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Kann ein Film über zwei Männer feministisch sein?- Ein Blick auf die TikTok Sensation „Saltburn“

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Seit Wochen wird im Internet heiß über Saltburn diskutiert. Der Thriller von Regisseurin Emerald Fennell über zwei Oxford-Studenten ist vor allem durch seine teils schockierenden Szenen in aller Munde. In der ersten Folge der Filmkolumne „Female Gaze“ fragt sich unsere Kolumnistin wie feministisch dieser Film eigentlich ist.

 „Lots of People get lost in Saltburn“ So wird es vielen gegangen sein, die den gleichnamigen Film von Emerald Fennell gesehen haben. Wer sich in den letzten Wochen auf TikTok herumgetrieben hat, wird wohl über die Begriffe „Grave Scene“ und „Bathtub Scene“ gestolpert sein, oder zumindest den Song „Murder On The Dancefloor“ auf Dauerschleife gehört haben. Saltburn ist spätestens seit diesem Hype zu einem der bekanntesten Filme derzeit geworden. Im Mittelpunkt steht der Oxford-Student Oliver Quick (Barry Keoghan), der in das extravagante Leben seines Mitstudenten Felix Catton (Jacob Elordi) und dessen Familie hereingezogen wird. Als Oliver den Sommer auf Saltburn, dem Familienanwesen der Cattons, verbringt, überschlagen sich die Ereignisse. Es sind nicht nur die schockierenden Szenen, die für viele so faszinierend sind, auch der Cast und die Cinematografie tun ihr übrigens. Und für viele ist Autorin und Regisseurin Emerald Fennell damit auch zu einer Ikone geworden. Nach Promising Young Woman ist Saltburn der zweite Film der Britin. Für ihr Debüt hat sie bereits einen Oscar für das beste Originaldrehbuch gewonnen, aber es brauchte erst einen TikTok Hype damit sie auch im Mainstream angekommen ist.

The Female Gaze – Frauen Hinter Der Kamera

Frauen hinter der Kamera gibt es natürlich schon seit der frühen Filmgeschichte. Neben all den großen männlichen Namen wie Hitchcock, Kubrick und Scorsese haben diese Frauen ebenfalls großes Kino gemacht. Nur wurden ihre Werke lange nicht gewürdigt und haben es, mit Ausnahmen, auch heute noch schwer. Deshalb möchte ich in dieser Kolumne ausschließlich Filme von Regisseurinnen in den Blick nehmen und mir vor allem die Fragen stellen: wie stellen diese Frauen unsere Welt dar? Was machen sie vielleicht anders als ihre männlichen Kollegen? Und natürlich auch: wie feministisch sind ihre Filme überhaupt?

Entstanden während der frühen Frauenrechtsbewegungen, hat der Begriff Feminismus heute verschiedene Strömungen und Ausprägungen. Feminismus definiere ich hier als Bewegung, die die Gleichstellung aller Geschlechter zum Ziel hat (natürlich ist das eine sehr verkürzte Definition). Ein feministischer Film sollte daher gesellschaftskritisch, gegen Diskriminierung, und möglichst intersektional sein, also auch Menschen zeigen die von mehreren Diskriminierungsformen betroffen sind.

Promising Young Men?

Auf den ersten Blick könnte man denken, Saltburn sei nicht feministisch. Zumindest wenn man auf die Präsenz der Frauen achtet. Zwar gibt es wichtige weibliche Rollen in dem Film wie Felix’ Schwester Venetia (Alison Oliver) oder seine Mutter Elspeth (Rosamund Pike), aber sie finden dann doch meist am Rande statt. Entscheidend für die Handlung sind Oliver und Felix. Doch wichtig ist es, sich die Darstellung dieser beiden Hauptcharaktere anzusehen.

