Die vierte Sitzung des Studierendenparlaments (SP) in diesem Jahr entpuppte sich als eine der ruhigsten und wichtigsten; die erste Lesung des Haushalts war angesetzt. bonnFM-Reporter Jan Kandyba trägt die wichtigsten Dinge zusammen.
Einen sehr ruhigen Ablauf nahm die letzte Sitzung; angesichts der besprochenen Themen durchaus überraschend. Wie immer gehen den eigentlichen Anträgen die Berichte aus dem AStA voraus. Ein paar Neuerungen vorweg: Die Kooperation mit Nextbike wird im nächsten Wintersemester nicht nur verlängert, wir bekommen auch im Zuge unserer Nutzung Zugriff auf die Fahrräder aus dem Rhein-Sieg-Kreis. Des Weiteren bekommt die Uni Bonn wahrscheinlich demnächst eine Systemakkreditierung; das bedeutet, dass das interne Qualitätsmanagement, welches vom AStA hoch gelobt wurde, gut genug ist, um eigens neue Studiengänge zu evaluieren und zu schaffen.
Palästina
Der Sozialistisch-Demokratische Studierendenverband (SDS) hat einen Antrag mit dem Titel „Universitäten für den zivilen Wiederaufbau in Palästina stärken“ mit eingebracht. Große Teile des Antrags fanden großen Zuspruch. Inhaltlich ging es darum, die Uni Bonn aufzufordern, sich mit palästinensischen Wissenschaftlerinnen zu solidarisieren und Kooperationsmöglichkeiten mit palästinensischen Universitäten aufzubauen. Bislang hat die Uni Bonn keine Kooperationsprogramme mit palästinensischen Universitäten. Als Orientierung nennt der SDS die „Rebuilding Hope“-Initiative der Birzeit-Universität [1].
In der Debatte äußerte der Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) die Sorge, dass die Hamas die ideologische Einstellung der Wissenschaftlerinnen beeinflussen könnte. Auch die Liberale Hochschulgruppe (LHG) sorgte sich darum, dass die Universitäten dort von „politischen Kräften“ beeinflusst werden. Vor allem wurde von Seiten des RCDS die Frage eingebracht, welche Stelle bei einer Kooperation mit palästinensischen Universitäten die ideologische Einstellung der Wissenschaftler*innen überprüfen würde. Die Liste Poppelsdorf erwiderte prompt, das mache die Bundespolizei bei der Einreise. Im Endeffekt einigte sich die AStA-Koalition (bestehend aus der Liste Poppelsdorf (LP), der Juso-Hochschulgruppe und der Links-Grünen Liste (JLGL)) mit dem SDS auf die Streichung der Forderung nach einer Solidaritätsbekundung mit dem Argument, dass das Rektorat dadurch dem Antrag eher Beachtung schenken würde. Die Initiative der Birzeit-Universität wurde namentlich in der beschlossenen Form erwähnt, jedoch ohne den Link [1] anzuhängen.
Antisemitismus
Die Antisemitismusresolution wurde in der letzten Sitzung vertagt. Verschiedene Antisemitismusdefinitionen sowie Positionen zum Nahostkonflikt sind immer Gegenstand spaltender Debatten. Auch in dieser Sitzung nahm das Thema die meiste Zeit ein.
Besprochen wurden der eigentliche Antrag der AStA-Koalition, die gleichen vier Änderungsanträge des SDS (mehr dazu im Artikel zur letzten SP-Sitzung [2]) und ein fünfter des RCDS. Der Antrag des RCDS ging in die gleiche Richtung wie der Ursprungsantrag. Im Kern ging es dem RCDS hierbei, neben der Solidarisierung mit der palästinensischen Zivilbevölkerung, auch darum, sich zeitgleich mit der israelischen Zivilbevölkerung zu solidarisieren.
Um nicht wie in der letzten Sitzung in Unruhe auszubrechen, wurde von der LP ein Antrag eingebracht, der nur einen Redebeitrag pro Fraktion und Änderungsantrag zulässt. Dann begann die Debatte um die Änderungsanträge.
Der SDS hat dazu lange und ausschweifende Reden vorbereitet – ganze 12 Minuten lang ging der wohl spektakulärste Redebeitrag mit großen thematischen Exzessen.
