Der Universitätsabschluss ist zweifellos der Höhepunkt im Leben vieler Studierenden. Nach zahlreichen Semestern des Lernens und Arbeitens ist es Zeit Abschied zu feiern und einen Tag gemeinsam mit Kommiliton*innen und Familie zu genießen. Doch die opulente Inszenierung des Unifestes, die sich nahtlos in das Image der Uni Bonn als Exzellenzuni einfügt, hinterlässt einen faden Beigeschmack.
Dieser Beitrag gibt die subjektive Meinung des Autors wieder.
Unifest: Ein Fest im Glanz der Exzellenz
Alljährlich zum Ende des Sommersemesters steht das Unifest auf dem Programm. Absolvent*innen feiern ihre Abschlüsse, bevor sie ins Berufsleben starten oder ein Aufbaustudium beginnen. Für viele markiert dieses Fest den Beginn eines neuen Lebensabschnitts, der durch ausgelassene Feierlichkeiten eingeläutet werden soll.
Seit 2005 wird das Unifest in Bonn nach angelsächsischem Vorbild inszeniert. In feierlichen Talaren und Barett, mit einem verzierten Zepter in der Hand, schreiten Rektor und Dekan*innen elegant-aristokratisch über die von Menschen geflutete Hofgartenwiese. Das barocke Hauptgebäude erstrahlt im Hintergrund der aufgebauten Bühne. Dicht gefolgt erscheinen die Absolvent*innen in Talaren, geschmückt mit seidenen Bändern in den Farben ihrer Fakultäten. In der Rede des Rektors wird wiederholt die renommierte Stellung der Universität Bonn als Exzellenzuniversität betont, ebenso wie die deutschlandweit einmalige Anzahl von sechs Exzellenzclustern hervorgehoben. Nach weiteren Redebeiträgen erhalten die Absolvent*innen lateinische Schmuckurkunden bei einem kräftigen Handschlag mit den Dekan*innen überreicht – eine stilvolle Szenerie, die sich hervorragend für Fotos eignet. Alles in allem ein harmonisches Fest im akademischen Elfenbeinturm der Universität Bonn.
Doch die Exzellenzstrategie steht seit langem in der Kritik
Kritik an der Exzellenzstrategie – ein elitäres System
Die Exzellenzstrategie ist ein wettbewerbliches Antragsverfahren für befristete Forschungsprojekte. Deutsche Universitäten streiten sich im Rahmen dieser, in regelmäßigen Zyklen um Fördermittel und die begehrten Titel der Exzellenz. Dadurch soll die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Wissenschaftsstandorts Deutschland ausgebaut werden – ein wohl eher kläglicher Versuch, mit der internationalen Elite à la Harvard und Stanford mitzuhalten, die bereits auf eine lange, durchaus kritikbehaftete Tradition wettbewerbsorientierter und privat finanzierter Elite-Universitäten blicken.
Denn der Wettbewerb um Fördermittel und den Titel der Exzellenz hat längst einen leistungsindifferenten Mechanismus der Selbstverstärkung in Gang gesetzt, der bereits stark aufgestellte Universitäten, wie z.B.die Uni Bonn überproportional begünstigt. Kleinere und mittlere Universitäten gehen in diesem Wettbewerb mit ungleichen Startkonditionen meist leer aus. Auch ostdeutsche Universitäten werden kaum berücksichtig, wie die jeweiligen Ministerien der Bundesländer bemängeln. Das Ergebnis ist die Herausbildung einer Zweiklassengesellschaft der Deutschen Universitätslandschaft – mit Elite-Universitäten, und mit solchen, die im unterfinanzierten Regelbetrieb vor sich hinvegetieren.
Bürokratischer Aufwand und Innovationsverlust
Zudem wächst der bürokratische Aufwand für Anträge in mehreren Verfahrensrunden. Unter Forscher*innen mehrt sich der Frust, da sie sich zunehmend mit intensiver Vorarbeit und Anträgen auf Forschung beschäftigen müssen, welche mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht bewilligt werden, anstatt sich ihrer eigentlichen Forschungsarbeit widmen zu können. Die hohen Kosten dieser häufig erfolglosen Antragsprozesse und die niedrige Förderquote deuten zudem auf eine geringe volkswirtschaftliche Effizienz hin.