Sowohl Oliver als auch Felix nehmen während des Films immer wieder Rollen ein, die traditionell Frauen zugeschrieben werden. Oliver ist der stille Bewunderer, die meiste Zeit eher schüchtern und unbeholfen. Eigenschaften, die man standardmäßig in weiblichen Charakteren sieht. Felix dagegen könnte auf den ersten Blick einer dieser stereotypischen, normschönen Highschool Sweethearts sein, wie wir sie schon in etlichen Teenie Rom-Coms gesehen haben. Auch Regisseurin Emerald Fennell hat in einem Video von Vanity Fair erzählt, dass Felix’s Körper oft präsent in Szene gesetzt wird. Dennoch findet keine Objektifizierung von Felix statt. Felix ist nicht (nur) wegen seines Körpers so attraktiv, sondern vor allem durch sein Charisma. Es ist seine Ausstrahlung die einen so in den Bann zieht, als er Oliver eine Tour durch das Anwesen gibt. Noch dazu wird im Laufe des Films ersichtlich, dass Felix eigentlich ein zutiefst sensibler Charakter ist. Bei männlichen love interests wird uns oft gezeigt, dass Emotionalität und Attraktivität nicht zusammenpassen. Saltburn stellt aber ganz selbstverständlich Felixs Züge heraus, die eigentlich als feminin angesehen werden. Es sollte nichts Besonderes sein, aber in einer patriarchalen Welt, in der Männer noch immer als das „starke“ Geschlecht angesehen werden und ihre Gefühle oft nicht zum Ausdruck bringen dürfen, ist es wichtig solche Charaktere auf der Leinwand zu sehen.

Die „Vampire Scene“

Eine Szene, die auf Social Media heiß diskutiert wird, ist die „Vampire Scene“, in der Oliver Venetia oral befriedigt, während sie ihre Periode hat. Für manche ist es eine der schockierenden Szenen, die sie nicht erwartet hätten, für andere ist es eine bahnbrechende Darstellung. Und ja, wenn ich nachdenke, fällt mir keine andere Filmszene ein, in der die Periode mit so einer Natürlichkeit in einem sexuellen Kontext behandelt wird.

In den Medien sehen wir oft Bilder von der Periode als etwas Unerwünschtes, dass es wenn möglich zu meiden gilt. Langezeit wurde in Werbungen für Tampons oder Binden nur eine durchsichtige Flüssigkeit anstatt einer blut-ähnlichen verwendet. Schon allein dadurch wird vermittelt, dass diese Blutungen unrein und ekelerregend seien. In Filmen gibt es häufig die klischeehafte Szene, in der eine Teenagerin plötzlich ihre Tage bekommt. Während sie im Klassenraum sitzt, ist da auf einmal ein Fleck auf ihrer weißen Hose, sie ist peinlich berührt und es gibt lautes Lachen von ihren Mitschüler*innen. All diese Darstellungen bringen uns bei, dass die Periode versteckt werden soll, dass sie zwar zum Leben dazu gehört, aber bitte nicht so offensichtlich. Dabei gehört das für viele einfach einmal im Monat dazu. Es ist ein ganz natürlicher Prozess im Körper von Menschen mit Uterus und wir brauchen auch Filme und Serien, die das so darstellen.

Deshalb ist diese Szene in Saltburn für mich so ein wichtiger Schritt, um die Periode und auch Sex während der Periode zu Entstigmatisierung. Obwohl Venetia sich zuerst dafür schämt ist es für Oliver in keiner Sekunde unangenehm, dass sie ihre Periode hat. Es stellt kein „Problem“ für ihn dar, oder ist auch nicht ekelhaft, es ist einfach nur zufällig so. Und das zeigt uns Zuschauenden wie natürlich die Periode ist und ist deshalb feministisch.

Fazit

Im Gegensatz zu Promising Young Woman in dem Emerald Fennell eine Frau in den Mittelpunkt stellt, die sich am Patriarchat rächt, ist Saltburn nicht offensichtlich feministisch. Feminismus ist nicht das Kernthema des Films, aber auf die Art und Weise, wie die Figuren und bestimmte Handlungen inszeniert werden, lässt sich eine feministische Grundhaltung erkennen. Ganz subtil gibt uns Emerald Fennell Gedankenansätze mit und regt (wie man auf Social Media sieht) zum Diskutieren an. Von diesen Filmen können wir auf jeden Fall mehr gebrauchen!