Kann bei Sicherheitsabstand und ganz ohne Tanzen oder dichtes Gedränge überhaupt richtiges Konzertfeeling aufkommen? Auf jeden Fall! Das haben die Band Razz und ihr Support wildfire. auf dem Telekom Open Air am Montag bewiesen – auch wenn Tanzen im Sitzen noch immer etwas gewöhnungsbedürftig bleibt.
Beim Anblick der auf dem Platz aufgebauten Bierbänke überkamen einen beim Razz Konzert von Bonn Live zwar zuerst Flashbacks zu Volksfesten und auch ein bisschen Sorge, ob mit Sicherheitsabstand und so ganz ohne Tanzen überhaupt richtiges Konzertfeeling aufkommen kann. Als dann aber der erste Ton fiel, war all das ganz schnell verflogen: Schon rollte der Bass wie eine Welle durch das Publikum und schien alle aus einem eineinhalb-jährigen Winterschlaf aufzuwecken. Passend zu ihrem Bandname spürte man schon bei der Vorband wildfire. wie der Funke aufs Publikum übersprang und sich die gute Laune von Sänger Fabian Kuhn bereits innerhalb der ersten Songs durch die Menge ausbreitete. Viele stellten überrascht fest, dass Tanzen nicht nur im Stehen, sondern auch im Sitzen funktionieren kann – zumindest mit sehr viel Schultereinsatz. Nach fast eineinhalb Jahren ohne Live-Musik war es wahrscheinlich genau das, was viele vermisst haben: Ganz in echt endlich mal wieder die Leidenschaft und den Spaß an der Musik miterleben zu dürfen.
Der einsame Applaus hat ein Ende
Spaß hatten die Jungs von wildfire. auf jeden Fall und leisteten damit eine gute Vorlage für Razz, die mit dem Song „Reverberating“ von der am Freitag releasten E.P. „Might Delete Later“ die zweite Hälfte des Abends eröffneten. Endlich konnten Razz die neuen Songs mal mit einem Publikum teilen und mussten nicht mehr – wie es laut Sänger Niklas Keiser wohl nach einer stundenlangen Studio-Session schon einmal der Fall war – für sich alleine klatschen. Stattdessen durften sie sich nun auch vom Publikum gebührend feiern lassen. Endlich mal wieder Musik gemeinsam mit anderen erleben und den Bass bis in die Knochen spüren zu können, war an diesem Abend auch für das Publikum irgendwie ein ganz besonderes Gefühl, das Hoffnung auf mehr machte.
Ganz sanft, aber auch ganz laut
Mit Songs wie „Constant Flow“ und „Like You“ wurden Razz dann richtig warm und zeigten bald, dass sie nicht nur ganz sanft und rockig, sondern auch immer noch sehr gut kraftvoll und dunkel können. Denn es gab neben der neuen E.P. auch einige ältere Songs live zu hören. Gerade „Youth & Enjoyment“ vom With Your Hands We’ll Conquer – Album hatte dabei live nochmal viel mehr Power, als der Track in der Studio Version schon bewies. Hier wurde es dann aber wirklich besonders schwierig, sich auf dem zugewiesenen Sitzplatz zu halten. Gerade dann, wenn man beobachten kann, wie Drummer Steffen Pott sich bei dem Song ins Zeug legt.
Mit Live-Musik schlägt das Herz wieder ein bisschen leichter
Als das Publikum dann richtig in Stimmung kam, war das Ganze aber leider auch schon bald wieder vorbei. Da die Jungs von Razz keine Fans von Zugaben sind, gab es – trotz einiger Versuche des Publikums – leider auch keine Aussicht auf Verlängerung. Mit „1969 – Conrad“ verabschiedeten sich Razz dann also mit Hoffnung auf baldiges Wiedersehen von Bonn und von einem Publikum, dass sich an diesem Abend wohl für eine Weile fast so schwerelos wie der Astronaut Pete Conrad selbst gefühlt haben muss.