Die Ampelregierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag einiges in Sachen Wahlrecht vorgenommen. Hauptziel war eine Reform, um den Bundestag wieder schrumpfen zu lassen. Und tatsächlich wurde dieses Ziel erreicht.
Wie war es denn bisher?
Bei der Bundestagswahl hat jede:r Wahlberechtigte zwei Stimmen: Mit der ersten Stimme wählt man eine:n Kanditat:in im eigenen Wahlkreis. Diese Person zieht dann über ein Direktmandat in den Bundestag ein. Mit der Zweitstimme wählt man eine Partei und bestimmt so die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag. Hat eine Partei mehr Sitze nach Zweitstimme als sie mit Direktmandaten besetzten kann, kann sie mit sogenannten Listenmandaten auffüllen. Auf schlau heißt das, hier wurde ein Mehrheitswahlrecht (Kandidat:in mit den meisten Stimmen gewinnt Wahlkreis) mit einem Verhältniswahlrecht (Bundestag bildet Verhältnis der abgegebenen Stimmen ab) kombiniert, wobei das Verhältniswahlrecht letztendlich dominieren soll.
Daraus ergab sich jedoch ein Problem. Einige Parteien, CDU, CSU und SPD, erhielten über die Erststimme mehr Mandate als ihnen laut Zweitstimme Sitze im Bundestag zustünden. Trotzdem durften alle Direktmandate, die aus der Erststimme gewählt wurden, in den Bundestag einziehen. Es entstanden die sogenannte Überhangmandate. Die anderen Parteien haben daraufhin wiederum Ausgleichsmandate bekommen, damit die Anzahl der Sitze wieder zu den Prozenten der Wahlergebnisse passt.
Bei den letzten Wahlen brauchte man aber immer mehr Überhangmandate und damit immer mehr Ausgleichsmandate. Der Bundestag wuchs immer weiter an. Geplant sind für den Bundestag 598 Sitze, nach der letzten Wahl waren es aber 735. Damit ist der Bundestag aktuell noch die größte nationale Parlamentskammer, die frei und demokratisch gewählt wird. Die Ampelkoalition sah darin aber nicht unbedingt einen Vorteil. Zum einen sind mehr Abgeordnete natürlich teurer als weniger Abgeordnete, zum anderen sah sie die Arbeitsfähigkeit des Parlaments gefährdet.
Und wie ist es jetzt?
Mit der Bundestagswahl 2025 gilt daher ein neues Wahlrecht, mit dem die Überhangs- und Ausgleichsmandate wegfallen. Nicht alle, die ihren Wahlkreis gewonnen haben, dürfen auch mit einem Direktmandat in den Bundestag einziehen. Das Sitzkontingent einer Partei wird also allein durch die Zweitstimme festgelegt, die Parteien brauchen für ihre Direktmandate eine sogenannte Zweitstimmendeckung. Gewinnt eine Partei mehr Wahlkreise als sie Sitze im Bundestag hat, müssen die Wahlkreisgewinner:innen zu Hause bleiben, die verglichen mit anderen Wahlkreisgewinner:innen der eigenen Partei die wenigste Zustimmung haben.
Dadurch, dass die Überhangmandate wegfallen, braucht man auch keine Ausgleichsmandate mehr und der Bundestag verkleinert sich, so wie sich das die Ampelregierung gewünscht hatte. Im Dschungel der Mandate bleiben so nur Direkt- und Listenmandate übrig. Allerdings gibt es auch durchaus Kritik an der Reform. So kann es eben passieren, dass ein Wahlkreis nicht durch die Person vertreten wird, die bei der Wahl in diesem Wahlkreis die meisten Stimmen bekommen hat.
Besonders laut kam diese Kritik von CDU und CSU, denn diese Parteien sind neben der SPD am stärksten von der Reform betroffen. Die drei Parteien gewinnen die allermeisten Wahlkreise in Deutschland, haben traditionell so auch die meisten Direktmandate und damit auch Überhangmandate. CDU/CSU argumentierten vor Gericht, dass dadurch der Grundsatz der personalisierten Verhältniswahl verletzt werde und die Wahlen nicht mehr für alle Parteien gleich seien. Das Bundesverfassungsgericht verwies jedoch darauf, dass die Prinzipien einer allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahl nicht verletzt seien. Die Gleichheit gelte weiter für alle Parteien, denn sie könnten alle unter den gleichen Bedingungen antreten. So gelte auch die Zweitstimmendeckung für die Direktmandate für alle Parteien.
Zwar ist mit der Reform vieles hinfällig, was ich vor wenigen Jahren noch in der Schule beigebracht bekommen habe, aber ich musste auch feststellen, dass es sich bei weitem nicht um die erste Wahlrechtsreform handelt. Denn eine Zeit lang gab es nur eine bestimmte Anzahl an Überhangmandaten, die dafür aber nicht ausgeglichen wurden.