Erfolgreiche Förderungsanträge sind meist jene, welche das gewünschte Antragsjargon bedienen und präzise zukünftige Leistungen versprechen, sodass sich die Forschung in Form von möglichst vielen Veröffentlichungen in Top-Ranked-Journals auch quantitativ, etwa durch die verstärkte Gewichtung von Zitationsindizes, verwerten lässt, um in internationalen Hochschulrankings aufzusteigen. Innovation, Originalität und offene Forschungsprozesse sowie die tatsächliche Qualität und Inhalte der Forschungsergebnisse werden geringfügig beurteilt, während eher das Befolgen vorgegebener Normen und die Verwendung von Buzzwords sowie Quantität von finanziellen und publizistischen Erfolgen gewertet wird. Dadurch wird die natürliche Wissensevolution massiv eingeengt.
Obwohl die DFG (Deutsche Forschungsgemeinschaft) sich darauf beruft, dass die Mehrzahl der Konzepte der Exzellenzstrategie interdisziplinär seien, lässt sich deutlich erkennen das ein überwiegender Großteil der Forschungscluster aus dem Bereich Technik- und Naturwissenschaften sind. An der Universität Bonn lässt sich lediglich eines der sechs Cluster überwiegend den Geisteswissenschaften zuordnen, was in etwa auch dem deutschlandweiten Verhältnis entspricht, obwohl die Universität lange Zeit vor allem wegen ihrer einflussreichen und kontroversen Geisteswissenschaftler (u.a. Friedrich Nietzsche, Ernst Moritz Arndt, Karl Marx, Jürgen Habermas) bekannt war. Das liegt auch daran, dass in den Geisteswissenschaften häufiger Bücher als zentrale Publikationsform dienen, die unregelmäßiger und in größeren Abständen erscheinen und daher in den zunehmend gewichteten Zitationsindizes weniger berücksichtigt werden. Dadurch fällt es Universitäten in diesem Bereich schwerer, in internationalen Hochschulrankings aufzusteigen. Im Gegensatz dazu veröffentlichen die Naturwissenschaften tendenziell regelmäßiger kürzere Artikel in Top-Ranked-Journals. Insgesamt reiht sich die Exzellenzstrategie damit in einen größeren Trend der wissenschaftlichen Finanzierungslinien ein, bei dem ein signifikant überproportionaler Anteil an Forschungsgeldern in die Technik- und Naturwissenschaften fließt.
Drittmittelabhängigkeit und Prekarität
Zudem birgt der allgemeine Trend zur Drittmittel-Orientierung in der Hochschulfinanzierung das Risiko einer Instrumentalisierung der Wissenschaft, und damit auch einen Vertrauensverlust (wobei die Exzellenzstrategie als rein aus öffentlicher Hand finanziertes Programm hiervon nur marginal betroffen ist). Trotzdem scheint die fortschreitende Finanzierung durch Drittmitteln die chronische Unterfinanzierung des universitären Regelbetriebs verstecken, und damit Investitionen und die Grundausstattung von Universitäten mehr oder weniger, ersetzen zu wollen.
Hinzu kommt, dass sich Nachwuchswissenschaftler*innen durch die Abhängigkeit von Drittmitteln und die Exzellenzstrategie vermehrt in befristeten Stellen wieder finden. Auch der Bericht der Internationalen Expertenkommission zur Evaluation der Exzellenzinitiative kommt zu diesem Schluss:
„Insgesamt wurden mit der Exzellenzförderung allerdings in erster Linie weitere befristete Stellen für Nachwuchswissenschaftler/innen geschaffen. […] Dies hat die Situation des wissenschaftlichen Nachwuchses – inklusive der Beteiligung von Frauen im Wissenschaftsbetrieb – […] nicht nennenswert verbessert, sondern die endgültige Entscheidung über eine akademische Karriere eher auf ein höheres Alter verschoben.“
Eine vor vielen Jahren ins Leben gerufene Petition „Perspektive statt Befristung“, die genau diese Problematik adressiert, erhielt über 25.000 Unterschriften. Die 2014 erschienene Studie unter dem Titel ,,Exzellenz braucht Existenz” untersuchte insbesondere das Wissenschaftszeitvertragsgesetz und das daraus hervorgehende Sonderbefristungsrecht. 2021 flammte die Bewegung erneut auf, als ein Imagevideo des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) erschien, in dem die fiktive Figur Hanna die angeblichen Vorteile der geltenden Regelungen, wie etwa Innovationskraft, erläutern sollte. Unter #IchBinHanna teilten Betroffene anschließend ihre individuellen Erfahrungen, gaben den prekären Arbeitsbedingungen ein Gesicht und schufen damit eine Welle des Protests, die viral ging und schnell mediale und politische Aufmerksamkeit generierte. Innerhalb kürzester Zeit meldeten sich tausende Wissenschaftler*innen mit ähnlichen Geschichten zu Wort.
