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Bild: Lynn Kraemer

Tante Olga rettet die Welt

Lesezeit: 3 Minuten

Für viele ist Zero Waste der neuste Trend. Für Olga Witt ist es eine langfristige Entwicklung. Über Olgas Lebensstil, ihren Laden und Änderungen, die wirklich Sinn ergeben.

Auf dem einen Eck der Kreuzung steht Tante Olga. Im Laden sind liebevoll beschriftete Dosen fein säuberlich nebeneinander aufgereiht und der erste Blick fällt auf eine Wand mit durchsichtigen Behältern, die mit Reis oder ähnlichem befüllt sind. Auf dem Eck diagonal gegenüber gibt es eine Wohnung, vor deren Haustür sich Schuhe stapeln, in der die Möbel zusammengewürfelt sind und das Wohnzimmer mit Spielzeug bedeckt ist. Zu beiden gehört die gleiche Frau.

Zwei Orte, eine Frau

Dem Kölner Laden hat Olga Witt ihren Namen geschenkt. Dort ist sie diejenige, die immer einen guten Rat weiß. Auf der anderen Straßenseite ist sie einfach nur Olga. Die beiden Orte und sie sind durch Zero Waste verbunden. Vor sechs Jahren begann Olga Müll zu vermeiden und inzwischen verursacht sie fast keinen mehr. „Ich habe eingekauft wie jeder andere normale Mensch und habe relativ schnell wieder den Müll rausgebracht und das ist mir irgendwann sauer aufgestoßen“, beschreibt sie ihre Anfänge.

Im Vorbeigehen würde man es Olga nicht ansehen. Die 35-Jährige trägt keine ökologische Kleidung, sondern die gleiche Synthetik wie die meisten Leute. Der Unterschied: Olgas Klamotten stammen aus Kleidertäuschen und ihre Familie bräuchte Jahre um eine Mülltonne zu füllen. Von den 465 kg Haushaltsmüll, die jeder Deutsche im Jahr verursacht, ganz zu schweigen. Das gebrauchte Spielzeug ihres zweijährigen Sohnes Levin mag zwar in der Wohnung verstreut sein, aber Verpackungen und Plastik sind verschwunden. Dafür gibt es eine Po-Dusche, Haarseife und Stofftaschentücher.

Der Beginn einer Bewegung

Olga wurde von Bea Johnson inspiriert, die als ein Gesicht der Bewegung weltweit ihre fünf Schritte für ein müllfreies Leben vorstellt. Zu Beginn heißt es Überflüssiges abzulehnen und “lange über Kaufentscheidungen nachzudenken”, erklärt Olga. Im zweiten Schritt wird reduziert und nur Nützliches aufgehoben. Danach gilt es, nachhaltig mit allem umzugehen und auf wiederverwendbare Produkte zu setzen. In den letzten Schritten wird der anfallende Müll recycelt oder selbst kompostiert.

Bea Johnson hält Jahr für Jahr ein Einmachglas mit dem Müll, der übrig bleibt, in die Kamera. Das ist medienwirksam, motivierend und hat einen Trend ausgelöst. Als Olga beginnt von der Bewegung zu erzählen, beginnen ihre braunen Augen zu strahlen: „Es freut mich total, dass es so ein Hype ist. Es werden immer mehr Leute aufmerksam und das elektrisiert mich.“ Ein Glas brauche sie trotzdem nicht, denn „man macht das nicht, um ein Einmachglas in eine Kamera zu halten, sondern weil es Sinn macht. Und da ist nicht unbedingt das letzte kleine Stückchen Müll relevant, sondern das große Ganze.“

Ein kompletter Lebenswandel

Sich in die Mitte der Kreuzung zu stellen, um alle lauthals von Zero Waste zu überzeugen, würde nicht zu ihr passen. Aber sie will zeigen, dass Zero Waste nicht weniger Leben heißt: „Niemand wird auf Null kommen, aber jeder kann nach dem Motto leben.“ Ihren Job als Architektin hat sie aufgegeben, angefangen zu bloggen, zwei Bücher über Zero Waste geschrieben und einen Unverpackt-Laden eröffnet. Dort, wo Olga jetzt mit angezogenen Beinen auf dem hellen Sofa sitzt, türmten sich vor ein paar Jahren noch 25 kg-Säcke mit Lebensmitteln. Das Wohnzimmer war gleichzeitig Onlineshop für nachhaltige Produkte und „platzte aus allen Nähten“. Bevor Olga mit ihrem Mann Gregor und ihrer Freundin Dinah den Laden eröffnete, war ihre Wohnung die alleinige Schaltzentrale. Heute wechselt Olga einfach die Straßenseite und kann mit dem Laden auch anderen den Zugang zu unverpackten Lebensmitteln ermöglichen, wenn sie ihre eigenen Behälter mitbringen.

In ihrer kleinen Blase

Während es draußen langsam dunkel wird, beginnt gegenüber ein warmes Licht von Tante Olga auszugehen. Aber die Wärme entsteht nicht durch die Einrichtung, sondern durch die Menschen. So wie Judith, die seit zwei Jahren bei Tante Olga arbeitet und gerade mit einer Kundin über Zahnpastaersatz fachsimpelt. Sie begann vor sechs Jahren mit Zero Waste als sie in ihre erste Wohnung zog. Und Judith will an einem Ort arbeiten, der „auch Sinn macht“. Der Laden ist eine kleine Insel der Glückseligkeit. Allerdings gibt Olga zu, dass er oft eine kleine Blase sei, weil man nur nachhaltigen Menschen begegne und dann kurz vergesse, wie die Welt eigentlich ist.

Zu sich selbst gefunden hat Olga weder auf dem einen noch auf dem anderen Eck der Kreuzung. Am Beginn ihres Zero-Waste-Weges stand eine Selbstfindungsreise nach Südostasien. „Für mich war das echt wertvoll, aber ich bin an der Stelle darauf gekommen, dass ich nicht mehr fliegen möchte“, gibt sie nachdenklich zu. Denn durch den Flug um die halbe Welt werden sämtliche CO₂-Emissionen verbraucht, die pro Jahr und Kopf erlaubt wären, wenn die Erderwärmung das Klimaziel von 2 Grad Celsius nicht überschreiten soll. „Gerade in der Anfangsphase habe ich dann echt versucht mich jeglichem Müll zu entziehen, aber davon bin ich wieder ein bisschen abgewichen und konzentriere mich auf das, was wirklich viel Effekt hat“, resümiert sie. Das Ideal Zero Waste bleibt für Olga ein Lernprozess und nicht nur ein Trend.

Mehr über Olga Witt und ihren Laden findet Ihr hier:
Olgas Blog: www.zerowastelifestyle.de
Der Laden: www.tante-olga.de