Ein Angriff auf einen jüdischen Gastprofessor am helllichten Tag im Bonner Hofgarten. Die Stadt Bonn reagiert mit dem „Tag der Kippa“ – als Zeichen gegen Antisemitismus und für die Solidarität mit der jüdischen Bevölkerung. Trotzdem bleibt der Übergriff in Bonn kein Einzelfall. Ein Überblick über die aktuelle Situation der Juden in Deutschland.
Öffentliche Beleidigungen in der Bahn oder im Internet, Hakenkreuze auf jüdischen Friedhöfen und in Einzelfällen auch gewaltsame Übergriffe: Judenhass ist bei uns in Deutschland keine Seltenheit. Immer wieder gibt es Fälle, bei denen Menschen aufgrund ihres jüdischen Glaubens angefeindet werden. Neben dem Angriff auf den jüdischen Professor in Bonn gibt es deutschlandweit ähnliche Fälle.
Deutschland im Jahr 2018: Antisemitismus fester Bestandteil des Alltags
Erst diese Woche wurde ein Rabbiner in einer jüdischen Gemeinde in Offenbach belästigt und beleidigt, unter anderem durch das Rufen von Parolen wie „Scheiß Jude“ und „Free Palestine“. Auch in Dortmund wurde ein Jude von Neonazis bedroht. Eine Halskette mit Davidstern sei der Auslöser gewesen. Neben der psychischen Gewalt kommt es auch zu körperlicher Angriffen: in Berlin wurde kürzlich ein 25-jähriger, aus Syrien stammender, Jude von mehreren Männern verprügelt.
Verantwortlich für die Übergriffe sind in erster Linie Rechtsextremisten und Neonazis. Die radikalen Überzeugungen von rechts finden aber auch immer öfter Anklang in der politischen Mitte Deutschlands. Laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung wollen rund 80% der deutschen Bevölkerung den Holocaust und die Judenverfolgung „hinter sich lassen.“ Knapp 60% der Befragten wollen einen „Schlussstrich“ unter das Kapitel setzen.
Angst vor Übergriffen wächst
Trotzdem wächst in jüdischen Kreisen und Gemeinden die Angst vor Übergriffen. Mehr als die Hälfte der Juden in Deutschland ist überzeugt davon, dass der Antisemitismus auch in Zukunft weiter zunehmen wird. Als Vorsichtsmaßnahme empfiehlt der Zentralrat der Juden bereits in großen Städten eher eine Baseball-Cap anstatt einer Kippa zu tragen.
Betrachtet man die Polizeistatistik kann man keine Erhöhung von antisemitischen Straftaten erkennen. Im Zeitraum von 2016 bis 2017 sei die Anzahl der Übergriffe stattdessen leicht gesunken. Trotzdem muss man beachten: nicht jede Tat wird auch erfasst. Denn nicht jeder Übergriff auf Juden wird auch als solcher erkannt und von der Polizei wahrgenommen. Laut Angaben der Polizei muss bei einer Straftat ein Hinweis auf ein politisches Motiv vorliegen, was nicht immer klar festzustellen ist. Hinzu kommt eine große Dunkelziffer: nicht jeder Übergriff wird der Polizei gemeldet. Die Gründe dafür sind oftmals Scham und schlechte Erfahrungen mit Behörden.
Antisemitismus im Internet
Neben Übergriffen auf der Straße wird zunehmend eine andere Mitteilungsform genutzt, um den Hass gegen Juden zu schüren: das Internet. Antisemitische Kommentare in Online-Portalen und sozialen Medien sind so häufig wie noch nie. Mittlerweile lassen sich in fast jedem Bereich Texte, die sich gegen Juden richten, finden. Inhaltlich beziehen sich diese meist auf die klassischen Stereotypen, wie die Juden als „Verschwörer“ und „Fremde“.
Der Grund für die Ausbreitung sei, dass die Aufklärungsarbeit der vergangenen Jahre in der Gesellschaft keine ausreichenden Erfolge gehabt habe. Die Folgen: der Antisemitismus in Deutschland wird wieder populärer und hat mittlerweile eine Ausbreitung erreicht, die es in der Form zuvor noch nie gegeben hat.
Zeichen gegen Gewalt und Solidarität setzen
Aufgrund dieser besorgniserregenden Entwicklung ist es umso wichtiger, ein Zeichen gegen Antisemitismus zu setzen und dem Hass gegen Juden keinen Raum in der Gesellschaft zu geben. Bonn geht mit dem „Tag der Kippa“ am vergangenen Donnerstag einen entscheidenden Schritt in diese Richtung, um die Solidarität mit Juden zu bekunden und Antisemitismus keine Chance zu lassen.