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Die Ärzte feiern den „Herbst des Lebens“ in Köln

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1982 standen die Ärzte zum ersten Mal auf der Bühne, mittlerweile sind ausverkaufte Touren für sie Routine. Auch während der  aktuellen „Herbst des Lebens“-Tour war das Kölner Palladium vergangenen Samstag randvoll – die perfekte Gelegenheit also, um nochmal zu zeigen, was die drei so drauf haben.

Mitten im „Herbst des Lebens“ (und der gleichnamigen Tour) stecken die Ärzte gerade und fahren dabei diesen September und Oktober ausnahmsweise nicht die üblichen Stadien, sondern absichtlich „kleinere“ Venues an – wie zum Beispiel das Kölner Palladium. Dort spielten sie am vergangenen Wochenende gleich zwei komplett ausverkaufte Shows und zelebrierten schon am Samstag gebührend ihre Karriere und die Vielfältigkeit des eigenen Musikkatalogs. Dabei bewiesen Farin Urlaub, Bela B und Rod González, dass sie weiterhin einfach Profis in ihrem Handwerk sind. Denn auch wenn der Titel der aktuellen Tour einen Hieb gegen das eigene Altern verrät, scheinen die Ärzte noch immer weit vom Ruhestand entfernt zu sein. Vollkommen vital wirken die drei, und das bewiesen sie am Samstag knappe 2,5 Stunden: Bei „Die Banane“ beispielsweise singt Rod gleichzeitig Falsetto und spielt währenddessen auch noch Bass, Keyboard, Perkussion – und damit laut Bela B in einer ganz anderen Liga.

Ärztliche Diagnose: weiterhin frisch und vital

Die Ärzte bleiben also nach knapp 40 Jahren Bandgeschichte unverändert gut und üben sich auch mit einem Altersdurchschnitt von mittlerweile fast 60 Jahren noch in der gleichen frechen Provokanz und ärztlichen Ironie, wie sie es schon seit Beginn ihrer Karriere tun. Das Alter merkte man hin und wieder dann aber doch an den teils boomerigen Witzen und elternhaften Anekdoten über Walkmans und Band-Salat, für die Farin sogar einen Song unterbrach, als wäre das Publikum des Palladiums an diesem Abend im Schnitt nicht immer noch an die vierzig Jahre alt. Ein paar Ausnahmen gibt es in der Ärzte-Demographie dann aber doch immer: Schon auf dem Weg zum Palladium konnte man alteingesessene Ärzte-Fans nicht nur mit Tourshirts aus den 90ern, sondern eben auch mit den eigenen Kindern durch Köln pilgern sehen. Mit dicken Ohrenschützern ausgestattet sah man dann auch die kleinsten Fans im Palladium mitfeiern – und durfte Zeuge des vielleicht jüngsten Crowd-Surfers in der Karriere der Ärzte werden.

Tadel von Papa Urlaub

Farin Urlaub kritisierte außerdem die Second-Hand-Lebigkeit der Smartphone-Generation und tadelte einige Fans, die wohl ganz unverfroren und vor allem dauerhaft das Konzert „mit dem Handy vor der Omme“ beobachteten und mitfilmten. Ob das denn so viel „geiler sei“, fragte Urlaub und betonte, dass es ja okay wäre, ab und an mal zu filmen, wenn man denkt, dass die drei alten Herren auf der Bühne mal wieder einen zündenden Spruch raushauen, aber doch „bitte nicht so viel“. Obwohl in einer solchen Kritik immer ein leichter Hauch von „früher war alles besser“ mitschwingt, schien sie an dem Abend aber durchaus berechtigt.

BH-Bettelei im Jahr 2023?

Kritik am Publikum äußern die Ärzte ja gerne mal, und auch sich selbst nehmen sie regelmäßig selbstironisch auf die Schippe. Trotzdem hätte man sich an diesem Samstagabend an mancher Stelle schon erhofft, dass mit dem Alter auch ein bisschen mehr Selbstreflektion kommt: Gerade unter Betrachtung des aktuellen Klimas innerhalb der Rock- und Metalszene hätte man sich ja vielleicht mal fragen können, ob es wirklich noch so zeitgemäß ist, sich BHs auf die Bühne werfen zu lassen oder ob man vielleicht mal ganz konkret Stellung beziehen sollte, ohne dabei noch dumme Witzchen zu reißen und sich immer hinter der selben Spitzheit und Ironie zu verstecken.

Eine Parade der eigenen Diskographie

Die Fans im Palladium hatten am Samstag allerdings trotzdem ihren Spaß, gerade weil Ärzte-Ultras bei diesem Konzert wirklich auf ihre Kosten kamen. Mit „Trick 17 M.S.“ oder „Quark“ klapperten die Ärzte wirklich einige Jahrzehnte an Bandgeschichte ab und auch wenn bei „Vokuhila Superstar“ vielleicht nicht jede*r im Palladium mitsingen konnte, so brüllten die textsicheren Fans den Song umso lauter. In den beiden Zugaben lieferten Farin, Bela und Rod dann aber natürlich noch die Songs, auf die alle schon sehnsüchtig gewartet hatten und so brach bei „Wie es geht“ und „Schrei nach Liebe“ der wohl verschwitzteste Moshpit des Jahres los. Aber auch ihre sentimentale Seite ließen die Ärzte zu Ende kurz durchblitzen: Farin Urlaub stimmte mit „Leben vor dem Tod“ zunächst ganz ruhig die erste Zugabe an, und Bela B packte für die zweite dann den bunten Karnevalshut aus (weil Köln, haha) und widmete „Der Graf“ seinem Papa, der an dem Abend mit knapp 4000 Fans Zeuge der selbsternannten „besten Band der Welt“ werden durfte.