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Bild: Aylin Suhrborg / bonnFM

Kriminalhauptkommissarin Irmgard Küsters vom Opferschutz Bonn über Anlaufstellen für Opfer von Sexualstraftaten

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Im Rahmen der letzten Sexismus-Sendung zum Thema „Sexuelle Übergriffe“ hat bonnFM sich beim Opferschutz der Polizei über Anlauf- und Beratungsstellen hier vor Ort in Bonn informiert. Im Folgenden findet ihr das vollständige Interview mit Kriminalhauptkommissarin Irmgard Küsters.

bonnFM: Vielleicht können Sie sich kurz selber vorstellen? Was kann man sich unter dem Opferschutz der Polizei genau vorstellen?

Küsters: Mein Name ist Irmgard Küsters. Ich gehöre dem Kriminalkommissariat Kriminalprävention und Opferschutz an. Opferschutz bedeutet, dass wir uns um Opfer von Straftaten kümmern, bei denen eine weitergehende Vermittlung an Hilfsorganisationen notwendig ist.

bonnFM: Würden Sie sich als erste Anlaufstelle für Opfer sexueller Gewalt bezeichnen?

Küsters: Das kommt drauf an. Es gibt Sexualstraftaten, die werden von Amtswegen verfolgt, das heißt, da kann man nicht zu mir kommen und sich beraten lassen und wieder nach Hause gehen und überlegen, möchte ich Anzeige erstatten oder möchte ich das nicht, dann muss ich von Amtswegen tätig werden. Dann gibt‘s natürlich auch Straftaten, die werden nicht von Amtswegen verfolgt, da muss man einen Strafantrag stellen, dazu gehört zum Beispiel der Straftatbestand „Sexuelle Belästigung“, der noch relativ neu ist.

Erste Anlaufstellen in Bonn

bonnFM: Woher weiß ich, welche Beratungsstelle für meine Bedürfnisse die richtige ist? Wird da von Ihnen auch vermittelt?

Küsters: Es ist so, dass es bestimmte Beratungsstellen gibt, die natürlich alle keinen Strafverfolgungszwang haben. Strafverfolgungszwang haben Polizei und Staatsanwaltschaft. Andere Beratungsstellen, ich sag jetzt mal ganz vorne der Weiße Ring, der natürlich auch Opfern von Sexualstraftaten hilft, hat keinen Strafverfolgungszwang, da könnte man sich beraten lassen. Wenn man noch gar nicht weiß, welchen Weg man gehen möchte, da gibt es hier in Bonn die Beratungsstelle gegen sexualisierte Gewalt in der Wilhelmstraße, das wären so die beiden ersten Anlaufstellen für Opfer nach Sexualstraftaten hier in Bonn. Wenn man niemanden persönlich aufsuchen möchte, gibt es das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“  (08000 116 016) , speziell für Frauen, da kann man sich auch beraten lassen. Wenn man aber Anzeige erstattet hat, kann man sich natürlich auch bei uns, dem Opferschutz der Polizei, beraten lassen, weil dann ist die Anzeige ja schon entstanden und dann können wir alle weiteren Hilfsmöglichkeiten und rechtlichen Möglichkeiten benennen.

bonnFM: Gibt es gerade hier in Bonn abgesehen vom Weißen Ring und der Beratungsstelle gegen sexualisierte Gewalt weitere wichtige Anlaufstellen, die genannt werden sollten?

Küsters: Eine weitere wichtige Anlaufstelle wäre auch die Traumaambulanz der LVR-Klinik hier in Bonn, dort kann man sich auch beraten lassen, wenn man ein traumatisches Erlebnis erfahren hat oder Traumafolgestörungen hat.

Telefonische Beratung und Seelsorge

bonnFM: Sie bieten auch telefonisch Hilfe an. Was halten Sie persönlich von Telefonseelsorge für Opfer sexueller Übergriffe?

Küsters: Telefonseelsorge (0800 111 0 111) ist eine wichtige Sache, es gibt viele Menschen, die nach einer Gewalttat niemanden als Ansprechpartner haben oder sich erst mal niemandem persönlich anvertrauen möchten. Da ist Telefonseelsorge glaub ich ganz wichtig, weil da kann man sich in der ersten Not an jemanden wenden, der dann vielleicht auch Mut macht, weitere Schritte einzuleiten. Um Missverständnissen vorzubeugen, möchte ich ganz klar sagen, dass wir hier beim Opferschutz, es gibt außer mir auch noch den Kollegen Klaus Schmitz und den Kollegen Hans-Jürgen Hoppe, wir sind alle unter der Telefonnummer 152020 über das Opferschutztelefon zu erreichen, wir sind Polizeibeamte, keine Seelsorger, wir sind nicht geschult in Krisenintervention, sondern wir beraten über Hilfsangebote und rechtliche Möglichkeiten, die man als Opfer von verschiedenen Straftaten hat.

Anonyme Spurensicherung nach Sexualstraftat (ASS)

bonnFM: Welche Möglichkeiten haben Opfer, die erst mal anonym bleiben wollen, abgesehen von einer telefonischen Beratung noch?

Küsters: Es gibt viele Frauen, die nach einer Sexualstraftat nicht den Weg finden, um eine Anzeige zu erstatten. Aus verschiedenen Gründen, eventuell, dass die Frauen denken, „hab ich falsche Signale ausgesandt?“ oder es wird ihnen eingeredet, „du hast etwas falsch gemacht“, oder es ist vielleicht eine Person aus dem nahen Umfeld gewesen, dann gehen die Frauen vielleicht nach dieser Straftat nach Hause, duschen sich, werfen die Kleidung in die Waschmaschine, waschen die Sachen und somit sind alle Spuren verloren.

Es gibt hier in Bonn unter anderem die Möglichkeit der Anonymen Spurensicherung nach Sexualstraftaten (kurz: ASS). Und zwar gibt es Krankenhäuser bei uns (u.a.: Gemeinschaftskrankenhaus St. Elisabeth, Johanniter-Krankenhaus, St. Marien-Hospital) und auch im Rhein-Sieg-Kreis, die eine Untersuchung des Opfers durchführen, wie als wenn man eine Anzeige erstattet hätte. Die Spuren werden gesichert und werden mit einer Chiffre-Nummer bei der Rechtsmedizin gelagert, so dass man auch bis zu zehn Jahre nach der Straftat auch Anzeige erstatten kann und die Spuren können abgefragt werden mit der Chiffre-Nummer bei der Rechtsmedizin, sodass die Spuren noch genauso ausgewertet werden können wie direkt nach der Tat. Das ist eine ganz wichtige Sache, wenn man sich nicht sofort entschließen kann, Anzeige zu erstatten, aber nicht alle Spuren vernichten möchte.