Wie erwartet, wurden alle Änderungsanträge des SDS, auf Antrag des SDS in geheimer Abstimmung, abgelehnt. Interessant wurde es bei der Abstimmung des vierten Änderungsantrags – der machte nur Sinn im Kontext aller anderen Änderungen, denn hier wurde die Solidarisierung mit der palästinensischen Zivilbevölkerung herausgestrichen, da das Thema in den anderen Anträgen des SDS schon behandelt wurde. So gesehen würde die isolierte Annahme der vierten Änderung komplett gegen die Position des SDS gehen. Nichtsdestotrotz wurde vom SDS unangepasst die gleiche vorbereitete Rede vorgetragen. Für den Antrag wurden sieben Stimmen gezählt (zzgl. einer ungültigen Stimme) – der SDS ist mit sechs Abgeordneten vertreten.
Nach Ablehnung aller Änderungsanträge brachte der SDS einen Tischantrag (ein nicht vorher angekündigter Änderungsantrag) ein, der den gesamten Text der ursprünglichen Antisemitismusresolution durch einen eigenen ersetzte. Kurz darauf brach eine leichte Unruhe im Saal aus, die mit Annahme eines Antrags auf Nichtbetrachtung endete.
Die Abschlussdebatte des originalen Antrags verlief relativ kurz. Mit lediglich drei Gegenstimmen und zwei Enthaltungen wurde der Antrag in Originalform angenommen.
Haushalt
Die Kernkompetenz des SP ist neben der eigentlichen Wahl des AStA der Beschluss des Haushalts. Ein Haushalt muss immer in mindestens zwei Lesungen beschlossen werden, in der letzten Sitzung fand die erste Lesung statt.
Eigentlich der Antrag mit den größten Auswirkungen auf die Studierendenschaft, war die Debatte dazu am kürzesten – nur etwa 45 Minuten dauerte die Besprechung.
Erstmal vorweg: Unser Beitrag zum AStA von 14 € wird nicht erhöht, jedoch erhöht sich der Beitrag für das Deutschlandticket von 176,40 € auf 208,80 €.
Das ist eine Debatte, die naturgemäß die Nuancen der Hochschulpolitik hervorhebt. Hier werden die Vorstellungen über Aufgaben und ideologische Ausrichtung des AStA konkret – ausgeklammert von gesamtgesellschaftlichen Bekundungen und den gleichklingenden (falls existenten) Wahlprogrammen.
Blöd nur, dass sich keine Fraktion aus der Opposition vernünftig mit dem Haushalt befasst hat; statt konkreter, begründeter politischer Kritik sind nur grobe politische Linien gezeichnet worden.
LHG und RCDS fordern einen nicht weiter konkretisierten Sparkurs und, dass „AStA-Mittel genutzt werden, um Ideologien zu verbreiten“. Der erste Kommentar des RCDS gab kund: „Wir Kapitalisten hätten gerne ein paar Einsparungen.“ Man könne zwar bei allen Referaten kürzen, exemplarisch brachte der RCDS aber das Queerreferat an – 12.000 € für ein paar Brettspielabende wären zu viel.
Der SDS begrüßt an sich den Stellenwert politischer Bildung und den Haushalt, lehnt aber einige politische Positionen des AStA ab – auch nicht wirklich tiefgreifend konkretisiert. Die Liste undogmatischer Student*innen (LUST) – mitwirkend an der politischen Bildung des AStA – schweigt während der gesamten Debatte.
Auch wenn am Haushalt keine wesentlichen Punkte im Vergleich zum Vorjahr geändert wurden, ist hier die Opposition im Zugzwang. Die Opposition kann jederzeit vom AStA Auskunft verlangen und bis ins kleinste Detail nachverfolgen, wofür das Geld ausgegeben wird. Klar – besonders aufregend ist die Debatte nicht, aber sie ist Kernkompetenz.
Hier werden Prioritäten bestimmt – Prioritäten, die uns als Studierendenschaft betreffen.
Quellen:
[1]: https://www.birzeit.edu/en/rebuilding-hope
[2]: https://bonn.fm/chaos-im-studierendenparlament/