“Es liegt nicht an dir, sondern an mir”. Wer diese Floskel schon einmal gehört hat, weiß wahrscheinlich, dass es vorbei ist. Vorbei mit Beziehung oder Situationship oder was auch immer man hatte. Vielleicht sogar auch vorbei mit Freund*innenschaft. Doch selten hört man hierfür Erklärungen. Warum eigentlich?
Trennungen tun oft richtig weh, unabhängig davon, wer sie initiiert. Während es in romantischen Beziehung jedoch üblich ist, ein offizielles Ende des Zusammenseins zu etablieren, scheint dieser Step in Freund*innenschaften häufig übersprungen zu werden. Ich persönlich hatte nur ein wirklich offenes Gespräch mit einer Freundin über unser Auseinanderleben. Diese Aussprache half mir jedoch, weil sie Antworten bot, auf Fragen, die mich monatelang quälten. Fragen nach dem Warum und wie man das Ende hätte verhindern können. Es tat gut zu erfahren, dass ich selbst nicht Schuld war, sondern dass die andere Person mit ihren eigenen Problemen kämpft und nicht aus bösem Willen handelt, wenn sie die Verbindung kappt. Häufig fehlt jedoch dieser Mut, die ehrlichen Gefühle über das Ende einer platonischen Beziehung auszusprechen.
Warum machen wir so selten mit Freund*innen Schluss?
Trennungen zwischen Freund*innen scheinen mir chronisch unterrepräsentiert, in Filmen und Büchern werden wir zwar mit Herzschmerz bombardiert, es dreht sich jedoch oft nur um Liebesbeziehungen. Damit einher geht die Unsicherheit darüber, wie man Beziehungen mit Freund*innen richtig beendet, welche Worte man verwendet und wie man sich nach der Trennung begegnet. Freund*innenschaftsforscherin Julia Hahmann versteht den anderen Umgang mit Freund*innen als Resultat von den gesellschaftlichen Konventionen der Monogamie. Geht man davon aus, dass wir mehrere Freund*innen aber nur eine*n Partner*in zur selben Zeit haben, dann kann das bedeuten, dass wir ein richtiges Schlussmachen mit Freund*innen nicht für wichtig erachten. Wir müssen uns sozusagen nicht erst von Freund*innen trennen, um eine neue Freund*innenschaft zu beginnen, dementsprechend rückt das Konzept des Friendship BreakUps auch weniger in unseren Fokus.
Gesellschaftlicher Fokus auf romantischer Liebe
Viele der genannten Phänomene rühren möglicherweise daher, dass romantische Beziehungen häufig über die Beziehung zu Freund*innen gestellt werden. Zukunftsvorstellungen und Familienplanung entstehen in der Regel im Rahmen von Liebesbeziehungen und auch das Konzept der Ehe bevorzugt Liebesbeziehungen sogar vor dem Gesetz. Spätestens wenn man auf der nächsten Familienfeier schon wieder klarstellen muss, mit dieser einen Person wirklich nur befreundet zu sein, stell ich mir die Frage: Warum denn nur? Als wäre Freund*innenschaft eine Abstufung zur Liebesbeziehung. Freund*innenschaften sind meiner Meinung nach mindestens genauso tiefgehende Beziehungsformen wie die der romantischen Liebe, wenn nicht sogar noch tiefer!
Grenzen zwischen Freund*innenschaft und Romantik?
Mit Freund*innen kommt Stabilität. Zumindest erschien es mir immer so im Vergleich zu romantischen Beziehungen. Wahrscheinlich weil ich wusste, die Beziehung zu meinen Freund*innen haben eine höhere Toleranzgrenze als romantische Beziehungen, da man weniger Kompromisse machen muss. Gemeinsame Zukunftsvorstellungen wie ein potentieller Kinderwunsch spielen in Freund*innenschaften keine Rolle, da sie eben nicht ausschlaggebend sind für das Weiterbestehen der Beziehung. Dass diese vermeintliche Stabilität auch nur eine Illusion ist, lernte ich spätestens nach dem Abi und zum Studienbeginn. In dieser Zeit veränderten sich meine sozialen Kreise am stärksten. Unterschiedliche Zukunftsvorstellungen trieben uns eher auseinander, durch verschiedene Wohnorte und Berufsausbildungen sehen wir uns in unseren ursprünglichen Gruppen nur noch selten. Die Beziehungen wurden dadurch zwar nicht weniger tief, aber auf jeden Fall lockerer und spontaner. Durch die vielen neuen Kontakte im Studium verlagerte sich der soziale Lebensschwerpunkt auf eine neue Stadt und in neue Kreise hinein. Und es hört nicht einmal hier auf, denn auch im Studium verändern sich Beziehungen. Diese Veränderungen zu akzeptieren und zu embracen, sehe ich als meine wahrscheinlich anspruchsvollste Aufgabe im Leben an.
Was bedeuten uns unsere Beziehungen?
Beziehungen haben nur diese Art von Stabilität, die man ihnen gibt, egal ob man verliebt ist, oder nicht. Platonische und romantische Liebe ist das, was man für sich und gemeinsam mit anderen definiert. Manche Menschen haben in Freund*innenschaften Sex während andere in ihrer romantischen Beziehung das nicht haben. All das ist legitim, solange es unter dem Stern der ehrlichen Kommunikation steht. Genauso wie wir uns von unseren Partner*innen trennen, können wir unseren Freund*innen den gleichen Respekt zollen, mindestens dann, wenn einem Part noch etwas an der Verbindung liegt. Also, auch wenn ehrliche Freundschafts BreakUps hart und unangenehm sein können, verdienen sie Aufmerksamkeit!