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Ein gar nicht so sehr strahlendes Land? – Filmpremiere „Ein strahlendes Land“

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„Ein strahlendes Land“. So heißt der erste Dokumentarfilm des Bonner Journalisten Marvin Oppong. Am 12. Juni  war die Premiere in der Neuen Filmbühne in Beuel. bonnFM war für Euch dabei.

Der doch eher kleine Saal der Neuen Filmbühne in Bonn-Beuel ist an diesem Mittwochabend gut zur Hälfte besetzt. Das muss aber nicht weiter verwundern, handelt es sich bei der Filmbühne doch um ein klassisches Programmkino. So preist dann auch die Werbung vor dem Hauptfilm „100 Jahre Bauhaus“ (gemeint ist der Architektur-Stil, nicht die Baumarkt-Kette) und einen Hersteller für ökologische Mode an. 

Regisseur Marvin Oppong ist selbst anwesend, spricht vor dem Beginn des Films ein paar Worte. „Ein strahlendes Land“ ist sein erster Film, eigentlich ist er Journalist. „Ich wollte eigentlich nur mal eben einen kleinen Film machen und jetzt stehe ich hier in einem Kinosaal“ sagt Oppong, und man nimmt ihm diese beinahe naive Überraschung durchaus ab.

Eine Reise zu radioaktiven Orten

Wie der Journalist bereits im bonnFM-Interview verraten hat, kam er auf die Idee zu dem Film durch Berichte über Züge mit radioaktiver Fracht, die regelmäßig durch Bonn-Beuel fahren. Konsequenterweise beginnt der Film dann auch mit genau dieser Geschichte. Der Anfang einer Reise durch das (vermeintlich) radioaktive Deutschland.

Der eigentliche Beginn mutet dann zunächst etwas trocken an, gibt es doch erst einmal eine theoretische Einführung über Messmethoden und der Gefährlichkeit von radioaktiver Strahlung. Andererseits ist es natürlich wichtig, gerade bei einem solchen Thema nah an den wissenschaftlichen Fakten zu arbeiten. Insgesamt fällt der theoretische Anteil des Films auch sehr kurz und vor allem kurzweilig aus.

Heftiger Gegenwind

Marvin Oppong nimmt uns unter anderem mit zu einer Sondermülldeponie in Troisdorf, wo radioaktive Abfälle gelagert werden dürfen. Bereits hier zeigt sich, mit welcher Gegenwehr er bei seinen Recherchen konfrontiert wurde: zwei unbekannte Männer fotografieren den Journalisten ungefragt, bedrängen ihn auf aggressiver Weise und teils sogar mit rassistischem Unterton. Kein Einzelfall: immer wieder gerät Oppong in Konflikt mit Sicherheitsdiensten, wird zur Löschung seines Filmmaterials aufgefordert. Einmal, erzählt er nach dem Film, wird ihm und seiner Kollegin sogar offen körperliche Gewalt angedroht. 

Die Reise führt als nächstes zu einem ehemaligen Einkaufszentrum, das radioaktiv verstrahlt ist. Die Strahlung betrifft auch das umliegende Wohnviertel, wo Menschen in ihren Privathäusern Messgeräte aufstellen und ihre Keller rund um die Uhr entlüften müssen. 

In einem Forschungszentrum bei Jülich werden radioaktive Abfälle gelagert. Exakt diese Anlage war angeblich im Fokus eines der Attentäter von Paris (November 2015). Der Attentäter soll Unterlagen und Fotos der Anlage besessen haben. Die zuständigen Behörden wollten sich Oppong zufolge nicht dazu äußern, verwiesen auf die Geheimhaltung.

Wird die Gefahr künstlich aufgebauscht?

Überhaupt erhält der Journalist von angefragten Einrichtungen und Behörden oft nur ausweichende Antworten – wenn überhaupt. Es entsteht der Eindruck, dass die Verantwortlichen die Gefahren von Radioaktivität nicht wirklich ernst nehmen. Auf die Frage nach der Schädlichkeit von Flusswasser, in das radioaktive Abfälle eingeleitet werden, antwortet der Gesprächspartner nur salopp: „Man muss auch nicht immer Wasser trinken. Trinken Sie Bier, ist aber auch schädlich“. Ist also alles schlimm, schlimm, schlimm? Werden wir alle jeden Tag radioaktiv kontaminiert, ohne es zu merken?

Ganz so dramatisch ist es dann wohl doch nicht. An jedem seiner Drehorte hat Marvin Oppong einen Geigerzähler dabei. Und an fast allen Orten misst er in den frei zugänglichen Bereichen völlig unbedenkliche Werte. Die Stellen mit wirklich hohen Konzentrationen liegen sicher geschützt hinter Zäunen, Mauern, Sicherheitsleuten.

Unvermeidbar entsteht der Eindruck, dass hier eine in Wirklichkeit gar nicht so große Gefahr künstlich aufgebauscht werden soll. Dieses Bild verstärkt sich noch, wenn Oppong im Gespräch nach dem Film davon spricht, er sei vor „mysteriösen Autounfällen“ gewarnt worden oder Gesprächspartner hätten Angst vor „Bomben im Briefkasten“. Sicher birgt die Nutzung von Radioaktivität eine Menge Risiken und wird zurecht kontrovers diskutiert, sicher geht es auf Seiten der Atomindustrie um immens hohe Summen. Aber daraus gleich eine Art Mafia zu konstruieren, erscheint doch etwas gewagt – aus Sicht des Zuschauers, wohlgemerkt. Marvin Oppong selbst mag vielleicht Hintergrundinformationen haben, die ein solch drastisches Bild rechtfertigen.

Ein gelungenes Experiment

Überaus positiv ist Oppong jedenfalls anzurechnen, dass er sich äußerst kritisch mit anderen Medien auseinandersetzt. Die Kernaussagen einer ZDF-Doku widerlegt er zum Beispiel nahezu komplett, zeigt offensichtliche Falschbehauptungen detailliert auf. Eine solch deutliche Medienkritik wirkt ungemein erfrischend, erst recht gegenüber einem öffentlich-rechtlichen Sender.

Was also bleibt am Ende von diesem Film, laut Regisseur Oppong gestartet als „Experiment eines neugierigen Journalisten“? Auch wenn man dem Film die Low Budget-Produktion stellenweise anmerkt, ist es insgesamt doch bemerkenswert, was der Bonner Journalist größtenteils mit Crowdfunding auf die Beine gestellt hat. Als Sprecherin konnte er beispielsweise Nina Lentföhr gewinnen, die normalerweise Nachrichten und andere Produktionen für WDR und Deutschlandfunk spricht. Oppong selbst nennt den Film das größte journalistische Projekt seiner gesamten Karriere – und die dauert immerhin schon fast 20 Jahre. Die Produktionszeit von rund drei Jahren hat sich auf jeden Fall gelohnt. 
Fazit: Experiment gelungen!

Für Kurzentschlossene läuft „Ein strahlendes Land“ das nächste Mal am 16. Juni um 12:45 Uhr in der Neuen Filmbühne. Weitere Vorführungen sind Ende Juni in Bochum und Dortmund geplant, sowie Anfang September in Ostdeutschland. Bei allen Vorführungen wird Autor und Regisseur Marvin Oppong persönlich anwesend sein und sich den Fragen und Anmerkungen des Publikums stellen. Alle Termine und mehr Infos findet ihr unter www.einstrahlendesland.de.

Matthias Fromm

Moderator | Datenschutzbeauftragter Moderation bonnFM bissfest, queer um vier