Wir sind in Aachen. Die österreichische Autorin und Ingeborg-Bachmann-Publikumspreisgewinnerin Stefanie Sargnagel nimmt sich vor ihrer Lesung im Musikbunker für bonnFM Zeit. Immer abwechselnd drehend und rauchend erklärt sie uns die feministische Burschenschaft Hysteria, den vom Frühling gebrachten Babykatzen-Shitstorm und was genau eine Stadtschreiberin ist.
bonnFM: Stefanie, wie geht es dir?
Stefanie Sargnagel: Ganz gut, bin ein bisserl müde, ich musste gestern sechs Stunden ein Hörbuch einsprechen…
bonnFM: Man muss dich den Lesern/Hörern wahrscheinlich vorstellen. Wer bist du, was machst du und wie würdest du deinen Beruf nennen?
Stefanie Sargnagel: Künstlerin als Überbegriff. Ich mach Cartoons, schreibe Texte, alles eher komische Kunst, also humoristisch und da gibt es kein richtiges Genre, wenn man nicht gerade Comedy macht.
bonnFM: Warum liest du heute in Aachen und nicht Köln (größer) oder Bonn (schöner)?
Stefanie Sargnagel: Ich werde gebucht und dann fahr ich da halt hin. Ich sehe eh nicht so viel von den Orten, deswegen ist das egal, ob es schön ist oder nicht.
bonnFM: Warum machst du eigentliche eine Lesereise, wenn du parallel Stadtschreiberin von Klagenfurt bist?
Stefanie Sargnagel: Es war ein Termin, der schon lange geplant war und wenn ich schon mal nach Deutschland fahre… damit habe ich dann einige andere Termine verbunden, zum Beispiel das Hörbuch oder ein Talk. Das Stipendium kriegt man ja relativ überraschend und da stehen einige Termine eben schon.
Ich muss ja auch Geld verdienen.
bonnFM: Was macht eine Stadtschreiberin denn? Der Beruf klingt wie aus dem Mittelalter.
Stefanie Sargnagel: Es ist eine Residency, das gibt es ja für verschiedene Künstler. Es ist oft an irgendwas gebunden, an einen Text oder eine Ausstellung. Aber es ist im Grunde ein Freiraum für Künstler, die prekär leben – man hat dann ein bisschen Geld, fixen Wohnraum und die Zeit und Muße, sich seiner Arbeit zu widmen, ohne jobben zu müssen. Außerdem bringt man sich ja sowieso in den Kulturbetrieb ein und reflektiert das Leben dieser Stadt.
bonnFM: Musst du denn irgendwas in Klagenfurt machen?
Stefanie Sargnagel: Nein – ich hab auch kaum Anwesenheit. Ich will mich aber eigentlich gerne einbringen, ich finde das ganz spannend in einer kleinen Stadt zu leben, in der die Kulturszene recht überschaubar ist, das ist eigentlich ganz lustig.
bonnFM: Wie ist denn der Unterschied Wien und Klagenfurt?
Stefanie Sargnagel: Ich bin ja in Wien aufgewachsen und habe immer nur in Wien gelebt. Ich hab gedacht in einer Kleinstadt wird mir einfach langweilig sein, ich kenn dort niemanden, ich werd depressiv werden, aber die Leute sind recht offen und laden mich viel ein und integrieren mich. Ich mags tatsächlich, dass es etwas langsamer ist, dass man alles zu Fuß gehen kann. Ich bin auch nicht mehr so ausgehfixiert, deswegen störts mich nicht, dass es so wenig gibt an Subkultur und ich schau mir tatsächlich mehr an, weil das Angebot nicht so groß ist. Wenn mal eine Lesung in der Woche ist, dann schau ich mir die an. In Wien schau ich mir eigentlich nichts an, weil eh die ganze Zeit so ein Angebot ist. Man weiß es dann irgendwie zu schätzen und kommt gleich mit den Leuten in Kontakt.
bonnFM: Wie ist für dich das Reisen durch Deutschland?
Stefanie Sargnagel: Ja seltsam, es ist immer ein leicht irrealer Zustand, weil man nicht so viel von den Orten sieht und eigentlich nur im Zug sitzt und die Zeit vergisst. Und die deutschen Regionen sind ja schon recht unterschiedlich, ich weiß oft gar nicht wo ich bin. Es wundert mich dann aber doch immer wieder, dass ich schon bekannt bin und mich Leute in Zügen erkennen.
bonnFM: Hast du einen Bezug zu NRW?
Stefanie Sargnagel: Ist Köln noch NRW?
Sargnagel über akademische/mediale Rezeption
bonnFM: Wir hatten zu dir und deinen Texten ein Seminar in der Uni. Wie findest du es „besprochen zu werden“?
Stefanie Sargnagel: Angemessen.
bonnFM: Wie findest du, dass du im Feuilleton und bei Medienkollegen angesagt bist?
Stefanie Sargnagel: Es stört mich nicht. Es gibt mich ja schon lange, in gewissen Subkulturen bin ich schon recht lang bekannt, nur in den bürgerlichen Medien nicht.
Ich find es interessant, wie viel schlechter die Texte teilweise sind, obwohl die Medien viel anerkannter sind. Ich hatte mir viel mehr erwartet und bin ein bisschen desillusioniert.
