Shanghai, QS und THE – immer wieder erscheinen Rankings, die der Uni Bonn eine hohe Qualität bestätigen. Doch wie aussagekräftig sind diese Rankings? Und sagen sie überhaupt etwas über die Qualität der Lehre aus?
Die große Frage, die sich alle Studierenden vor der Einschreibung an eine Uni stellen, ist natürlich: Welche Uni soll es denn überhaupt sein? Für einige ergibt sich diese Frage schon durch die Fächerwahl oder den Ort, an dem sich die Uni befindet. Aber auch die Qualität der Uni spielt eine große Rolle bei der Frage rund um die Studienwahl. In der angelsächsischen Welt sind die besten Unis leicht gefunden. Harvard, Standford und das MIT sind die bekanntesten Hochschulen in den USA, in Großbritannien stehen sofort Cambridge und Oxford im Raum. Diese bekannten Namen gehören schon fast zum Allgemeinwissen. In Deutschland muss man sich da schon etwas genauer auf die Suche begeben. Glaubt man dem Dschungel der Hochschulrankings, dann ist die Uni Bonn gar keine schlechte Wahl. Aber sind diese Rankings wirklich aussagekräftig?
Wie funktionieren die gängigen Hochschulrankings?
Um die Kritik, die in den letzten Jahren an Hochschulrankings aufgekommen ist, zu verstehen, muss zuerst das Durcheinander an Methoden und Kriterien der einzelnen Rankings durchdrungen werden. Im Shanghai-Ranking erfolgt die Bewertung in vier verschiedenen Kategorien: In der Kategorie Quality of education und Quality of faculty geht es darum, wie viele Wissenschaftler:innen einer Uni einen Nobelpreis oder eine Fields Medaille gewonnen haben und um die Zitationsraten. Bei Research output wird bewertet, wie viele Artikel in den letzten fünf Jahren veröffentlicht wurden und wie oft diese zitiert wurden. Die letzte Kategorie, Per capita performance, setzt die anderen drei Kategorien in ein Verhältnis zur Anzahl der Studierenden.
Das Times Higher Education Ranking (THE) ist ähnlich aufgebaut wie das Shanghai-Ranking, aber etwas breiter bei den Bewertungskriterien aufgestellt. In der Kategorie Teaching wird das Betreuungsverhältnis zwischen Dozierenden und Studierenden betrachtet, in Research environment das Einkommen und die Reputation einer Uni. Patente werden in der Kategorie Industry berücksichtigt, internationale Verknüpfungen der Forschenden und Studierenden in International outlook. Die Zitationsrate und die „Forschungskraft“ spielen wie im Shanghai-Ranking auch eine große Rolle und fallen in die Kategorie Research Quality.
Das QS World University Ranking (QS) wählt einen gänzlich anderen Ansatz. Hier ist vor allem die Reputation einer Uni wichtig. In Research and discovery und Employabiltiy and outcomes werden Mitarbeitende anderer Universitäten beziehungsweise Personaler großer Unternehmen nach Unis mit guten Reputationen gefragt. Wie im THE wird zudem auch die Internationalität der Uni bewertet. Neu hinzu kommen jedoch die Kategorien Learning experience, die das Fakultät-Studierenden-Verhältnis bewertet und die Kategorie Sustainability.
Was für Kritik gibt es an diesen Rankings?
So weit, so gut. Doch was auf den ersten Blick nach Wissenschaftlichkeit und Objektivität aussieht, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen durchaus als fragwürdig. Berücksichtigt wird in den Rankings überwiegend oder gar ausschließlich die Forschung. Problematisch ist das, weil die Forschung nur eine unter vielen Aufgaben ist, die eine gute Universität erfüllen muss. Die Lehre, also das, womit Studierende hauptsächlich in Kontakt sind, spielt, wenn überhaupt, nur eine untergeordnete Rolle. Denn Zitationsrate eines Papers sagt recht wenig darüber aus, wie didaktisch sinnvoll die Vorlesung eines Basismoduls ist. Zudem sind die Forschenden, die Aufgrund ihres großen Erfolges oft die Aushängeschilder einer Uni sind, häufig so gut wie gar nicht in der Lehre tätig.
In der Methodik des Shanghai-Rankings, das vermutlich am bekanntesten ist, verbirgt sich noch ein weiteres Problem, denn die Naturwissenschaften finden hier im Gegensatz zu den Geisteswissenschaften deutlich mehr Berücksichtigung. Mit der Fields Medaille fällt der Blick ausschließlich auf die Mathematik, bei den Nobelpreisen gibt es neben Chemie, Physik und Medizin zwar auch die Kategorie Literatur, aber Träger:innen dieses Preises sind eher selten an Universitäten tätig. Auch die Bewertung der Patente im THE schlägt in die gleiche Kerbe. Begründet wird diese Gewichtung nicht. Die Geisteswissenschaften werden einfach außen vor gelassen, obwohl auch diese wichtige Teile einer Universität sind.
