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Geldnot trotz Spitzensport?

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Die finanzielle Situation für Spitzensportler:innen in Deutschland ist so verheerend, dass viele Profis sich unkonventionelle Arbeitgeber suchen müssen. Ganz oben dabei: Bundeswehr und OnlyFans.

240 Millionen Euro. So viel verdient Fußball-Legende Christiano Ronaldo in einer Saison. Das macht umgerechnet satte 4,5 Millionen Euro pro Woche. Nicht umsonst denken viele von uns beim Spitzensport an das große Geld. Doch der Schein trügt. Schaut man abseits der medial viel-repräsentierten Sportarten Männer-Fußball, Männer-Basketball oder Männer-Handball auf die Randsportarten, erkennt man die traurige Wahrheit hinter der glänzenden Fassade des Hochleistungssports: Geldnot ist eher die Regel, als die Ausnahme.

Die Lage in Deutschland

In vielen Sportarten und im Frauensport generell ist die Karriere so unlukrativ, das viele Top-Athletinnen und -Athleten einen Nebenjob ausüben müssen. Teilweise sind sie neben den durchschnittlichen 32-Stunden-Wochen sogar Vollzeit berufstätig. Denn der durchschnittliche Stundenlohn im Leistungssport lag 2019 noch bei 7,38€. Das geht aus einer Analyse des Bundesinstituts für Sportwissenschaft heraus. Allerdings ergeben sich sehr große Unterschiede zwischen den Sportarten. Ganz schlecht steht es um Athlet:innen im Hallenvolleyball, die mit einem Bruttostundenlohn von 1,89€ das Schlusslicht der Gehaltstabelle bilden.

Ganze 35 Prozent der Spitzensportler:innen in Deutschland geben an, dass das Einkommen aus dem Spitzensport es ihnen nicht ermöglicht, „sich hinreichend auf den Sport zu konzentrieren“. Fast 95 Prozent der Befragten haben nicht das Gefühl, gut finanziell abgesichert zu sein.

Aber was ist mit den Olympioniken? Denjenigen, die Deutschland in dem wichtigsten internationalen Wettkampf repräsentieren? Auch bei Olympia bekommen die Teilnehmenden keine Pauschalen ausgezahlt, die Entscheidung über die Höhe des Preisgelds liegt bei den Ländern. Das führt im internationalen Vergleich zu großen Unterschieden. Polnische Olympioniken haben zum Beispiel bei einer Medaille das Recht auf eine lebenslange, steuerfreie Rente ab dem vierzigsten Lebensjahr. In Italien bekommt man für Olympia Gold einmalig 150.000€ und vier Jahre lang nochmal jeweils 30.000€. In Deutschland ist das Preisgeld im Vergleich ein Almosen. Hier bekommen die Gewinner:innen nur eine einmalige Auszahlung von jeweils 10.000 bis 20.000 Euro.

Das Deutsche Modell – Set up to fail?

In Deutschland werden die meisten Athlet:innen im Spitzensport über die Deutsche Sporthilfe gefördert. Wer wie viel bekommt, ist über das Kadersystem strengstens geregelt. Im Schnitt reichen die Beträge von 300 bis 800 Euro. Während der Olympia-Vorbereitung kann man sich auch um die ElitePlus-Förderung der Sporthilfe bewerben. Die 1000 Euro erhalten aber selbst im Top-Team nur wenige.

Es gibt noch ein weiteres Problem: Wer nicht im Bundeskader ist, erhält gar keine Förderung. Davon war unter anderem Mittelstreckenläufer Marius Probst bei den letzten Olympischen Spielen betroffen. Obwohl er 2023 Deutscher Meister wurde und zweimal die EM-Norm unterbot, wurde er vom DLV nicht für den Bundeskader nominiert, ergo erhielt er keinen Cent.

Spitzensport ist in Deutschland mit einem Berg finanzieller Sorgen verbunden. Einfach trainieren und sich auf den nächsten Wettkampf konzentrieren, das können sich eigentlich nur die leisten, die große Sponsoren auf ihrer Seite haben. Die Verantwortung wird somit auf die Seite der Sportler:innen verlagert. Ein komplett anderes Modell wird beispielsweise in den USA umgesetzt. Dort fördern vor allem Universitäten die aufstrebenden Spitzensportler:innen mit Stipendien. Weshalb auch viele Talente in die USA oder nach Kanada auswandern.

Polizei, Bundeswehr und OnlyFans

Viele Sportler:innen üben neben dem Spitzensport noch Nebenberufe aus. Klassisch ist eine Tätigkeit als Sportsoldat:in oder bei der Polizei. Sportsoldat:innen müssen „nur“ einen verkürzten Grundwehrdienst absolvieren und werden von Manövern befreit. Sie sind aber von der Bundeswehr angestellt und bekommen ein festes Gehalt ausgezahlt. In Deutschland nehmen ca. 900 Leistungssportler:innen dieses Angebot in Anspruch – oft weil es eben anders nicht geht. Die deutsche Meisterin im Paar-Eiskunstlauf Annika Hocke sagt im Interview mit dem Sportstudio, dass ihr der Leistungssport ohne die Anstellung bei der Bundeswehr gar nicht möglich wäre. An dieser Stelle werden Abhängigkeiten geschaffen, die ganz schön bizarr wirken. Zum Bund müssen, um seinen Sport auf hohem Niveau ausüben zu können? Das haben sich viele wohl anders vorgestellt.

Die Geldnot treibt Spitzensportler:innen teilweise in noch unkonventionellere Nebenjobs. Ein wachsender Trend: Durch freizügige Posts auf OnlyFans ein Nebeneinkommen verdienen. Nackt zeigen sich die Sportler:innen in der Regel nicht, verlagern eher bestimmte Posts – Bikini und Strandbilder – von Instagram auf OnlyFans. Die dreifache WM-Goldmedaillen Gewinnerin beim Kurzbahn-Eisschnelllaufen Elise Christie sagt sogar, OnlyFans hätte ihr Leben gerettet. Sie hat am eigenen Leib erlebt, was fehlende finanzielle Sicherheit bedeuten kann. Nach einer Knöchelverletzung musste sie ihre Karriere abrupt beenden und arbeitete zwischenzeitlich drei Jobs, um sich über Wasser zu halten.

Gibt es Hoffnung?

OnlyFans will jetzt auch pro-aktiv ins Sport-Business einsteigen, als vollwertiger Sponsor. Die Bobpilotin Lisa Buckwitz ist die Erste, die seit der letzten Saison offiziell von OnlyFans gesponsert wird. Im Interview sagt sie, es sei in ihrer Randsportart schwierig Sponsoren zu finden und ein großes Unternehmen wie OnlyFans gebe Planungssicherheit für sie und ihr Team.

Unzureichende mediale Aufmerksamkeit für Randsportarten und fehlende Planungssicherheit treiben unsere Top-Athlet:innen dazu ihre Körper zu verkaufen. Sei es aufgrund ihrer Kraft oder ihrer Ästhetik.

Umso mehr Hoffnung weckt das ausstehende Sportfördergesetz, das eine grundlegende Verbesserung des Leistungssystems anstrebt. Allerdings diskutiert man darüber schon seit drei Jahren und die Entscheidung unterliegt schlussendlich dem Bundesministerium des Inneren. Ob Alexander Dobrindt dafür wohl Geld in die Hand nimmt?