Auch von Studierenden, die als Folge der Bologna-Reform immer schneller durch das Studium gepeitscht werden um möglichst rasch fit für den Arbeitsmarkt zu sein, sowie von ASTA-Verbänden deutschlandweit, mehrt sich Kritik. Die Exzellenzstrategie fokussiere sich lediglich auf die Forschung und ließe die Lehre unberücksichtigt. Dabei sehen die Investitionen in die Bildung im internationalen Vergleich alles andere als exzellent aus. Gemessen am BIP liegen die Investitionen in Bildung in Deutschland seit Jahren konstant unter dem Durchschnitt der EU und OECD-Staaten.
Bei genauerem Hinsehen bröckelt also das nach außen hin gepflegte Bild und offenbart die Schattenseiten des elitären Wettbewerbs.
Fazit
Ich bin unfassbar dankbar für die schöne und lehrreiche Zeit an der Uni Bonn, meiner „Alma Mater“, die vielen spannenden Lehrveranstaltungen und inspirierenden Dozent*innen, die mich maßgeblich beeinflusst haben diesen Beitrag zu verfassen. Doch auf die lateinische Schmuckurkunde, die wohl die wenigsten Absolvent*innen entziffern können, und die als Sinnbild für die Inszenierung der Universität als Elite- und Exzellenzuniversität dient, kann ich gerne verzichten.
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Lesetipp:
Collini, Stefan. What are universities for?. Penguin UK, 2012.
Quellen:
Bahr, A., Eichhorn, K., & Kubon, S. “#IchBinHanna: Prekäre Wissenschaft in Deutschland.“ Suhrkamp, 2022.
Hartmann, M. „Die Exzellenzinitiative — ein Paradigmenwechsel in der deutschen Hochschulpolitik.“ Leviathan 34 (2006): 447–465. https://doi.org/10.1007/s11578-006-0064-1.
Hartmann, M. „Die Exzellenzinitiative und ihre Folgen.“ Leviathan 38 (2010): 369–387. https://doi.org/10.1007/s11578-010-0091-9.
Internationale Expertenkommission zur Evaluation der Exzellenzinitiative (IEKE). Endbericht. Berlin, 2016.
Münch, Richard. „Die akademische Elite: zur sozialen Konstruktion wissenschaftlicher Exzellenz“. Suhrkamp, 2007.
Münch, Richard. „Alle Macht den Zahlen! Zur Soziologie des Zitationsindexes.“ Soziale Welt (2015): 149–159.
Ohm, B. „Exzellente Entqualifizierung: Das neue akademische Prekariat.“ Blätter für deutsche und internationale Politik, August 2016. https://www.blaetter.de/ausgabe/2016/august/exzellente-entqualifizierung-das-neue-akademische-prekariat.
Raupach, S. M., Lienhop, M., Karch, A., Raupach-Rosin, H., & Oltersdorf, K. M. (2014). „Exzellenz braucht Existenz“ Studie zur Befristung im Wissenschaftsbereich: ein Beitrag zur Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes, 299.
Reitz, T., Graf, A., & Möller, C. „Nicht förderungswürdig. Weshalb die Evaluation der Exzellenzinitiative gegen deren Fortsetzung spricht.“ sub\urban. Zeitschrift für kritische Stadtforschung 4.2/3 (2016): 221–232. https://doi.org/10.36900/suburban.v4i2/3.265.