Auch die Methodik der Rankings ist eher undurchsichtig und nicht nachvollziehbar. Es ist zwar transparent, wie die einzelnen Kategorien unterschiedlich gewichtet sind, die Begründung dazu fehlt jedoch, die Prozentzahlen auf den Websites wirken willkürlich ausgesucht. Methodisch noch fadenscheiniger wirken die Bewertungen der Reputationen im THE und QS. Die Stichproben der Personen, die die Reputationen der Unis bewerten, sind zu klein und damit nicht repräsentativ. Zudem dürfen die Unis die Expert:innen für die Reputationsbewertung selbst aussuchen, von Objektivität kann dadurch nicht mehr gesprochen werden. Hinzu kommen auch die menschlichen Grenzen der Expert:innen, denn auch diese können nicht alle Hochschulen der Welt im Blick haben.
Ein kleines Beispiel zur Verdeutlichung: Wie realistisch ist es, dass die Expert:innen, die von der Harvard University ausgewählt wurden, sich vorab ausführlich mit der Hochschule Aalen (Aalen liegt in Baden-Württemberg, etwa 50 Kilometer nördlich von Ulm) beschäftigt haben und dieser eine gute Reputation zusprechen? Außerdem ist grundsätzlich in Frage zu stellen, ob die Reputation wirklich etwas über die Qualität der Uni aussagt.
Ebenso problematisch ist der internationale Vergleich der Unis innerhalb der Rankings, denn mit den verschiedenen Ländern konkurrieren auch sehr unterschiedliche Systeme um die besten Plätze. Das ist meist zum Nachteil für die deutschen Universitäten. Ein Grundproblem ist dabei das Geld. Während US-amerikanische Universitäten Studiengebühren erheben und Kapitalanlagen in Aktien haben, sind die deutschen Universitäten meist öffentlich finanziert. Dadurch haben sie im Schnitt auch weniger Mittel für Forschung und Lehre zur Verfügung. Gleichzeitig bieten sie aber eine größere Chancengerechtigkeit als in den USA.
Auch in der Bewertung der Internationalität ist Deutschland im Nachteil. Während deutsche Unis mehr Studierende losschicken, empfangen die englischsprachigen Unis mehr internationale Studierende. Die Ermöglichung von Auslandsaufenthalten für eigene Studierende wird in den Rankings jedoch nicht berücksichtigt. Lediglich die Aufnahme von internationalen Studierenden wird bewertet.
Der Fokus auf Forschung, besonders naturwissenschaftlicher Art, ist für die deutschen Hochschulen ein weiterer Nachteil. So fallen die Fachhochschulen mit der praxisorientierten Ausbildung gänzlich hinten runter. Zudem sind in Deutschland viele Forschungsinstitute, wie das Max-Planck-Institut oder das Fraunhofer-Institut, aus den Unis ausgegliedert, während die Forschung in den USA häufiger an den Unis stattfindet und so in die Rankings einfließt.
Wie sieht es mit den deutschen Hochschulrankings aus?
Die Probleme, die mit dem internationalen Vergleich der bekanntesten Rankings einhergehen, erledigen sich von selbst, wenn man nationale Rankings betrachtet. Viele Magazine in Deutschland, von Zeit bis Spiegel, stellen die Ergebnisse verschiedener Rankings im Besonderen mit Blick auf die deutschen Unis vor. Die Artikel, die man im Internet dazu findet, sind jedoch oft veraltet, verstecken sich hinter einer Paywall und beziehen sich letztendlich doch auf die Ergebnisse der internationalen Rankings. Der Focus hat eine Zeit lang sein eigenes Ranking erstellt. Die Methodik bleibt jedoch undurchsichtig und das letzte Ranking, das im Internet zu finden ist, stammt aus dem Jahre 2015.
Wer eine Bewertung der Forschung von Universitäten nur in Deutschland haben will, kann sich den Förderatlas der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) anschauen. Dort ist detailliert zu entnehmen, wie viele Forschungsgelder die Uni eingenommen und vor allem, für welchen Forschungsbereich sie diese erhalten hat. Auch die Internationalität wird vom DFG Förderatlas berücksichtigt. Hier geht es darum, wie stark die Uni in internationale Forschungsprogramme involviert ist und aus welchen Ländern Mitarbeitende der Universitäten stammen. Die Grundprobleme bleiben jedoch die gleichen wie bei den internationalen Rankings. Es geht vorwiegend um die Forschung und nicht um die Lehre. Zudem gibt es mehr Förderprogramme für Naturwissenschaften, weshalb diese im Ranking verstärkt berücksichtigt werden.
