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bild: BonnFM

Könnte das K in KI auch für konstruktiv stehen? – Wie Künstliche Intelligenz den Journalismus verändert

Lesezeit: 6 Minuten

Auch im Journalismus ist KI nicht mehr wegzudenken. Doch immer wieder sorgen Schlagzeilen über Deep Fakes, falsche Informationen oder fehlende Transparenz für Skepsis. Kann KI unter diesen Umständen überhaupt zur Verbesserung journalistischer Arbeit beitragen?

Fragt man ChatGPT, ob Künstliche Intelligenz für den konstruktiven Journalismus genutzt werden kann, bekommt man die folgende Antwort:

Quelle: ChatGPT

Zugegeben, das ist nicht so ganz die Wahrheit. Die erste Antwort, die ChatGPT mir lieferte, war viel zu lang und in Stichpunkten – unbrauchbar für meine Reportage. Sie entstand erst durch einen zusätzlichen Prompt, also der Eingabe einer weiteren Frage oder Aufforderung. In diesem Fall war es der Folgende: 

Quelle: ChatGPT

Doch unabhängig von Form und Länge bleibt der Kern der Aussage gleich: ChatGPT betont vor allem die Vorteile, die KI für den konstruktiven Journalismus bieten kann. Aber wie objektiv ist das wirklich? Schließlich hat die Plattform mit Sicherheit ein Eigeninteresse daran, ihre eigene Technologie im besten Licht darzustellen. Zudem gibt ChatGPT nach jeder Antwort selbst an, Fehler zu machen, mit dem Appell, wichtige Informationen genauer zu überprüfen. 

Praxischeck KI

Wie bewerten also Fachleute dieses Versprechen der KI-Anwendung? Um das herauszufinden, habe ich das Bonn Institute für Journalismus und konstruktiven Dialog besucht. Der Name ist eigentlich schon Programm: Die unabhängige Organisation setzt sich vor allem dafür ein, Journalismus konstruktiver und lösungsorientierter zu machen. Konstruktiver Journalismus bedeutet hier, nicht nur Probleme zu benennen, sondern auch nach möglichen Lösungen zu suchen, verschiedene Perspektiven einzubeziehen und den Dialog zwischen Gesellschaft und Entscheidungsträger*innen zu fördern. Genau diese drei Aspekte, Lösungsorientierung, Perspektivenreichtum und konstruktiver Dialog, bilden das Fundament der Arbeit des Bonn Institute.

Quelle: Bonn Institute


Die Organisation hat beispielsweise Projekte mit verschiedenen Medienunternehmen und bietet zudem Inhouse-Schulungen für Journalist*innen. Außerdem veranstaltet das Bonn Institute jedes Jahr im Oktober in Bonn das B-Future Festival, das als Europas erstes Festival für Journalismus und konstruktiven Dialog gilt. Das B-Future ist eine Mischung aus Fachkonferenz und öffentlichen Stadtfest, mit dem Ziel, all diejenigen zusammenzubringen, die sich für zukunftsorientierten Journalismus einsetzen, der gut für die Gesellschaft ist.

Video: Beispiel für am B-Future angebotene Paneltalks.

Das klingt alles ziemlich beeindruckend. Umso überraschter bin ich, als ich am Sitz des Instituts in Bonn ankomme. Denn von außen wirkt das Gebäude unscheinbar, fast wie ein gewöhnliches Wohnhaus. Wäre da nicht das kleine Schild am Eingang, das auf das Bonn Institute verweist.

Im Inneren zeigt sich ein ganz anderes Bild: Die Büroräume sind zwar überschaubar, aber lichtdurchflutet und modern eingerichtet. An den Wänden hängen unzählige Notizen – Skizzen, Ideen, To-Do-Listen. Es wirkt wie ein Raum, in dem nicht nur über innovativen Journalismus gesprochen wird, sondern dieser tatsächlich auch entsteht.

Hier treffe ich Claudia Isabel Rittel. Als Expertin für konstruktiven Journalismus kann sie mir erklären, wie KI in diesem Bereich tatsächlich sinnvoll eingesetzt werden kann und wo die Grenzen liegen.

Quelle: Fotostudio Bruder, Claudia Isabel Rittel

Rittel absolvierte ein Studium der Politikwissenschaft, Romanistik und des öffentlichen Rechts, bevor sie bei der Frankfurter Rundschau volontierte. Dort arbeitete sie über ein Jahrzehnt in verschiedenen Rollen der Regionalredaktion. Die Veränderungen in der Medienlandschaft führten sie schließlich zu einem berufsbegleitenden Masterstudium in New Media Journalism an der Leipzig School of Media, nach dessen Abschluss sie einige Jahre als Editorial Developerin arbeitete. 

2023 wechselte sie dann zum Bonn Institute. Für Rittel ein „wunderbarer Ort”, an dem sie ihre Erfahrung einbringen und daran mitarbeiten kann, Journalismus konstruktiver und lösungsorientierter zu machen.

KI im Journalismus: Fluch oder Segen?

Bevor wir über die Rolle reden, die KI im konstruktiven Journalismus spielen kann, frage ich Rittel erstmal nach ihren Blick auf die aktuelle Situation. Denn wenn es um den Einsatz von KI in Journalismus geht, häufen sich oftmals negative Schlagzeilen: Sei es wegen fehlerhafter Fakten, Deep Fakes, mangelnder Transparenz oder ethischer Bedenken.

