein Jahr trennt die beiden Festivals. Seit 1952 lädt das Team in Mannheim Filmschaffende und Kinobegeisterte ein, neue und alte Produktionen aus aller Welt zu sehen. Und für einige nun bekannte Filmgesichter war Mannheim der entscheidende Schritt in ihrer Regiekarriere: Größen wie Wim Wenders, Jim Jarmusch und Lars von Trier haben ihre ersten Filme dem Mannheimer Publikum gezeigt, und das mit großem Erfolg.

Kleine, aber feine Filmschätze

Bei Leuten, die oft die großen deutschen Festivals besuchen, mag das Mannheimer Filmprogramm erstmal eher für Fragezeichen sorgen. Es sind eher wenige große Namen aus der Filmwelt dabei, und der große Fokus des Festivals liegt auf kleineren Produktionen. Viele davon sind Debütfilme. Was soll man sich da angucken, wenn man mit vielen Namen im Programm überhaupt nichts anfangen kann?, fragen sich womöglich viele. Aber auch Wim Wenders und Co. waren mal klein und unbekannt. Genau hier fängt dann die Magie des Kinos an – man muss sich auf das Unbekannte einlassen.

Bild: Burning. Eine Aufnahme aus dem Film Noviembre

Das ist nunmal eine gute Strategie. Ein Filmfestival kann zu einer spannenden Weltreise werden, so auch Mannheim. Zum Beispiel mit einem Start in Kolumbien: Der Film Noviembre (Regie: Tomás Corredor, 2025) blickt halb-fiktiv, halb-dokumentarisch auf die grausamen politischen Ereignisse am 6. November 1985 im Justizpalast in Bogota. Außerhalb von Lateinamerika kaum bekannt, und dennoch unglaublich wichtig für die kolumbianische Geschichte. Umso weniger bekannt ist die Geschichte der Militärdiktatur in Paraguay, die enge Verbindungen zur deutschen Geschichte hat. Anhand von Archivaufnahmen wird diese in Under the Flags, the Sun (Regie: Juanjo Pereira, 2025) rekonstruiert – eine Bereicherung für alle, die sich für Geschichte interessieren.

Big in Japan

Ein besonders interessantes Ziel auf dieser filmischen Weltreise ist Japan. Vielen fällt da vielleicht einiges aus der bunten und im Westen beliebten Anime-Welt ein. Doch japanische Filme wirken anders: Es wird mit nur wenigen Worten vieles gesagt, oft herrscht eine gewisse Ruhe in den Szenen und mit sozialkritischen Themen wird anders umgegangen als im europäischen Kino. Ein japanischer Film in Mannheim sticht dabei heraus: Kokuho (Reg: Lee Sang-il, 2025) ist ein dreistündiger Film über das traditionelle japanische Theater (Kabuki), in dem nur Männer spielen dürfen. Der Film porträtiert die lange Karriere eines Schauspielers, der den Status eines Nationalschatzes verdient, so ist die Bedeutung des Wortes “Kokuho”. Klingt auf den ersten Blick nach Patriarchat, lange Laufzeit und nicht unbedingt verständlich für das europäische Publikum?

Bild: Aniplex 2025. Eine Aufnahme aus dem Film Kokuho

Dieser erste Eindruck kann allerdings trügen und so wartet eine Überraschung: Ein komplett ausverkaufter Kinosaal, in dem kein einziger Platz mehr frei ist! Doch Verwunderung ist nur auf den ersten Blick angebracht, denn Kokuho (Reg: Lee Sang-il, 2025) ist mittlerweile der erfolgreichste nicht animierte japanische Spielfilm in Japan, der dort je im Kino gezeigt wurde. Kokuho haben zum Beispiel mehr Menschen gesehen als Avatar (2009) oder sämtliche Star Wars-Filme. Und diese beeindruckenden Zahlen sind auch verständlich. Es sind zwar lange Diskussionen darüber möglich, was für alteingesessene patriarchale Muster dieser Film reproduziert – es geht um männliche Schauspieler, männliche Disziplin, und Frauen erscheinen nur in Nebenrollen, meist mit dem einzigen Zweck, sich um die Männer zu kümmern – doch die cinematographische Inszenierung ist so beeindruckend und schön, wie sie in diesem Kinojahr nur selten zu erleben ist.

Das Festival mitgestalten? Geht klar!

Bild: bonnFM. Nida Karuserci hat viel Begeisterung für ihre Arbeit als Marketing-Praktikantin beim Filmfestival in Mannheim

Zum guten Ende: Was wäre ein Filmfestival, wenn es hinter den Kulissen keine begeisterten Mitarbeiter*innen geben würde? Die Frage ist eher rhetorisch, doch eine Anmerkung ist an dieser Stelle angebracht. Zum Festivalteam gehören auch junge Menschen, die gerade dabei sind, sich auszuprobieren. Eine solche Person ist Nida Karuserci, die ihr Praktikum beim Filmfest macht. Wer auf Nidas Arbeit näher blicken möchte, vielleicht auch selbst überlegt, ein Praktikum bei einem Filmfest zu machen und Nida dabei zuhören möchte, wie sie voller Begeisterung über ihre Arbeit berichtet, wird bei der Audioreportage aus Mannheim fündig.

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