Das bekannteste nationale Hochschulranking, das Ranking des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE), versucht, den forschungsbezogenen Rankings etwas entgegenzusetzen. Dieses Ranking stellt explizit die möglichen Interessen von Studienanfänger:innen in den Vordergrund. So fließen nicht nur die harten Fakten in das Ranking ein, sondern auch die Meinung von Studierenden und Lehrenden zur Lehrsituation an den Unis. Bewertungen werden berücksichtigt, wenn mehr als 15 Befragte eine Frage beantwortet haben. Eine repräsentative Zahl ist das wohl kaum, aber die Situation der Studierenden ist im Gegensatz zu anderen Rankings immerhin Bewertungsgegenstand. Der große Nachteil bei dieser gründlichen Forschung des CHE: Die Methodik wird zwar offengelegt, man braucht aber sehr viel Zeit, um sich gründlich einzulesen. Denn das CHE erstellt keine fächerübergreifende Liste. Es teilt die Uni für verschiedene Kriterien in den einzelnen Fächern in unterschiedliche Gruppen ein. Die Möglichkeit, einen schnellen Überblick zu geben, bietet dieses Ranking nicht.
Was bedeutet das alles für die Uni Bonn?
Auch die Uni Bonn wird in diesen Rankings natürlich bewertet – und schneidet vor allem in den internationalen Rankings recht gut ab. Sowohl im Shanghai-Ranking als auch im THE und im QS-Ranking belegt die Uni Bonn weltweit Platz 61, in Deutschland Platz 4. Diese Platzierungen sind auch leicht auf der Website der Uni zu finden, denn die Universität Bonn schreibt regelmäßig Pressemitteilungen zu dem Thema. Die eher schlechten Bewertungen beispielsweise für das Fach Zahnmedizin im CHE Ranking werden dabei nicht thematisiert.
Auf Anfrage erklärt die Universität Bonn, welche Bedeutung die Rankings für Unis haben. So könne dadurch die Entwicklung im internationalen Vergleich besser abgeschätzt werden. Auch würden gute Rankingergebnisse die internationale Sichtbarkeit der Universität steigern. Deswegen nutze die Uni die Rankingergebnisse auch in der Öffentlichkeitsarbeit. Die Uni Bonn profitiert also von den Rankings, kann dadurch Reputation und internationale Kontakte stärken und schneidet somit wiederum besser in den Rankings ab. Dieser selbstverstärkende Effekt der Rankings bedeutet aber auf der anderen Seite auch, dass Unis mit schlechteren Rankings nicht davon profitieren können und es ohne die guten Ergebnisse als Voraussetzung auch viel schwerer haben, die Ergebnisse zu steigern.
Die Uni Bonn betont jedoch auch, dass sie sich der Kritik bewusst sei und diese weiter beobachte. Deshalb würden Rankings und ihre Indikatoren auch stets differenziert und im Kontext betrachtet. Generell stehe eher die Gesamtheit aller Rankings im Vordergrund statt einzelner Ergebnisse. Konsequenzen auf die Kritiken an den Rankings, wie ein Ausstieg, plane die Uni Bonn zurzeit jedoch nicht.
Und jetzt?
Auf der einen Seite stehen Universitätsrankings, die versuchen, eine Liste der Besten Unis zu erstellen. Auf der anderen Seite gibt es viele Kritikpunkte an diesem System. Eine endgültige Lösung für das Problem ist jedoch nicht in Sicht. Ein erster wichtiger Schritt wäre, die betrachteten Schwerpunkte der Rankings transparenter und bekannter zu machen. Denn die Rankings sind nicht gänzlich aussagelos, sie zeigen nur nicht das, was man auf den ersten Blick meint. Wenn man wissen möchte, welche Uni in naturwissenschaftlicher Forschung vorne liegt, sind die internationalen Rankings sicher eine gute Anlaufstelle. Für die Studienwahl sollte wenn, dann das CHE Ranking zu Rate gezogen werden.
Schlussendlich gilt aber trotzdem, dass ein Ranking im Idealfall nicht der ausschlaggebende Punkt für die Studienwahl sein sollte. Denn die Studienerfahrung ist sowieso so individuell, dass sie von keinem Ranking zusammengefasst oder gar vorhergesagt werden kann.