Da haben Studentenmagazine teilweise bessere Texte geschrieben, es besser verstanden.
bonnFM: Achtung Unifrage! Du benimmst dich auf sozialen Netzwerken manchmal „bewusst ekelerregend“ – ist das Protest, Authentizität oder Anti-Dandytum?
Stefanie Sargnagel: Mir fällt das selber gar nicht auf, ich war immer schon so und finde das irgendwie lustig. Ich mache das nicht aus Provokationswillen. Ich gehe einfach generell ehrlich mit Sachen um, auch Depression, Einsamkeit und fäkalen Sachen. Ich hab aber das Gefühl, in Deutschland wird auf das Fäkale viel mehr Augenmerk gelegt. Als ich nur in Österreich rezipiert wurde, wurde darauf gar nicht so ein Fokus gelegt. Vielleicht ein Fünftel meiner Texte handelt von so Ekelsachen, die finde ich gar nicht so vordergründig. Ich hab das Gefühl, in Österreich gibt es einfach mehr Tradition dazu.
Stefanie Sargnagel über Österreich
bonnFM: Österreicher sind kreativer als Deutsche, obwohl das Land kleiner ist. Ist das so?
Stefanie Sargnagel: Es war ja so eine Welle: Yung Hurn, Wanda, Bilderbuch. Woran das liegt, weiß niemand so wirklich. Es kamen dann auch Journalisten nach Wien und haben gemeint: Was ist in Wien gerade los, warum geht da so viel?
Wien ist eigentlich wie immer. Nicht so cool, eher eine hochkulturelle, verschlafene Stadt.
bonnFM: Kannst du uns die Situation Anfang des Jahres mit der Kronenzeitung, Babykatzen und der Nordafrikareise erklären?
Stefanie Sargnagel: Es ist eine absurde Geschichte. Ich war mit Freundinnen in Marokko und wir haben dafür einen Reisekostenzuschuss von 750€ beantragt. Dann haben wir für den „Standard“ ein Reisetagebuch runtergeschrieben. Dann habe ich satirisch über eine Freundin geschrieben, dass sie Vegetarierin ist, weil sie Tiere hasst und Babykatzen tritt. Ich hab aber auch geschrieben, dass sie 15 Flaschen Wein getrunken hat, was physisch gar nicht geht.
Die Krone hat das aber ausgelegt, als wäre das alles wahr – das wurde dann immer weitergereicht und wurde zu einem Shitstorm mit sehr hohen Wellen.
bonnFM: Ist das denn jetzt so okay für dich?
Stefanie Sargnagel: Es war schon ein sehr starker Stress – ich war gerade neu in Klagenfurt, hatte mir Ruhe genommen und wollte mein Buch fertigmachen, war total gechillt und plötzlich bringt so ein Mediading über dich hinweg. Tausende Messages, das war einfach nervenaufreibend. Es war absolut daneben von der Kronenzeitung. Es ging aber gar nicht um den Text an sich. Ich glaube eher, dass es mit der Störung eines großen Balls durch unsere Burschenschaft Hysteria am Vortag zu tun hatte. Ein gezielter Versuch, mich fertigzumachen.
bonnFM: Wenn du schon die Burschenschaft Hysteria erwähnst, kannst du die definieren und Ziele aufzählen?
Stefanie Sargnagel: Wir sind die älteste Burschenschaft Österreichs und bestehen im Gegensatz zu den modernen verlotterten Burschenschaften nur aus Frauen, wie es sich gehört. Wir wollen das Matriarchat wieder in der Gesellschaft einführen. Wir sind so um die 80 Mitglieder, gehen in Kneipen, marschieren auf und machen Bummel. Es macht sehr viel Spaß.
bonnFM: Ich hab nen Kumpel aus einer Aachener Verbindung, der hat mir zu dir geschrieben: Er würde nie zu einer Lesung von dir kommen, denn er findet „diese ganzen „antideutschen“ Menschen nur fertig und nicht lustig.. Diese ewige Hetze nervt unglaublich“ Kannst du dazu Stellung nehmen?
Stefanie Sargnagel: Ich verstehe das nicht. Es wirkt sehr humorlos – ich habe mich über Linke auch immer sehr lustig gemacht – nur die haben mir dann keine Todesdrohungen geschickt, das lässt auf eine gewisse Humorlosigkeit schließen.
bonnFM: Apropos konservativ – Was hältst du von Hype um Außenminister Kurz?
Stefanie Sargnagel: Nicht so viel. Auf mich wirkt er auch nicht charismatisch, sondern einfach wie ein kleines Snobkind, was plötzlich an die Macht kommt.
bonnFM: Abschlussfrage – Bleibst du bei deinen Zeichnungen und Facebookposts?
Stefanie Sargnagel: Am 21. Juli kommt eine Textsammlung raus. An sich will ich das gerne so weitermachen. Kurze kleine pointierte Texte und Zeichnungen Bei der Burschenschaft engagiere ich mich gerade gern, ich möchte generell gerne kollektiver arbeiten, wenn man ständig alleine arbeiten muss ist das etwas fad. Also ich will jetzt mehr mit Leuten touren, das ist viel lustiger.
Das komplette Interview könnt ihr hier noch einmal nachhören.