Rittel sieht das differenzierter und stellt mir gegenüber zunächst fest: „Fakt ist, es gibt nicht die KI, sondern ganz viele verschiedene kleine, mittlere oder größere KI-Anwendungen. Und das sind Werkzeuge. Als solche sollten wir sie auch behandeln.” Es sei zunächst wichtig zu unterscheiden zwischen generativer KI, also Anwendungen, die eigenständig Texte, Bilder oder Videos generieren, wie beispielsweise ChatGPT und anderen, analytischen KI-Anwendungen, die lediglich Daten auswerten oder Muster erkennen. 

Der Journalismus könne durch generative KI sinnvoll unterstützt werden. Vor allem bei zeitaufwendigen Routineaufgaben. „Es gibt Arbeiten im redaktionellen Umfeld, für die gut ausgebildete Journalistinnen definitiv überqualifiziert sind. Solche Aufgaben können gut Maschinen übernehmen.“, erklärt sie mir. Dazu gehöre zum Beispiel, das Formulieren von Pressemitteilungen oder das Kürzen von Texten für Social Media. 

Aber, so Rittel, es sei ein Trugschluss zu glauben, dass die generative KI soweit wäre, eigenständig journalistische Texte komplett alleine zu schreiben. 

Deshalb glaube Rittel auch die häufig verbreitete Annahme nicht, dass generative KI wirklich ausgebildete Journalist*innen völlig ersetzen könne. „Das Kerngeschäft des Journalismus sehe ich nicht bedroht“, sagt sie mir. Eine Unterhaltung mit ChatGPT könne keine Recherche ersetzen. Niemals. Es könne inspirieren und helfen, Fragen zu generieren, aber die eigentliche journalistische Arbeit müsse weiterhin der Mensch leisten. Trotzdem sei es denkbar, dass Medienhäuser in Zukunft weniger Personal einstellen, da bestimmte Aufgaben automatisiert werden könnten.

KI als konstruktives Werkzeug

Bei allen Fortschritten ist es Rittel dennoch wichtig zu betonen, dass auch generative KI, lediglich ein Hilfsmittel bleibt. Sie vergleicht KI deshalb auch metaphorisch mit einem Werkzeug: „KI ist wie ein Hammer. Damit kann man einen Nagel einschlagen und ein schönes Bild an die Wand hängen – oder jemandem auf den Kopf hauen. Man sollte sich also vorher gut überlegen, was man tun möchte.”

Genau hier sieht Rittel die Verantwortung der Journalist*innen. KI könne redaktionelle Abläufe vereinfachen, dafür muss man aber auch lernen, das Werkzeug sorgfältig zu benutzen. Sonst bestehe das Risiko, dass Fehlinformationen verbreitet oder Perspektiven verzerrt werden. Sie betont: „KI ist jetzt da und wird den Journalismus in den kommenden Jahren nachhaltig verändern. Daher ist es wichtig, nun auch zu schauen, wie dieses sehr mächtige Werkzeug konstruktiv genutzt werden kann. Das erste Ziel muss dabei immer sein, keinen Schaden anzurichten.”

Daher, so Rittel, solle man KI gezielt steuern, um journalistischen und gesellschaftlichen Mehrwert zu schaffen. Sie wünscht sich, dass die Gesellschaft offen und ohne Angst vor vermeintlich dummen Fragen über KI diskutiert – mit Neugier und dem Bewusstsein, dass diese Technologie unsere Zukunft prägen wird: „Wir sind die Generation, die zentrale Entscheidungen darüber trifft, wie KI künftig eingesetzt wird.“ Mit Blick auf den Journalismus hofft Rittel, dass Medienschaffende KI als das nutzen, was sie ist: ein Werkzeug, das helfen kann, den Journalismus besser und konstruktiver zu machen.

KI-Kompass

Um Journalist*innen bei ihrer Arbeit mit KI zu unterstützen, hat das Bonn Institute den konstruktiven KI-Kompass entwickelt. 

Während unseres Gesprächs reicht mir Rittel eines der Exemplare. Das Design ist schlicht, aber modern und übersichtlich gestaltet. In knapp über 70 Seiten werden Leser*innen über die Funktionsweisen von KI aufgeklärt und ihnen wird gezeigt, wie sie Anwendungen verantwortungsvoll im journalistischen Alltag nutzen können. Besonders spannend sind die Prompts, die der Kompass liefert. Sie verdeutlichen, wie man generative KI als kreative Ideenmaschine nutzen kann. 

In der Online-Version lassen sie sich mit nur einem Klick direkt in ChatGPT öffnen, sodass Nutzer*innen sie sofort ausprobieren und individuell anpassen können.

Quelle: Bonn Institute

Ich nehme mir vor, zukünftig den Kompass auch für meine journalistische Arbeit zu nutzen. Damit schließt sich für mich der Kreis zur eingangs gestellten Frage: Kann KI wirklich für den konstruktiven Journalismus genutzt werden? 

Für mich steht fest, dass letztlich verantwortungsvolle Umgang darüber entscheidet, ob KI den Journalismus wirklich konstruktiver macht. Denn das Gespräch mit Claudia Isabel Rittel vom Bonn Institute zeigt, das Potenzial ist da. Doch ob es tatsächlich ausgeschöpft wird, hängt davon ab, wie bewusst und verantwortungsvoll mit der Technologie umgegangen wird. Denn KI ein Werkzeug – und wie jedes Werkzeug liegt es in den Händen derjenigen, die es nutzen.